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Veranstaltungsbericht zur Berichtsübersicht
05.01.2009
DBVC-Kongress in Potsdam vom 17.-18.10.2008: „Welche Rolle spielt der Coach“

Ulrich Sollmann, Bochum: tour d`horizon durch die strahlenden Räume von praktischer und konzeptioneller Kompetenz

Der erste Fachkongress des Deutschen Bundesverbands für Coaching ev. (DBVC) wird sicherlich als ein Ereignis in der Erinnerung der Fachöffentlichkeit bleiben, das sich durch ein deutliches Interesse der Fachöffentlichkeit, aber auch durch eine hohe Qualität der Beiträge sowie einen differenzierten Diskurs zum Thema auszeichnet.
Am 17. und 18. Oktober 2008 trafen sich ca. 300 Coachs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Potsdam zum Kongress „Welche Rolle spielt der Coach?“. Vierzig ausgewiesene und bekannte Experten der Branche beleuchteten in Vorträgen, Diskussionen, Life-Demonstrationen und Workshops das Thema Coaching. Die Veranstaltung war als ein qualitätsorientierter Arbeits- und Informationskongress konzipiert. Das Ziel des Kongresses, einen interdisziplinären Wissens-, Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen Coach, Weiterbildungsanbietern, Wissenschaftlern, Unternehmensvertretern und Kunden zu gewährleisten, war insoweit auf hohem Niveau erfüllt als praktische und konzeptionelle Einblicke in die Thematik aus ganz unterschiedlicher Perspektive möglich waren.
Der DBVC ist im Bereich Businesscoaching und Leadership fokussiert. Der Potsdamer Kongress wandte sich aber auch gerade an psychotherapeutische FachkollegInnen insoweit, als die psychotherapeutischen Wurzeln im Bereich Coaching nun gerade nicht zu übersehen bis hin zu leugnen sind. Viele Coachs haben einen ausgewiesenen psychotherapeutischen Hintergrund. Viele Coachingansätze, als Arbeit mit dem Menschen, nutzen psychotherapeutische Methoden und Konzepte. Da dem so ist, werden zukünftige Kongresse gewiss auch für psychotherapeutische KollegInnen von wachsendem Interesse sein, eröffnen sich doch gerade im Bereich Coaching auch neue berufliche Perspektiven und Praxisfelder.
Der Kongress erlaubte eine tour d`horizon durch die strahlenden Räume von praktischer und konzeptioneller Kompetenz. Er ermöglichte die hautnahe Begegnung mit bekannten Coaching-Pionieren. Der Kongress mutierte aber gelegentlich auch zu einer simplen Verkaufsveranstaltung.
Ich möchte mich bei der inhaltlichen Darstellung der Kongressschwerpunkte auf 7 Beiträge beziehen. Sie stellen gewiss nur eine kleine Auswahl aus dem Angebot von mehr als 30 Beiträgen dar, spiegeln aber meines Erachtens zentrale Dimensionen des gegenwärtigen Diskurses:
  • Konzeptionelle und praktische Grundorientierung durch Coaching-Pioniere
  • Lebhafte Begegnung von Wissenschaft, Praxis und Markt
  • Ausdifferenzierung von Praxiskonzepten
  • (Selbst-) kritische Erörterung spezifischer Zielrichtungen.
Roswitha Königswieser zeigte am Beispiel des Coachings mit einem Vorstandsteam, wie gerade diese Arbeit zum Erfolgsfaktor für Veränderungsprozesse im Unternehmen werden kann. So war sie mit der Frage befasst: wie man es, und wann man es schafft den Paradigmenwechsel im Kontext “einzuläuten“, so dass der Kunde die professionelle Vertrauensbeziehung nutzen kann, eine neue Sicht auf die oftmals vorhandenen Widersprüche, sowie einen neuen Umgang damit zu gewinnen und dies in den eigenen Führungsalltag zu integrieren. Königswieser schilderte die unterschiedlichen Phasen von Rückmeldung, gemeinsamer Einschätzung der Situation, der Selbstpositionierung im Konzern, die des Ansprechens von Widersprüchen und Ableitung von Konsequenzen. Ein sensibler „Eiertanz“, wie sie sagte, besteht gerade darin, auch die „negative Grammatik“ anzusprechen. Hierbei ist eine „professionelle Nähe“ zum Kunden von Nöten, ohne dass es zu einer Identifizierung kommen darf. Die Arbeit steht und fällt mit einer Steuergruppe, die sich aus Vertretern der „Mächtigen“, der Betroffenen und der Know-how-Träger zusammensetzt.
Dehner widmete sich einer der zentralen Fragen, die mit der Rolle des Coachs verknüpft ist. Diese Frage ist vielfach auch die Gretchenfrage in der Psychotherapie „Wie aktiv darf oder sollte der Coach sein?“. Während oft die Frage in der Fachöffentlichkeit wie eine Gesinnungsfrage gehandelt wird, versuchte Dehner Antworten aus der unmittelbaren Praxis sowie der Beziehung Coach-Coachee abzuleiten. Gerade diese Perspektive führt zu einer Erleichterung im Umgang mit dieser gewiss ja Weg weisenden aber auch prekären Frage von Psychotherapie und/oder Coaching.
Die Paneldiskussion „CoachingKontrovers“ stand unter dem Motto „Coaching im Spannungsfeld zwischen Professionalisierung und kreativer Vielfalt“. Geladen waren Vertreter aus Wissenschaft, Praxis, Medien und Markt. Diskutiert wurde unter drei Themenaspekten: Bilanz / Spannungsfelder von Coaching, gesellschaftlicher Wert von Coaching und Pro / Contra sowie Professionalisierung von Coaching. Spannend wurde die Diskussion durch situative TED-Umfragen im Plenum zu gewissen Fragestellungen. Hier einige besondere Momente:
  • Eigener Anspruch von Coaching vs Image am Markt (Gefahr der Selbstbespiegelung)
  • Coaching als Mittel der Veränderung/Entwicklung/Stabilisierung auf neuem Niveau  vs „Emotionsbordell“ (Looss)/ Erfüllungsgehilfe von HR
  • Auswahl des Coachs als Suche nach jemandem für die eigene Erfolgsvermutung
  • Persönliche Integrität vs Unternehmensintegrität
  • Werteverlust in der Gesellschaft vs. Coaching als Sinnressource
  • Wer sucht beim Thema Professionalisierung Orientierung: Berufsverband oder Kunde?
  • Wie können die Risiken der Selbst-Inszenierung beschränkt werden? (um gerade auch die eigene Reputation am Markt zu erhöhen?)
  • Kriterien von Qualität / Professionalisierung vs. Was will der Markt/Kunde einkaufen?
  • Stark emotional diskutiert: wer bestimmt über Coaching? Lassen wir uns spalten?
  • Wer hat die Funktion des „Gate Keepers“? ( Markt, HR, Berufsverband)
  • Bundesweit gibt es ca. 35000 Coachs (hierunter sind viele Astro-Coachs, Ernährungs- Coachs u.a., davon nur ca. 5000 Businesscoachs. Wer bestimmt dann Rolle, Professionalisierung, aber auch Image usw von Coaching? (Berufsverband, individueller Coach vor Ort, Markt, Medien, Image)
Hier einige interessante TED-Ergebnisse:
  • Definition von Coaching durch Coach ( 58% ), Unternehmen (25,5 % ) und Klient (9,5%)
  • Die Zukunft von Coaching wird bestimmt durch: Staat (4,7%), Universität/Weiterbildung ( 27,6%), Unternehmen/Markt (22%), bleibt unreguliert (20,1%)
  • In Zukunft ist Coaching: alltäglich (53,4%), heißt anders (27,7%), ausgestorben(4,2%)
Zwar wurden wichtige Standpunkte, Erkenntnisse und Erklärungen vorgestellt. Die Überzeugungskraft dieser Botschaften litt jedoch unter der Größe des Panels. Neun Diskutanten sind schlichtweg zu viel. Weniger wäre gewiß mehr gewesen!
Schreyögg betrachtete das Thema Führung buttom-up als „Coaching zur Führung des Chefs“. Die heutige Organisation in Unternehmen stellt Führungskräfte und Mitarbeiter vor neue Herausforderungen: Verschlankung, Entbürokratisierung, Matrixorganisation, Projektorganisation usw. Während „Vorgesetzte“ ihre Legitimation, Belohnung/Bestrafung, Expertenmacht und persönliche Wirkung ihrer Rolle nutzen können, beeinflussen Mitarbeiter ihre Führungskräfte erfolgreich durch:
  • Rationale, sachliche Argumentation
  • Freundliches Verhalten
  • Bestimmtheit/Nachhaken
  • Verhandeln
  • Koalitionen bilden
  • Höheres Management einschalten
  • Sanktionen
Es gibt, so Schreyögg, genügend empirische Ergebnisse, die die Wirksamkeit der Beeinflussung von unten belegen.
Arist von Schlippe illustrierte an einem konkreten Beispiel, wie man mit Paradoxien in der Praxis umgehen kann. Als Familientherapeut und Coach hatte er einen integrierten Zugang zum Konfliktcoaching in einem Familienunternehmen. Während es einerseits um die weitere Entwicklung des Unternehmens ging, berührte die diesbezügliche Überlegung eine (unbewusste) Verletzungsgeschichte in der Familie. Eine Geschichte die basierend auf dem Testament des Vaters/Firmengründers mit der Gefahr einer Vinkulierung verbunden war. Von Schlippe beleuchtete im Einzelnen die Verwobenheit der drei Logiken: die der Familie, die des Unternehmens und die von Eigentum. Die jeweilige Schnittmenge zwischen Familie und Unternehmen oder Familie und Eigentum oder Unternehmen und Eigentum, stellen zentrale Konflikträume dar. Gerade in diesen Konflikträumen ist es die Aufgabe des Coach mit den Auftraggebern so zu arbeiten, dass sie sich als Person, als Mitglied der Familie aber auch als Rollenträger und Verantwortlicher des Unternehmens verstehen lernen und neu aufeinander beziehen lernen. Ziel eines entsprechenden Konfliktcoachings ist das Zusammenspiel von persönlichen Interessen/Bedürfnissen, der (Selbst-) Positionierung und der Entwicklung einer unternehmerischen erfolgreiche Strategie.
Greif beschrieb in seinem Impulsreferat, dass man einerseits die Forschungsergebnisses zum Coachingerfolg kennen und praktisch nutzen sollte. Konstatierte aber ebenfalls, dass es nur ganz wenige überzeugende, wissenschaftliche Studien zu diesem Themenbereich im deutschsprachigen Raum gibt. Aufbauend auf der Skizze von evidenzbasierter Forschung stellte er wichtige Forschungsarbeiten und aus den Ergebnissen abgeleitete Zukunftsaufgaben vor. Er unterschied im Weiteren von der evidenzbasierten Forschung, die eminenzbasierte Entscheidung. Letztere ist eher Ausdruck der eigenen Haltung als Coach (jeder ist von sich und seinem Zugang überzeugt, Kritik gegenüber ist man nur geringfügig aufgeschlossen). Greif plädiert für eine routinemäßige Evaluation von Coachingprozessen, die kontinuierliche Diskussion im professionellen Feld und die Integration der Evaluationsergebnisse in Aus- und Weitebildung. Zwar gebe es hinreichend Tools, um Problemzusammenhänge zu erkennen. Es gebe aber, so Greif, zu wenig pragmatische Tools, für Veränderung und Entwicklung.
Wolfgang Looss, der zu den bekanntesten Pionieren im Bereich Coaching zählt, stellte die vielfach nicht beachtete aber schon längst überfällige Frage nach den „teachable moments“ im Leben eines Managers. Hierunter sind Situationen, Momente und Beziehungen gemeint, die Lernen in schwierigen Situationen überhaupt erst möglich machen. In Anlehnung an Dirk Baecker, weist Looss dem Coach eine wichtige Expertenfunktion zu: „ein Coach ist ein Experte des nicht-Wissens“. Coaching von Managern stellt somit u.a.die Aufgabe dar, zusammen mit dem Manager den Raum des Nicht-Wissens zu durchleuchten, zu durchschreiten und zu integrieren: Unbewußte Inkompetenz – bewußte Inkompetenz – bewußte Kompetenz – unbewußte Kompetenz.
Looss bezieht sich dabei auf das oben genannte bekannte Modell aus der Pädagogik.
Nach Looss gibt es drei von der Organisation „erlaubte“ Anlässe für Lernsituationen: Transition (Rollenwechsel, Beförderung usw), „Scheitern“ und Konfrontation mit großen Entscheidungen.
Bezugnehmend auf die aktuelle Finanzkrise beleuchtet Looss weitere zentrale emotionale Anlässe für das Coaching von Managern wie :
  • Zweifel, Ambivalenz
  • Hilflosigkeit, Ohnmacht
  • Intellektuelle Demut (z.B. bei Überforderung)
Es gibt ein organisationales Rollen-Tabu, sich mit diesen eher emotionalen Qualitäten der Manager-Rolle zu befassen. Die Beschäftigung mit diesen Aspekten macht Angst, rüttelt sie doch an der vielfach subtil vorhandenen Grandiosität von so manchem Manager.
Analog zum Staunen der Kinder, was oft Ausgangspunkt oder Kern von Lernen ausmacht, weist Looss dem Coach die Aufgabe zu, Situationen zu schaffen, die zu einem „teachable moment“ werden.
Jetzt in der weltweiten Finanzkrise heißt es nicht mehr Manager durch Coaching fit zu machen, stattdessen müßte die Haltung von Nicht-Wissen in den Unternehmen „legalisiert“ werden.
„Das fängt bei Ihnen an, liebe KollegInnen.“, so Looss zum Schluss seines Beitrags, „aber das ist ja für Sie selbstverständlich“.
Hier irrt Looss aber meines Erachtens ein wenig. Als Coach und ausgebildeter Psychotherapeut weiß er um die Notwendigkeit einer gründlichen Selbst-Analyse ( Lehranalyse o.ä.) und den hiermit verbundenen Erfolgsvorteil hinsichtlich des Umgangs mit diesen diffizilen emotionalen Spannungsfeldern. Betrachtet man aber die Weiterbildungsgänge im Bereich Coaching, so findet man hierzu leider oft zu wenig Konzeption und praktische Umsetzung. Als angehender Coach bleibt man dann eher auf sich selbst und die eigene diesbezügliche Initiative zurück geworfen.
Für PsychotherapeutInnen liegt hier eine große Chance, wenn sie sich denn mit den Logiken von Management, Unternehmen und Führung hinreichend vertraut machen.



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