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Neuvorstellung zur Übersicht
17.08.2007
Peter Geißler (Hrsg.): Was ist Selbstregulation? Eine Standortbestimmung
Geißler: Selbstregulation Psychosozial-Verlag, Gießen 2004

344 S., broschiert

Preis: 32,00 €

SBN-13: 9783898063180
ISBN-10: 3-89806-318-6
Psychosozial-Verlag





Christiane Geiser, Wil (Schweiz):

„Es ist ein buntes Buch geworden“ schreibt P. Geißler in seiner Einleitung. Tatsächlich, in einer ersten Annäherung stehen da, scheinbar unverbunden, Beiträge zur Säuglingsforschung, zum Trauma, zur Psychoanalyse, zum Traum, Aufsätze über Homöopathie und Wilhelm Reich und eine Filminterpretation nebeneinander. Allen gemeinsam ist, mit ganz unterschiedlichen Zugangsweisen, die Beschäftigung mit dem Phänomen der Selbstregulation.
Eine „Standortbestimmung“ nennt P. Geissler seinen Sammelband, und, anders als bei seinem vorangehenden Buch über Regression, wollte er keine Monographie schreiben, sondern hat das Nachdenken über Selbstregulation an einige seiner KollegInnen aus psychoanalytischen, humanistischen und körperpsychotherapeutischen Therapieverfahren weitergegeben und setzt sich selber auch mit einer Reihe von Aufsätzen mit diesem für ihn wieder neu interessant gewordenen Thema auseinander. Manchmal klingt er selber überrascht, was dabei alles an Assoziationen herausgekommen ist in dieser Palette, die er bewusst methodenvergleichend angelegt hat, und er überlässt es seinen LeserInnen, den roten Faden zu finden und aus den Puzzlestücken etwas Zusammenhängendes zu formen.
Gelingt mir das als Leserin? Wie, so kann ich mich fragen, reguliere ich mich selber beim Lesen?
Interessanterweise passiert das, zeitlich verschoben, auf zwei Arten: zum einen werde ich zuerst ganz trennscharf und pingelig. Ich höre mich innerlich sagen: Also das kann man jetzt wirklich nicht vergleichen / in Beziehung setzen / in Einklang bringen / das sind doch gänzlich unterschiedliche Menschenbilder / Sprachformen / Annahmen/ Theoriehintergründe. Oder: Was hat denn jetzt dieser oder jener Aufsatz in diesem Buch zu suchen? Beim zweiten Lesen dann werde ich grosszügiger, mein Blickwinkel wird weiter, die kritischen Stimmen werden leiser, die Fäden beginnen sich tatsächlich zu verknüpfen und Gestalten sich zu formen – so wie der Herausgeber es in der Einleitung erhofft.
Der Begriff „Selbstregulation“ kommt in sehr unterschiedlichen Kontexten vor: in der Biologie, Ökonomie und Ökologie, in der Entwicklungspsychologie, in der Systemtheorie. Bei genauerem Hinschauen taucht er auch in den Menschenbild- und Hintergrundvorstellungen der meisten Therapierichtungen auf. Er changiert zwischen den beiden ihm zugeschriebenen Bedeutungen: dem „ich kann das selbst“, also der Fähigkeit, eigene Spannungs- und Affektzustände trotz Umwelteinflüssen selber zu regulieren, die innere Homöostase aufrechterhalten zu können. Oder es geht beim Gedanken „das reguliert sich dann schon (von) selber“ um eine Art Überzeugung oder Glaubensannahme über die Natur lebendiger Systeme und Organismen, die sich immer wieder selber organisieren und weiterentwickeln.
Die Vielfalt der Sprach- und Denkfiguren in den einzelnen Beiträgen reicht von der zu unterstützenden „Aktualisierungstendenz“ im Individuum über die „Kreditierung“, also eine Entwicklungsförderung durch zeitweilige unterstützende „Fremdregulation“, bis hin zu einer gegenseitigen Regulierung, an der alle Beteiligten ihren Anteil haben. Es hat mich beim Lesen fasziniert, wie deutlich sich die meisten Beiträge von der lange vorherrschenden „Ein-Personen-Psychologie“ entfernt haben: die wechselseitige Beeinflussung und Regulierung, wie sie die Säuglingsforscher so deutlich beschrieben und erforscht haben, steht auch bei der Betrachtung der Beziehung zwischen KlientIn und TherapeutIn im Vordergrund. Das Interesse verschiebt sich zunehmend von der Erforschung innerer Zustände und Prozesse im Individuum oder einzelner Anteile in ihm hin zu relationalen Gesichtspunkten: zur Beziehung, zur Intersubjektivität, zur Neuorganisation im Feld, zum „Zwischen“, zum „moment of now“ in der Interaktion, zur Ko-Konstruktion.
Das lässt dann auch die lange unangefochten gebliebene Idee der Autonomie und Eigenkontrolle des Individuums als höchstes Entwicklungsziel als nur eine der möglichen Sichtweisen erscheinen. Mindestens ebenso wichtig sind Bezogenheit, Verbundenheit, Beziehungsfähigkeit.
Diese Verschiebung des Blickwinkels, wie und wohin sich denn eine Person in der Therapie verändern soll und wie wir sie dabei begleiten können, hat dann natürlich eine hohe therapeutische Relevanz. Praxisbeispiele finden sich dazu in den Beiträgen des Buches aus unterschiedlichen Perspektiven. Mir fällt dazu der Satz von Carl Rogers ein: „Die erste Bedingung zum Zuhören ist Mut“ – weil wir als Begleitende in einem auf Wechselseitigkeit beruhenden Kontakt mitverändert und nicht dieselben bleiben werden.
Wir finden darüber hinaus einiges an Anregung, wie Wissen über diese Prozessverläufe dazu verhelfen kann, blockierte, fixierte, unterbrochene oder nicht vollendete Selbstregulierungsverläufe in der therapeutischen Beziehung weiterzuführen, Muster zu de-automatisieren und so wieder Wahlmöglichkeiten zu schaffen. Was das über traumatische Erlebensformen und deren Wieder-Regulierung aussagen kann, ist im kritischen und fundierten Artikel von P. Geissler zu lesen.
Als personzentrierte Körperpsychotherapeutin habe ich mit Freude gelesen, dass die Einbeziehung des Körpers jetzt auch in der psychoanalytischen Therapie und Praxis offenbar selbstverständlicher geworden ist. Auf unterschiedlichste Weise werden die Erkenntnisse der Säuglingsforschung und der Neurowissenschaften in Nachdenken über spüren, wahrnehmen, berühren, sich ausdrücken umgesetzt. Es fallen Begriffe wie „basale Bewusstheit“, „implizites Wissen“, „vorsprachliche Begegnung“, „ganzer Organismus“ – die Zeit der voneinander getrennten und gegeneinander ins Feld geführten Teileinheiten (hier Geist - dort Körper, hier Gespräch - dort Berührung) ist vielleicht tatsächlich vorbei? Eventuell kann mit der Zeit sogar der Begriff des Selbst, der immer wieder Gefahr läuft, der Reifizierung anheim zu fallen, relationaler verstanden werden?
Peter Geissler, bekannt als mutiger und unkonventioneller Theoretiker und Praktiker, der sich selber seit langem für die Einbeziehung des Körpers in die Psychoanalyse einsetzt, findet im Epilog des Buches zum Thema „Die Selbstregulation des Psycho-Marktes“ deutliche Worte: Der ständig wachsenden Zahl an Möglichkeiten, menschliches Erleben zu verstehen, entspreche eine Vielfalt an therapeutischen Verfahren und Modellen, keine Einheitstherapie. Um Dialog gehe es in der heutigen Landschaft, um die Bewahrung von Komplexität und um gleichzeitige Komplexitätsreduktion beim Vermitteln der Inhalte, um Zugehörigkeit zu einem Ansatz, aber nachher um offenen Austausch, um eine sich öffnende Diskussionskultur und nicht um Schulenhermeneutik. Die „alten Hasen“ würden ja, so meint er augenzwinkernd, als Zeichen menschlicher Reife heute auch manchmal auf Positionen verzichten, die sie früher als unantastbar eingeschätzt hätten. Und tatsächlich: einige Beispiele davon finden sich in diesem Sammelband, und es ist durchaus vorstellbar, sich die Schreibenden vorzustellen auf einem gemeinsamen Panel sitzend, die Stühle einander zugekehrt und dann mit einem Dialog beginnend – eine nicht alltägliche Vision innerhalb unserer Zunft. Und so können wir vielleicht mit dem Herausgeber getrost der Selbstregulierung unseres Fachgebiets entgegensehen im Vertrauen darauf, dass Dialogbereitschaft und Qualität sich durchsetzen.

(Erschienen in: Psychotherapie Forum Vol. 14, No. 1, 2006, S. 62-63, Springer Verlag)





Website von Peter Geißler





Verlagsinformation:

Selbstregulation ist ein zentrales Ziel der Entwicklung, setzt jedoch eine zeitweilige Regulierung durch andere wichtige Bezugspersonen voraus – in der kindlichen Entwicklung durch die primäre Bezugsperson und im therapeutischen Kontext durch den Therapeuten. Der Begriff ist zentral für humanistische Therapieformen, die auf Fähigkeiten und Ressourcen der Person setzen, ebenso für die zeitgenössische Säuglingsforschung und für die Systemtheorie. Selbstregulierende und fremdregulierende Prozesse stehen in einem komplexen Wechselspiel. Aus dem Blickwinkel unterschiedlicher therapeutischer Zugänge – wie klientenzentrierte Psychotherapie, Gestalttherapie, Bioenergetische Analyse und psychoanalytische Selbstpsychologie – wird der Begriff in seinen diversen Facetten erörtert und im Hinblick auf seine therapeutische Relevanz diskutiert.


Inhalt:

Geißler, Peter: Erste Gedanken zur Einführung in das Thema. S. 9-19


Grimmer, Bernhard: Selbstregulierung und Kreditierung in der kindlichen Entwicklung und in der therapeutischen Beziehung. S. 23-37


Hartmann, Hans-Peter & Kerstin Lohmann: Selbstregulation. S. 41-65


Votsmeier-Röhr, Achim: Selbstregulierung in der Gestalttherapie. S. 69-94


Klopstech, Angela: Im Kontext autonomer und interaktiver Selbstregulation: Katharsis im neuen Kleid. S. 95-118


Steiner Fahrni, Maria: Interaktive Regulation und Selbstregulation in Träumen von Erwachsenen aus der Sicht der Säuglingsforschung. S. 119-136


Korbei, Lore: Selbstregulation in der Klientenzentrierten/Personzentrierten Psychotherapie. S. 137-151


Wehowsky, Andreas: Zum Kompetenzkompass der Selbststeuerung. S. 153-177


König, Peter: Selbstregulation – vom Wissen um den Weg zurück – homöopathische Aspekte zu diesem Thema. S. 179-192


Geißler, Peter: Beiträge der Neurowissenschaften und der Evolutionstheorie zum Verstehen der Bedeutung von Emotionen. Zusammenfassende Darstellung emotionstheoretischer Überlegungen von A. R. Damasio und J. Panksepp. S. 195-218


Geißler, Peter: Auge und Affekt. S. 219-246


Plassmann, Reinhard: Psychotherapie der Essstörungen: Das bipolare Prinzip der Traumatherapie. S. 247-271


Geißler, Peter: Trauma und Persönlichkeit aus der Sicht analytischer Körperpsychotherapie. S. 273-292


Geißler, Peter: Stadt der Engel. Komplementäre Assoziationen zu einer psychoanalytischen Filminterpretation H. Weilnböcks aus dem Blickwinkel des affektiv-körperlichen Erlebens. S. 295-320


Miller, Michael Vincent: Der sprechende Körper - oder: Warum wurde Wilhelm Reich verrückt? S. 321-335


Geißler, Peter: Epilog: Gedanken zur Selbstregulation des »Psycho-Marktes«. S. 337-342


Über den Herausgeber:

Peter Geißler, Dr. med. Dr. phil., geb. 1953, war ursprünglich Praktischer Arzt und ist seit 1982 Psychotherapeut in freier Praxis in Wien und Neu-Oberhausen/Groß-Enzersdorf (NÖ), Supervisor, Psychodiagnostiker, Veranstalter des Wiener Symposiums »Psychoanalyse und Körper« und Herausgeber der gleichnamigen Zeitschrift, sowie Herausgeber des Lehrbuchs »Psychoanalyse der Lebensbewegungen« (gemeinsam mit G. Heisterkamp). Wichtigste Stationen im Leben: Als wichtigste Stationen in meinem Leben sehe ich das Aufwachsen in meiner Ursprungsfamilie in Wien, mit den Eltern und den drei jüngeren Brüdern (Werner, Klaus und Christian); dann die Begegnung mit Christine, meiner Frau, sowie die Geburt unserer drei Kinder – Daniel, Andreas und Angelika; die Zeit der vielen Selbsterfahrungsgruppen, die meinem Leben eine gänzlich neue Wendung gab (1976-1979), die Begegnung mit der Bioenergetischen Analyse und der DÖK, der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Bioenergetische Analyse/Körperbezogene Psychotherapie, und mit meinem damaligen bioenergetischen Lehrtherapeuten, Waldefried Pechtl (1979); sowie die gemeinsame supervisorische Arbeit mit Jacques Berliner aus Belgien (1991-1996), in einer kleinen Gruppe von Kolleginnen und Kollegen, die in die Gründung des AKP, des Arbeitskreises für analytische körperbezogene Psychotherapie, mündete.

Veröffentlichungen u.a: 2007: Psychoanalyse der Lebensbewegungen. Zum körperlichen Geschehen in der psychoanalytischen Therapie – ein Lehrbuch. (gem. mit Günter Heisterkamp). Wien New/York (Springer-Verlag). 1999: Mediation: Einblicke in Theorie und Praxis professioneller Konfliktreglung. (gem. mit Gerda Klammer). Wien (Falter-Verlag). 1998: Analytische Körperpsychotherapie in der Praxis. Leben lernen 127. München (Pfeiffer bei Klett-Cotta). 1997: Analytische Körperpsychotherapie. Bioenergetische und psychoanalytische Grundlagen und aktuelle Trends. Wien (Facultas). 1996: Neue Entwicklungen in der Bioenergetischen Analyse. Materialien zur analytischen körperbezogenen Psychotherapie. Frankfurt am Main (Peter Lang). 1994: Psychoanalyse und Bioenergetische Analyse im Spannungsfeld zwischen Abgrenzung und Integration. Frankfurt am Main (Peter Lang).



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