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Rudolf Welter: Unterwegs, Teil 4
Auf Busfahrt geschrumpft

Da liegt sie vor uns, die kleine Stadt Deqen im Norden der Provinz Yünan, etwa hundert Kilometer von der tibetischen Grenze entfernt. Die Stadt liegt in einer steil abfallenden Bergbucht, eingerahmt auf beiden Seiten von Berggraten. Weit unten im engen Tal fließt der junge Mekong, lautlos, gelb gefärbt. Erst nach etwa dreitausend Kilometern, nach engen Schluchten und weiten Ebenen, wird er seinen Inhalt (Wasser, Holz, öffentliche und private Abfälle und Ausscheidungen) ins Meer entleeren. Ein geologisches Naturphänomen: Die drei Riesenflüsse Yangtze (5800 km lang), Mekong (4500 km) und Salven (2150 km) teilen sich das Quellgebiet im Tibet, fließen dann etwa fünfhundert Kilometer lang parallel zueinander, nur etwa dreißig Kilometer voneinander entfernt, jeder in seinem tief eingefurchten Tal. Später ändern sie ihre Richtungen, ohne einander mitzuteilen, wo sie sich in Meere verwandeln werden: Der Yangtze wird in der Nähe von Schanghai (nicht zu verwechseln mit Schangnau im Emmental) zum ostchinesischen, der Mekong zum südchinesischen Meer und der Salwen zur Andamansee. Diese Mündungsgebiete liegen viele Tausend Kilometer voneinander entfernt. 
Zurück zu Deqen (sprich Dötschen). Man erreicht das Städtchen über eine schmale Strasse, die sich über viereinhalbtausend Meter hohe Pässe windet und um hunderte von Bergkanten herum kurvt, den Blick immer wieder auf neue Landschaftsabschnitte freigebend. Der Strasse entlang kann man gelegentlich Steine mit Kilometerangaben sehen, zum Beispiel: Lasa 2910 Km. In Deqen dann, nach siebenstündiger Fahrt: Lasa 2720 km. Gelegentlich muss die Belegschaft des kleinen Busses, zu der ich gehöre, aussteigen, damit er niedergegangene, kleine Gerölllawinen überfahren kann (der Busbauch würde bei Beladung auf dem Geröll aufsitzen).
Der Norden von Yünan sei, so sagt uns die Reiseleiterin, obwohl von Tibetern besiedelt, von chinesischen Überfällen verschont geblieben. Die Häuser, bauhausartig, kubisch aus Lehm gebaut, mit flachen Dächern gedeckt, sehen denn auch unversehrt aus. Geschnittene Frucht trocknet entlang den Rändern der Flachdächer.
Während Reisepausen, die dazu genutzt werden, wieder einmal festen Boden unter den Füßen zu haben (beim Fahren spürt man immer ein starkes Auf- und Abfedern), kann man die Gerüche der langsam versengenden Räucherstäbchen aufnehmen, die an den mit den farbigen Fahnen geschmückten Andachtsorte aufgesteckt sind. Die Pausen dienen auch dem Abkühlen der heißen Bremsscheiben. Unser Fahrer ist nämlich nicht gewohnt, den Motor in niedrigen Gängen zum Bremsen einzusetzen.
Im oberen Teil des Städtchens, der sich in ein kleines Tal hinaufzieht, stehen noch alte Häuser aus Holz, gedeckt mit Wellen bildenden, wie im Süden von Europa christlich benannten Mönch- und Nonnenziegeln. Das emsige Leben spielt sich im unteren Teil des Städtchens ab. Wenn es dunkel wird, fällt auf, dass es hier keine über den Strassen angebrachten Leuchten gibt. Die Strassen werden allein durch das aus den angrenzenden Läden ausströmende Licht beleuchtet: Vielartige und vielfarbige Lichtquellen tauchen die Straßenzüge in einen weichen, dünnen, fast gespenstischen Lichtnebel. Dieser mischt sich mit zarten, würzigen Duftwolken, die von den offenen Restaurants oder den direkt auf den Gehsteigen aufgestellten Kleinküchen herkommen. Manchmal verändern sich diese Gerüche schlagartig, etwa dann, wenn sich Schweine oder laute, stinkende Mofas durch die Strassen bewegen. Die Läden sind meistens kleine und kleinste Produktionsstätten, die manchenorts auf die Gehsteige überschwappen: Hier entstehen Fensterrahmen aus Aluminium, der Größe nach zu schließen, dürften sie in beachtliche Fassaden eingebaut werden; dort werden Fahrräder repariert, mit einfachstem Werkzeug, oder Nudeln nebenan von kleinen Maschinen extrudiert: oben kommt der Teig hinein, unten kommen die Nudeln heraus; es werden Eimer aus verzinkten Blechen mit hölzernen Fäusteln zu größeren und kleineren Tonnen geformt, raffinierte Geräte falzen dabei die Blechkanten zu dichten Nähten; Kleider werden auf von Fuß getretenen Nähmaschinen genäht. Immer wird das emsige Werken von Gruppen älterer Menschen und Kindern bis in die Nächte hinein eingerahmt. 
Im Reiseführer kann man lesen, dass in Deqen ein Flughafen geplant ist. Allerdings wird man aus der Ankündigung nicht klug, wo in dieser zerklüfteten Gegend, ohne zusammenhängende Ebenen, ein Flughafen entstehen könnte. Oder muss sich der Leser unter 'Flughafen' etwas anderes als das gewohnte Bild vorstellen? Sollte es ein Hafen werden, in oder auf dem Hubschrauber landen können? Oder werden es Fluggeräte sein, die nach dem Bau des angekündigten Flughafens noch erfunden werden müssten? Jedenfalls wäre eine der Teilnehmerinnen der Reisegruppe froh darüber gewesen, wenn sie die Rückreise in den südlicheren Teil von Yünan mit einem Hubschrauber hätte antreten können. Die Lage der Stadt auf etwa dreitausend Metern Höhe und das mit Keimen verunreinigte Wasser hatte ihrer Gesundheit zugesetzt. Die ganze Reisegruppe kehrte dann auf der Heimreise wieder arg durchgerüttelt aber glücklich in einem Hotel ein, wenn auch alle vorübergehend um einige Millimeter geschrumpft waren (weiche Bandscheibenpolster!).




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