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Kurzvorstellung zur Übersicht
07.04.2008
Anna Stöber: Kirche gut beraten? Betrachtung einer Kirchengemeinde aus betriebswirtschaftlicher und funktionalistisch-systemtheoretischer Perspektive
Anna Stöber: Kirche - gut beraten? Verlag für systemische Forschung im Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg 2005

mit einem Vorwort von Dirk Baecker

92 S., kartoniert

Preis: 16,95 €

ISBN-10: 3896703439
ISBN-13: 978-3896703439
Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer-Systeme Verlag





Norbert Schlüpen, Bonn:

Anna Stöber greift hier ein Thema auf, mit dem sich alle in der Kirche Tätigen beschäftigen sollten und das verstärkt in die Ausbildung für PfarrerInnen gehört: eine rentabilitätsorientierte Analyse verbunden mit der Theorie sozialer Systeme. „Man bekommt es so mit Konvertibilitäten zwischen Geld (Bezahlung), Überzeugung (Glauben) und Zeit (Präsenz in der Gemeindearbeit) zu tun, ohne dass diese Währungen umstandslos ineinander übersetzbar wären.“ (Dirk Baecker im Vorwort). In der Tat wären die Gemeinden gut beraten, wenn sie die Schnittstellen und ihre Synergien berücksichtigen würden, die durch das komplexe Zusammenwirken von Religion, Organisation und Gemeinschaft (ROG) entstehen. Mit ihrer Untersuchung entwickelt sie eine Gemeindearchitektur, die die finanziellen Schwierigkeiten der Kirchen und Gemeinden aufgreift und ihnen Wege aus der Form- und Gestaltlosigkeit gemeindlicher Aktionismen zeigt. PfarrerInnen, deren Rolle für die „Wiedererkennbarkeit von Kirchengemeinde“(S.53) immer noch wichtiger ist als die Rollen für Kantor, Küster oder Erzieherin, könnten sich fragen lassen, ob nicht eine Entlastung von operativen Tätigkeiten wünschenswert wäre, damit sie sich besser auf „pfarramtliche Aufgaben“ konzentrieren könnten (S.35) Mit unvoreingenommenen Blick von außen fokussiert Frau Stöber auch auf die Hauptschwierigkeiten für die Stabilisierung von Religion, formaler Organisation und Gemeinschaft. Denn „viele traditionelle christliche Aufgaben (finden) nicht mehr in der Gemeinde“ (S.62) statt. Hier wäre natürlich die Frage angebracht, ob das Auseinanderdriften von Religion, Kirche als formaler Organisation und Gemeinschaft nicht zu einer sich ständig rasant verändernden Gesellschaft gehört, und ob nicht darin auch eine Chance der Neugestaltung, einer Revitalisierung oder Revision von Gemeinde liegt. Wenn die primär betriebswirtschaftlich geführten diakonischen Dienste nicht mehr als Dienstleistung für die Gemeinden erlebt werden, reduziert sich Gemeindeleben immer mehr auf Gottesdienste und Kasualien. Frau Stöber beobachtet daher, dass „traditionelle christliche Dienste zunehmend von formal organisierten statt interaktionsbasierten kirchlichen Teilsystemen besorgt werden“ (S.63). Daher empfiehlt sie Kirchengemeinden auch, so stark wie eben möglich „und in jeder Hinsicht auf Interaktion zu setzen“ und „religiöse Komponenten zu betonen“. (S.72) Der formalen Organisation Kirche wird nahegelegt, sich „konsequent als Dienstleister der Kirchengemeinden auszurichten“ und nicht „noch mehr Aufgaben von Kirchengemeinden abzuziehen“ (S.73). Es müsse sich verstärkt auf die Mitglieder der Gemeinden konzentriert und alle Leistungen abgebaut werden, „die unabhängig von Taufe und Gemeinschaft gewährleistet werden“ (S.74). Gleichzeitig kritisiert Frau Stöber die rein rentabilitätsorientierten Analysen und Empfehlungen, weil deren Umsetzung „zu nicht intendierten, grundsätzlichen Änderungen des betroffenen sozialen Systems“(S.83) führen. PfarrerInnen, Gemeindevorstände sowie Entscheidungstragenden in landeskirchlichen Gremien werden durch die Lektüre profitieren.

(mit freundlicher Erlaubnis aus systhema 2007)





Zu einem Interview mit Anna Stöber (die mittlerweile Anna Henkel heißt) in sozialarbeit.ch

Ein Download-Text von Anna Henkel "Der lachende Löwe oder Freiheit und Macht" (DOC)

Zur website der Autorin





Verlagsinformation:

Leere Gottesdienste, verkaufte Kirchen und drastische Sparzwänge geben Anlass, Kirche auch als Unternehmen zu betrachten. Empfehlungen von Unternehmensberatern haben jedoch nicht den gewünschten Erfolg erbracht. Stöber analysiert, welche Faktoren für den Fortbestand der Institution Kirchengemeinde eine Rolle spielen. Dabei greift sie anschaulich auf Erfahrungen aus dem Gemeindeleben zurück. Fazit: Wirtschaftliche Herangehensweisen können auch schaden. Der Gemeinde muss ein größerer Stellenwert eingeräumt werden: "Kirche als Dienstleister der Gemeinden".


Inhalt:

1 Vorwort 5

2 Einleitung 9

3 Kirchengemeinde aus betriebswirtschaftIicher Perspektive 13

3.1 Verortung des eMp in der praktisch-theologischen Kybernetik 13

3.2 Handlungsempfehlungen aufgrund eines betriebswirtschaftlichen Organisationsverständnisses 18

3.3 Adventgemeinde als betriebswirtschaftIiche Organisation 25

4 Kirchengemeinde aus funktionalistisch-systemtheoretischer Perspektive 37

4.1 Stand der Umsetzung des eMp und Notwendigkeit eines anderen Blickwinkels 37

4.2 Funktionale Analyse, Systemtheorie sozialer Systeme und formale Organisation 40

4.3 Kirchengemeinde als soziales System 44

4.4 Adventgemeinde als soziales System 66

5 Ergebnisse 71

5.1 Funktionalistisch-systemtheoretische Handlungsempfehlungen 72

5.2 Kritik der betriebswirtschaftlichen Handlungsempfehlungen 76

5.3 Konsequenzen für die Betriebswirtschaft 80

6 Literaturverzeichnis


Vorwort von Dirk Baecker:

Wir leben im Zeitalter der Betriebswirtschaftslehre. Große Beratungsunternehmen, die in den vergangenen Jahren durchaus nicht immer unumstritten privatwirtschaftlich orientierte Unternehmen daraufhin beraten haben, wie sie ihre Leistungen kosteneffizienter auf den Markt bringen können, haben inzwischen damit begonnen, diese Beratungsleistung auch Organisationen anzudienen, die nicht gewinnorientiert arbeiten, etwa Behörden, Schulen, Universitäten, Theatern, Kirchen, Krankenhäusern und dem Militär. Der Ansatz bleibt derselbe, obwohl der Akzent mangels einer greifbaren oder zuweilen auch legitimierbaren Orientierung am Gewinnkriterium auf einen effizienten Einsatz von Produktionsfaktoren inklusive der Faktoren "Personal" und "Organisation" gelegt wird, ohne dass immer deutlich wäre, worin die "Effizienz" besteht, wenn sich diese nicht in Gewinnen niederschlägt.
Anna Stöber befasst sich in ihrer hier vorliegenden Studie mit einem solchen Fall einer betriebswirtschaftlich orientierten Beratung einer nichtgewinnorientierten Organisation, nämlich der Adventsgemeinde in Berlin Prenzlauer Berg, nach dem Muster des vom Beratungsunternehmen McKinsey entwickelten Beratungsprogramms "Evangelisches München-Programm". Die Studie diskutiert das Konzept und die Empfehlungen dieses Programms am Beispiel einer Strategie-, Organisations-, Personal- und "Kunden"-diagnose der Adventsgemeinde und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der betriebswirtschaftliche Blick durchaus geeignet ist, Schwächen und Stärken einer Organisation wie hier einer Kirchengemeinde aufzudecken und so zu beschreiben, dass abhelfende Maßnahmen denkbar werden.
Zugleich hält die Arbeit jedoch fest, dass das in München realisierte Beratungsprogramm im Zuge seiner Durchführung auf Durchsetzungsprobleme gestoßen ist, denen nicht diagnostisch, sondern "mit Appellen" (Stöber) begegnet wird. Aus dieser Beobachtung leitet die Arbeit die Vermutung ab, dass möglicherweise mit einer Kirchengemeinde doch eine Organisation vorliegt, die nicht in allen Dimensionen geeignet ist, durch einen Soll-/Ist-Vergleich nach betriebswirtschaftlichem Muster auf Schwächen und Stärken hin durchleuchtet zu werden. Die betriebswirtschaftliche Analyse scheint blinde Flecken aufzuweisen, die man definitionsgemäß nur beleuchten kann, wenn man die Beobachtungsperspektive wechselt.
Es liegt nahe, auf eine Form der Organisationsdiagnose zurückzugreifen, die Organisationstheorie ist, ohne mit der betriebswirtschaftlichen Perspektive identisch zu sein. Eine solche Organisationstheorie liegt seit Jahrzehnten in der alternativ zu den management sciences ausgearbeiteten Organisationstheorie von Herbert Simon, James March, Karl Weick und Niklas Luhmann vor. Man kennzeichnet diese Theorie vielleicht am einfachsten dadurch, dass man sagt, dass sie zum einen die Wirtschaft für nur eine der möglichen Referenzen organisierter Arbeit halten und zum anderen auch den Gesellschaftsbezug der Organisation so offen halten, dass sowohl die Reproduktion rationaler Formen von Organisation als auch die Reproduktion irrationaler Formen von Organisation beschrieben werden kann. Die Maß gebende Zielgröße dieser alternativen Organisationstheorie ist nicht die Effizienz, sondern die Formalisierung.
Die Studie von Frau Stöber konzentriert sich auf die Fassung dieser Organisationstheorie, die Niklas Luhmann ausgearbeitet hat, zumal hiermit gleichzeitig soziologische Überlegungen vorliegen, die mit Blick auf einen unterschiedlichen Funktionssystembezug von Organisation expliziter gehalten sind als diejenigen der amerikanischen Tradition.
Frau Stöber unterzieht die Adventsgemeinde in Berlin einer zweiten, diesmal funktionalistisch-systemtheoretischen Analyse und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Organisation der Adventsgemeinde ihre Stabilitätsbedingungen mitnichten bereits aus einem effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren bezieht, sondern zunächst unabhängig von Effizienzbedingungen aus einer vielschichtigen Gemengelage von religiösen, organisatorischen und gemeinschaftlichen Bedingungen. Zu diesen Bedingungen zählen die Überzeugungskraft von Religion in der Gesellschaft, die Möglichkeit der Refinanzierung von Organisationsausgaben und die Verfügung über Zeit als der Ressource schlechthin für jede Form von Gemeindearbeit, von der des Pfarrers bis zu jener der ehrenamtlichen Gemeindemitarbeiter und nicht zuletzt jedes einzelnen Gläubigen.
Die Studie arbeitet sehr schön heraus, dass diese Vielschichtigkeit die Lage nicht nur komplex macht, sondern zugleich auch Flexibilitätschancen enthält, weil je nach Bedarf mangelnde Ressourcen aus dem einen Bereich durch Ressourcen aus einem anderen Bereich kompensiert werden können. Man bekommt es so mit Konvertibilitäten zwischen Geld (Bezahlung), Überzeugung (Glauben) und Zeit (Präsenz in der Gemeindearbeit) zu tun, ohne dass diese Währungen umstandslos ineinander übersetzbar wären. Im Gegenteil, jede Währung hat ihre eigenen Sensibilitäten, so dass es rasch zu Motivationseinbrüchen kommen kann, wenn nicht berücksichtigt wird, dass die "Logiken" von Organisation, Religion und Gemeinschaft je unterschiedliche sind.
Frau Stöber fasst ihre Überlegungen in zwei Punkten zusammen. Der erste Punkt ist, dass die Gemeinde jene Form von Management bereits ist, die ein betriebswirtschaftlich informiertes Beratungskonzept vermisst und nur deswegen hier nicht erkennen kann, weil ein hinreichend verallgemeinerter Managementbegriff fehlt. Und der zweite Punkt ist, dass das betriebswirtschaftliche Konzept perverserweise darauf hinausläuft, der Organisation der Kirchengemeinde genau dort einen Ausbau formalisierter Organisationsstrukturen zu empfehlen, wo informelle Organisations formen zum einen wirtschaftlich günstiger (das Fixkostenargument) und zum anderen motivationsstärker sind (das Gemeindeargument).
Die Studie glänzt durch eine präzise Argumentation, durch eine klare Fallbeschreibung, durch einen ausgewogenen Vergleich zweier unterschiedlicher Ansätze und nicht zuletzt durch einen sparsam eingesetzten sprachlichen Witz, der es zu einem Vergnügen macht, die Arbeit zu lesen. Nicht zuletzt enthält die Studie nach guter betriebswirtschaftlicher Sitte präzise, aber dem Gegenstand entsprechend angemessen offene Handlungsempfehlungen, nämlich zum einen auf "Synergien" zwischen den drei Stabilisierungszusammenhängen Religion, Organisation und Gemeinschaft zu setzen und zum anderen eine "Vision" zu entwickeln, in der die Kirche (gemeint ist: formale Verfahren bürokratischer Organisation) zum Dienstleister der Kirchengemeinde (mit all ihrem Potenzial informeller Organisation) wird. Ich kann der Studie nur viel Erfolg wünschen und darüber hinaus den Wunsch zum Ausdruck bringen, dass ihrem Beispiel andere Studien zum spannungsvollen Verhältnis von Formalisierung und Motivation in Organisationen folgen werden. Es ist nicht einzusehen, dass die Organisationen unserer Gesellschaft nicht auch der Steigerung des Spaßes an der Arbeit dienen können.

Dirk Baecker, Universität Witten-Herdecke


Über die Autorin:

Anna Henkel (Stöber), Diplomökonomin, ist ausgebildete Bankkauffrau und studierte Ökonomie und Philosophie in Witten/Herdecke sowie Politikwissenschaften in Paris. Nach vielfältigen Beratungserfahrungen konzentriert sie sich zunehmend auf Organisations- und Gesellschaftstheorie. Z. Zt. promoviert sie über den Zusammenhang zwischen Organisation und Gesellschaft am Beispiel der Transformation der deutschen Apothekenbranche.



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