Monday, April 7. 2014
 In der Online-Zeitschrift „Psychotherapie-Wissenschaft“ ist in Heft 2 des dritten Jahrgangs (2013) ein Beitrag von Volkmar Aderhold (Foto: psychiatrie.de) über das finnische Behandlungsmodell des "offenen Dialogs" bei psychotischen Ersterkrankungen zu lesen. Im abstract heißt es: „Das finnische Modell der bedürfnisangepassten Behandlung entstand für die Behandlung psychotischer Ersterkrankungen. Kennzeichnend sind die sofortige und flexible Hilfe, die Einbeziehung der Familien und weiterer Bezugspersonen von Beginn an und möglichst zuhause bei den Patienten durch ein multiprofessionelles therapeutisches Team und eine möglichst niedrig dosierte selektive Psychopharmakotherapie. Ungefähr die Hälfte der Patienten nimmt zusätzlich längerfristige Einzeltherapie in Anspruch. Unter der Leitung von J. Seikkula wurde innerhalb dieses Behandlungsmodells die systemische Methodik des Offenen Dialoges entwickelt. Sie ist ausgerichtet auf die sozialen Netzwerke der Patienten und fördert in diesem möglichst sicheren Rahmen einen gemeinsamen offenen dialogischen Prozess aller Beteiligten. Die Evaluation durch vergleichende Kohortenstudien zeigte signifikant bessere symptomatische und funktionelle Ergebnisse im Vergleich zur Standardbehandlung, insbesondere eine geringe Hospitalisierungsrate und hohe Integration in bezahlte Arbeit oder Ausbildung.“ Zum vollständigen Text…
Tuesday, April 1. 2014
 „Die Stadt Graz hat mit 2010 ein Projekt umgesetzt, das einen massiven Umbau der Diskussions- und Entscheidungsprozesse sowohl im Jugendamt als auch in der Trägerlandschaft der Jugendhilfe beinhaltet“. So beginnt eine Untersuchung von Hubert Höllmüller, Professor für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendalter an der FH Kärnten (Foto: fh-kaernten.at) , die dieser anhand von Qualitativen Interviews mit Mitarbeitern der Jugendhilfe in Graz vorgenommen hat und die unter dem Titel: „Modell Graz - organisationstheoretische und entscheidungstheoretische Aspekte einer top-down-Reform des Jugendamtes Graz“ im Internet zu lesen ist, worauf Marie-Luise Conen unlängst in einem Rundschreiben hingewiesen hat. „Die Forschungsfrage dazu lautet: 'Ging und geht es in erster Linie um ein Einsparungsmodell und damit um die Entwicklung neuer Steuerungsstrukturen oder in erster Linie um eine fachliche Weiterentwicklung?' Qualitative Interviews, die zu einem hohen Grad anonymisiert werden mussten, teilnehmende Beobachtung und Dokumentenanalyse zeigen folgende Resultate: Es handelt sich in erster Linie um ein Einsparungsmodell, wo top down Steuerungsstrukturen mit teilweise autoritärer Kultur eingesetzt wurden und werden, die von groupthink-Phänomenen und Entscheidungskorridoren begleitet sind. Diese begründen eine hohe Wahrscheinlichkeit von fachlichen Fehlentscheidungen.“ Keine schmeichelhafte Diagnose für das Grazer Jugendamt, aber leider sehr nahe an der Realität öffentlicher Jugendhilfe nicht nur in Österreich. Die Studie ist daher zu Lektüre zu empfehlen, zu finden ist sie hier…
Monday, March 31. 2014

2012 ist das "Lexikon des systemischen Arbeitens" im Carl-Auer-Verlag erschienen, herausgegeben von Jan V. Wirth und Heiko Kleve. Da ein Lexikon nie vollständig ist und das Internet mittlerweile bequeme Möglichkeiten der Erweiterung bietet, hat der Verlag nun in seiner "Machbar" kostenlose Zusatzartikel von Dirk Baecker, Jürgen Kriz, Ulrich Pfeifer-Schaupp und Jürgen Beushausen als PDF online gestellt. Dirk Baecker beschäftigt sich mit dem Begriff der Führung, Jürgen Kriz mit Akzeptanz, Ulrich Pfeifer-Schaupp mit Achtsamkeit und Jürgen Beushausen erklärt den Begriff der Gesundheit.
Monday, March 24. 2014
I  n der Zeitschrift "Schriften zur Symbolforschung" ist in Band 13 ("Sinnbildlich schief: Missgeschicke bei Symbolgenese und Symbolgebrauch") 2003 ein interessanter Aufsatz von Karin Moser (Foto: www.roehampton.ac.uk) erschienen, der sich mit den kognitionspsychologischen Grundlagen des (Miss-)Verstehens beschäftigt. Karin Moser ist Sozial- und Organisationspsychologin und lehrt gegenwärtig an der University of Roehampton in London. Sie wurde durch mehrere metapherntheoretische Arbeiten bekannt. Auch dieser Beitrag bezieht sich auf die Funktion von Metaphern in der organisationsbezogenen Kommunikation. Im abstract heißt es: „Was braucht es, dass das subjektive Gefühl entsteht, jemanden oder einen Sachverhalt verstanden zu haben? Was muss gegeben sein, dass etwas hinreichend gut verstanden wird, um als Handlungsgrundlage für das Entscheiden, Planen und Lösen von Problemen dienen zu können? Und was ist damit umgekehrt die Grundlage für potentielle Missverständnisse und Fehlhandlungen? Im folgenden Beitrag werden zunächst zwei in der Kognitionspsychologie verbreitete theoretische Positionen dargestellt – Verstehen über Propositionen und Verstehen über mentale Modelle –, wobei vertiefend auf die Relevanz mentaler Modelle für das Verstehen von sprachlichen Äusserungen eingegangen wird. Ein für die Prozesse des Verstehens wichtiger Spezialfall mentaler Modelle sind Metaphern, die im Gegensatz zu anderen sprachlichen Formen der Wissensrepräsentation auch eng mit bildhaftem Denken verbunden sind. Anhand von Untersuchungen im betrieblichen Umfeld wird erläutert, welche Funktionen Metaphern für Prozesse des Verstehens und Missverstehens im Rahmen von Wissenskooperation und Wissensaustausch in Unternehmen und Organisationen haben können.” Zum vollständigen Text geht es hier…
Sunday, March 23. 2014
 Seit Mitte der 1970er Jahre haben Edward Deci und Richard Ryan zum Thema Motivation, genauer zur Entwicklung motivationaler Haltungen im Kontext individueller und sozialer Wechselwirkungen geforscht, gelehrt und publiziert. Die beiden arbeiten an der renommierten University of Rochester (Foto: www.rochester.edu) und mittlerweile ist das Feld weit geworden, in dem sich ihre Konzepte und Forschungsergebnisse als fruchtbare Anregungen erweisen (siehe Rezension in systemagazin). Kernstück ist nach wie vor die Annahme der angeborenen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Bezogenheit und Kompetenz, sowie die Annahme, dass sie nur in ihrer Gesamtheit betrachtet werden sollten. Nur im Blick auf ihre stets aufeinander bezogenen Wechselwirkung lassen sich gemäß Ryan und Deci brauchbare Aussagen über sinnstiftende Lebensweltkonzepte und ihre motivierenden (im Wortsinn: bewegenden) Eigenschaften treffen. Aus dieser Perspektive haben Deci und Ryan eine umfassendere „Makrotheorie menschlicher Motivation, Entwicklung und Gesundheit“ erarbeitet (informative Skizze in: Canadian Psychology 49(3): 182-185, 2008; im Volltext hier). Das als eine Art Markenzeichen verwendete „self-determination theory“ verstehe ich dabei eher als ein Kürzel. Die Selbstbestimmung macht „an sich“, gerade auch wegen der von den Autoren immer wieder betonten sozialen Verknüpfung eher wenig Sinn. Im Prinzip steht das Kürzel für eine Perspektive, in der persönlich-individuelle und soziale, inklusive gesellschaftliche Grundlagen gestärkt werden sollen, die ein öffnendes, wertschätzendes und kreatives Miteinander erlauben und fördern. Die daraus gestärkt erwachsende Erfahrung der Selbstwirksamkeit ist dann keine Eigenschaft gegen andere (Wettbewerbs- und Konkurrenz-Push), sondern für und mit anderen (Kooperations-Bias). Einen Überblick über das mittlerweile bestellte Feld ermöglicht die website von selfdetermination.org. In deutscher Sprache liegt ein (leider bei der Digitalisierung an manchen Stellen etwas verhunzter) Text vor, in dem Deci und Ryan „Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik“ diskutieren (in: Zeitschrift für Pädagogik 39(2): 224-238, 1993). Das Konzept selbst, sowie empirische Befunde aus Labor- und Felduntersuchungen werden vorgestellt, sowie sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die pädagogische Praxis dikutiert. Die Autoren bezeichnen ihre Theorie als eine dialektische, „weil eine permanente interaktive Beziehung zwischen diesem organismischen lntegrationsprozeß und den Einflüssen der sozialen Umwelt unterstellt wird“. Als Querverbindung zu pädagogischen Konsequenzen lässt sich u.a. die folgende Aussage lesen: „Im Bemühen, sich mit anderen Personen verbunden zu fühlen und gleichzeitig die eigenen Handlungen autonom zu bestimmen, übernimmt und integriert die Person also Ziele und Verhaltensnormen in das eigene Selbstkonzept. Voraussetzung dafür sind Angebote und Anforderungen in einem akzeptierten sozialen Milieu, das die entsprechenden Verhaltenstendenzen verstärkt“ (S.4). Der Aufsatz ist im Volltext verfügbar und zwar hier...
Thursday, March 20. 2014
Vielleicht funktioniert das ja einfach so, dass sich Bewegungen immer wieder aus dem Auge verlieren, dann wieder aus ihrer Umlaufbahn auftauchen, anderen Bewegungen begegnen, ihnen vielleicht etwas entgegnen. Wer weiß. Manches wird vermisst, anderes nicht, und wieder anderes trägt länger als bemerkt. Es scheint, als ob existenzielle Perspektiven zur letzteren Kategorie gehören. Lange außer Mode, doch irgendwie scheint eine aus dem Ruder laufende Welt doch (wieder) nach existenzieller Orientierung zu fragen. Die Zeichen mehren sich. Eins dieser Zeichen ist die unter dem Dach der in San Francisco angesiedelten Saybrook University zu findende website „The New Existentialists“. Eine lebendige Vielfalt von Beiträgen zu Politik, Kunst, Kultur und Psychotherapie lässt sich dort finden. Wege zu einer existenziell ansprechbaren und ansprechenden Psychologie und Alternativen zur Medikalisierung von psychischen Problemen werden ebenso diskutiert, wie Kreativität oder der Umgang mit Tod und Sterblichkeit. Es gibt freien Zugang zu einer Vielzahl von Texten (z.B. Kirk Schneider: The Case for Existential Psychotherapy) und Videos (z.B. Interviews mit David Elkins über Empathie). Ein spezieller Service besteht in einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem DSM-V. Hierzu gibt es sowohl blogs wie auch stets aktualisierte links zum weltweiten Presse-Echo. Die das Ganze unerschütterlich rahmende Titelzeile: „It matters that people have a way to use the latest findings in psychology beyond buying a pill for depression. It matters that people have a way of looking at their lives that lets them ask the big questions and determine how they want to live – and that this is supported by therapists and mental health professionals”. Das wäre doch mal eine Perspektive.
Saturday, March 15. 2014
  Bruce Wampolds Buch „The Great Psychotherapy Debate“ ist seit seinem Erscheinen im Jahr 2001 eine feste Größe. Es gehört mittlerweile zu den meistzitierten und -diskutierten Beiträgen in der Debatte um Nutzen und Kosten von Psychotherapie. Möchte ich lieber sagen: Debatte um die Redlichkeit psychotherapeutischer Bemühungen, in dieser Welt Alternativen zum umgreifenden Wahnsinn zu liefern? Wenn das denn eine Debatte wäre. Anderes Thema, oder vielleicht auch nicht. Bruce Wampold jedenfalls, Professor für Counseling Psychology an der University of Wisconsin in Madison (Foto: counselingpsych.education.wisc.edu), hat ein Buch besprochen, in dem es um Existenziell-Integratve Therapie (EI) geht. Es handelt sich um: Kirk J. Schneider (Hg.) (2008): Existential-Integrative Psychotherapy: Guideposts to the Core of Practice. New York (Routledge). Allein schon der Umstand, dass ein so ausgewiesener wissenschaftlicher Fuchs wie Wampold sich eines Buches über ein therapeutisches Angebot annimmt, das wenig Chancen hat, im aktuellen Mainstream von Anerkennungs- und Goldstandards-Diskussionen Boden unter die Füße zu bekommen, scheint mir bemerkenswert. Wampold gehört zu denen, die mit einem Satz mehr inhaltliche Substanz verständlich machen können als andere mit langer Rede. Und so sind denn auch die in seiner Rezension nur flüchtig skizzierten Bemerkungen zum „doppelten Erbe“, auf das sich Psychotherapie stützt (nämlich humanistische und wissenschaftliche Traditionen) so gehaltvoll und verständlich, dass es anrührt, ebenso seine ebenfalls kurz skizzierte Historie der Versuche zur Integration in der Psychotherapie. Der (nach technischem und theoretischem) dritte Versuch der Integration, nämlich der „ common factors“-Ansatz kommt in Schneiders Reader noch nicht einmal vor. Und hier zeigt sich Wampolds Klasse unmittelbar. Er schließt die Lücke selbst, wenn er schreibt, vielleicht seien es die KlientInnen, die Psychotherapie existenziell werden lassen. „That is, clients come to therapy for an explanation for their disorder, which in a manner of speaking is a desire to give meaning to their experience, to understand, and to move ahead with life“ (S.4). Nach einer Reihe von Hinweisen auf Querverbindungen zwischen existenzieller Psychotherapie und dem im “common factors”-Ansatz mittlerweile grundlegenden Fokus auf individuelle Passung des therapeutischen Angebots fürchtet sich Wampold nicht vor der Frage, ob existenziell-integrative Therapie denn überhaupt wissenschaftlich sei. Nach den mittlerweile das Feld beherrschenden Goldstandard-Kriterien wohl nicht. Dem hält Wampold entgegen, die Prinzipien des Wandels seien in diesem Ansatz so wissenschaftlich wie in allen anderen psychologischen Behandlungen auch. Und schließlich die Frage: Wer soll das bezahlen? Natürlich kein Fall für managed-care-Konstellationen, zu lang, zu persönlich, zu offen. Dazu Wampold am Schluss: „The issue is complex, but it is an unfortunate situation that immense sums are spent on end-of-life medical treatments and a fraction of that cannot be spent on quality-of-life therapy“. Wampolds Rezension ist im Volltext zugänglich, und zwar hier …
Tuesday, March 11. 2014
Im Oktober 2000 hat eine Arbeitsgruppe des Lehrstuhls für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität im Rahmen einer Projektskizze kurz und bündig einen informativen Überblick über Konzept und Methodik des Story-Telling geliefert [G. Reinmann-Rothmeier, C. Erlach & A. Neubauer (2000): Erfahrungsgeschichten durch Story Telling - eine multifunktionale Wissensmanagement-Methode (= Forschungsbericht Nr. 127)]. Es scheine, so die AutorInnen, "als seien die meisten Organisationen blind für die "Lehren der Vergangenheit" - vor allem für Fehler und Fehlentscheidungen. Insbesondere in wirtschaftlichen Organisationen wollen Führungskräfte wie Mitarbeiter oft nicht wissen, was passiert ist, sondern sie wollen wissen, was sie als Nächstes tun sollen; hier passt das Bild vom Manager als "Macher". Die Forderung nach Reflexion oder gar der Hinweis auf eine historisch gefärbte Herangehensweise an zentrale Vorkommnisse gelten entsprechend als suspekt" (S. 8 ). Im Rahmen einer interdisziplinären Hochschul-Industrie-Kooperation mit dem Studienabschluss "Knowledge Master" ging es im vorliegenden Fall um Möglichkeiten und Formen des Story-Telling, zum einen im Hinblick auf nützliche Effekte für betroffene Unternehmen, zum anderen für eine Stärkung kontextsensitiven Wissensmanagements. Als "Kernidee hinter dem Story Telling" steht der Gedanke, dass "die gemeinsame Reflexion über gemachte Erfahrungen" eine unbedingte Voraussetzung dafür sei, dass "eine Organisation Lehren aus der Vergangenheit ziehen und für erfolgreiches Handeln auch nutzen kann" (S. 9). Die AutorInnen stellen eingangs fest, dass zwar nach wie vor "Technische Plattformen und Werkzeuge (....) eine tragende Rolle beim Wissensmanagement [spielen], insbesondere in größeren Organisationen; aber selbst dort ist der ungetrübte Optimismus im Rückzug, insbesondere was den erwarteten universellen Nutzen technologischer Wissensmanagement-Lösungen angeht. Motivations-, Akzeptanz- und Nutzungsprobleme sowie schleppende oder gar fehlende tatsächliche Veränderungen in Organisationen infolge des Technikeinsatzes erhöhen derzeit die Bereitschaft, sich auch nichttechnischen Wissensmanagement-Methoden zu öffnen. Das Story Telling ist eine solche nicht-technische Wissensmanagement-Methode - eine Methode, der es mehr um nachhaltige Veränderungsprozesse und weniger um prestigeträchtige 'Schnellschüsse' geht, die nicht eine bestimmte Wirkung, sondern Effekte in mehrere Richtungen erzielt und von daher auch als 'multifunktional' bezeichnet werden kann" (S. 2). In ihrem Beitrag skizzieren die AutorInnen sechs Stufen des Story Telling (Planen, Interviewen, Extrahieren, Schreiben, Validieren und Verbreiten). Das praktische Vorgehen wird im einzelnen geschildert. Das Ganze hat generativen Charakter: "Das Erfahrungsdokument selbst kann im Laufe der Zeit auch revidiert werden - es ist damit ein "lebendiges Dokument" und weniger ein Ergebnis als vielmehr ein Prozess" (S. 11). Als Kennzeichen dieses Prozesses erweist sich die konstruktive Dynamik zwischen "Sensibilität und offenem Zugang", "Validität und schonungslose Analyse", sowie "Gefühle und gemeinsam Erzähltes" (S. 14). Im Hinblick auf Wissensmanagement wird Storytelling als geeignetes Mittel beschrieben, die Faktoren des "Wissens" (-kommunikation, -generierung, -transparenz und Handlungsfähigkeit) zu stärken und in ihrer Wechselwirkung zu optimieren. Den Beitrag gibt es im Volltext hier …
Saturday, March 8. 2014
Wer wissen möchte, was er oder sie in Heidelberg bei der 1. European Conference on Systemic Research verpasst hat, dem sei hier das 56-seitige "Abstract Compendium" empfohlen, in dem alle Vorträge, Workshops, Forenbeiträge und Poster ausführlich dokumentiert werden. Das Werk kann hier heruntergeladen werden…
Friday, March 7. 2014
Spätestens seit seinem fulminanten Reader „ Psychotherapy Relationships That Work“ aus dem Jahr 2002 gilt John Norcross als einer der tonangebenden Forscher und Theoretiker zum Thema therapeutische Beziehung, insbesondere zur Bedeutung der therapeutischen Beziehung für den Therapieerfolg ( siehe hier). John Norcross ist Professor für Psychologie an der Universität Scranton, Pennsylvania. Auf Youtube ist seit einiger Zeit dieses kurze Video verfügbar, in dem Norcross darlegt, dass es die Einschätzung der therapeutischen Beziehung durch die KlientInnen ist, die das Ergebnis am meisten beeinflusst. Er selbst stelle im Grunde nicht viel mehr als (Variationen von) drei Fragen: Wie geht es allgemein mit der Psychotherapie voran? Wie geht das mit uns in dieser Psychotherapie? Wovon hätten Sie lieber mehr und wovon weniger? Die US-amerikanische National Registry of Evidence-based Programs and Practices (NREPP), eine Online-Datenbank für Mental Health Themen und Fragen der Behandlung von Substanz-Abhängigkeiten, hat eine Reihe von neueren Forschungsergebnissen, die in der 2. Auflage des oben genannten Buches aufgeführt wurden, ins Netz gestellt („ Evidence-Based Therapy Relationships“). Während nach wie vor die Wechselwirkung von KlientInnen, TherapeutInnen, Methode, Kontext und Beziehung die Richtung angibt, gerät doch die Wahrnehmung der Beziehung durch die KlientInnen in den Vordergrund. Zur Zusammenstellung der Ergebnisse geht es hier. Schließlich sei noch hingewiesen auf einen kurzen und informativen Beitrag von Norcross und Bruce Wampold, in dem sie die erwähnten Ergebnisse skizzieren und daraus sich ergebende Perspektiven anreißen. Der Aufsatz mit dem Titel „ Evidence-Based Therapy Relationships: Research Conclusions and Clinical Practices“ findet sich in der Zeitschrift Psychotherapy 48(1): 98-102 (2011) und ist im Volltext im web zu finden unter folgender Adresse.
Thursday, March 6. 2014
H  eute beginnt in Heidelberg die 1. European Conference on Systemic Research in Therapy, Education and Organizational Development, veranstaltet vom Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Psychosoziale Medizin der Universität Heidelberg, in Kooperation mit der European Family Therapy Association (EFTA, der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), der Systemischen Gesellschaft (SG) und des Helm Stierlin Instituts Heidelberg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Heidehofstiftung Stuttgart, die DGSF und die SG unterstützen die Tagung finanziell. Zu den Highlights gehört der Eröffnungsvortrag von Russell Crane (Utah/ USA) am heutigen Morgen über die Wirksamkeit und Kostengünstigkeit von Familientherapie, der u.a. vom Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer Rainer Richter, Declan Aherne vom Europäischen Netzwerk Psychotherapeutische Versorgung und Sibylle Malinke vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen diskutiert wird. Auf der website systemisch-forschen.de ist schon vorab ein Artikel von Russell Crane zu diesem Thema zu lesen, der 2014 in J. Hodgson, A. Lamson, T. Mendenhall, T., & D. R. Crane (Eds): Medical Family Therapy: Advanced Applications, im Springer-Verlag erscheint. Im abstract heißt es: „This purpose of this chapter is to provide a summary of the cost-effectiveness research for practice of profession and practice of marriage and family therapy. More than twenty studies based on four sources of data were considered: (1) a western United States Health Maintenance Organization covering 180,000 subscribers; (2) the Kansas State Medicaid system with over 300,000 beneficiaries; (3) Cigna, a large United States health insurance benefits management company which provided data of over 6 million claims for 500,000 unique persons, across six years; and (4) a family therapy training clinic in the western United States serving approximately 700 individuals and families a year. All DSM diagnostic groups are available for analysis. Studies regarding Schizophrenia, Depression, Sexual Disorders, Somatoform Disorder, Substance Abuse, and Relational Diagnosis have been published and others are underway. Results support the potential for a medical offset effect after family therapy, with the largest reduction occurring for high utilizers of health care. The studies also show that family therapy as a treatment modality is a cost effective form of treatment and trained family therapists are cost effective providers.“ Zum vollständigen Text geht es hier…
Wednesday, March 5. 2014
 Giovanni Maio (Foto: Universität Freiburg) ist Professor für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. Im Psychotherapeutenjournal 2/2011 hat er einen interessanten Aufsatz über die Folgen der Veränderung des Gesundheitssystems für die Psychotherapie verfasst. In seinem Abstract heißt es: “Das gesamte Gesundheitswesen folgt immer mehr den Kategorien des Marktes. Damit werden den Heilberufen Denksysteme übergestülpt, die ihrem Grundansatz, einen verstehenden Dienst am Menschen zu verrichten diametral entgegenstehen. Mit einer marktwirtschaftlichen Grundorientierung gehen Tendenzen zur Standardisierung und zur Modularisierung einher. Zugleich liegt ihr ein impliziter Glaube an die Machbarkeit, Objektivierbarkeit und Berechenbarkeit der Therapie zugrunde. Folge dieser Orientierung ist die systematische Ausblendung all dessen, was sich nicht in ein messbares und prozessuales System pressen lässt. In ethischer Hinsicht ist diese Entwicklung problematisch, weil mit der Übernahme dieser Denkkategorien der Kern dessen ausgehöhlt wird, worauf es in der Psychotherapie ankommt: nämlich die Kultur der authentischen und verstehenden Sorge um den anderen. In der Verbindung eines wirkmächtigen technisch-naturwissenschaftlichen Credos mit dem gegenwärtigen Trend zur Ökonomisierung aller Heilberufe wird das für überholt geglaubte mechanistische Menschenbild neu belebt. Daher wird dafür plädiert, eine entschiedene Distanz zum mechanistisch-prozessualen Denken der Ökonomie und Naturwissenschaft zu entwickeln. Psychotherapie bleibt darauf angewiesen, die Einzigartigkeit der Begegnung von Therapeut und Patient und den Kerngedanken einer Kraft des Verstehens neu ins Bewusstsein zu bringen." Zum vollständigen Text geht es hier…
Tuesday, March 4. 2014
Ag  gressives Verhalten von Kindern und Jugendlichen ist eines der häufigsten Themen, die in Erziehungs- und Familienberatung, wie auch in kinder- und jugendtherapeutischen Praxen zur Sprache kommen. Zwar hat Roland Schleiffer mit seinen Überlegungen zur funktionalen Analyse solchen Verhaltens eine gute Basis für ein konstruktives und interaktionelles Verständnis dieser Phänomene geliefert, doch ist für praktische Anregungen immer noch Bedarf. So wird „Ressourcenorientierte Aggressionsprävention“ aus systemischer Sicht zu einem Blickfang. Unter diesem Titel hat Eva Kneise im Juli 2008 ihre Dissertation an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln abgeliefert, mit dem Untertitel: „Zu den Chancen ressourcenorientierter Ansätze bei Aggression und Dissozialität von Jugendlichen aus pädagogischer Sicht“. Die Autorin (Foto: Universität Köln) geht von der Unterscheidung zwischen Ursachenanalyse und „Begründungen des eigenen Verhaltens und dessen Beurteilung im Nachhinein“ aus. Es gehe „also um die subjektiven Rekonstruktionen des eigenen Handelns und die Frage, wann Heranwachsende eine Konsistenz zwischen ihrem moralischen Denken, Fühlen und Handeln herausbilden“ (S.17). Im weitesten Sinne lässt sich hier eine Querverbindung zu der von Hans Lieb herausgearbeiteten Idee der Kontextsensibilität als genuin systemischer Wirkvariable herauslesen. Mit den Worten der Autorin: „Die Arbeit (…) stellt die Frage nach den Chancen einer pädagogisch-ressourcenorientierten Prävention von Aggression und Dissozialität bei Jugendlichen in den Mittelpunkt, die diese nicht primär als ‚Störer‘ oder ‚Gestörte‘ wahrnimmt, sondern vielmehr deren Stärken und kompetenten Anteile als Ausgangs- und Angelpunkt pädagogischer Förderprozesse in den Fokus rückt (S.17f.). In ihrem Fazit unterstreicht Eva Kneise ihre zentrale These, dass „(e)rst eine systemisch-ressourcenorientierte Blickwendung auf das Phänomen der Aggression ermöglicht, (…) pädagogisch angemessene und nachhaltige Zugangsweisen zur Bearbeitung und Präventionjugendlicher Dissozialität“ zu entwickeln. „Ein solcher Perspektivenwechsel, wie er sich im Zuge von Konzeptionen der Salutogenese und der entwicklungspsychologischen Resilienzforschung ergibt, macht darauf aufmerksam, Heranwachsende stärker auch in ihren positiven Möglichkeiten und individuellen Stärken wahrzunehmen und zu fördern. Ebenso werden durch eine Verbindung mit humanökologischen Konzeptionen soziale Unterstützungsmöglichkeiten in den bedeutsamen Umwelten sowie Optionen zur Erleichterung und Gestaltung ökologischer Übergänge systematisch gesucht und ausgebaut“ (S.259). Und weiter heißt es: „Diese Perspektive legt es dann nahe, Dissozialität auch als subjektiv sinnvolles Bewältigungsverhalten zu begreifen und in seinem Zusammenwirken mit verschiedenen, den Heranwachsenden umgebenden Einflüssen seiner Umwelten zu verstehen. Aggressiv-dissoziales Verhalten wird entsprechend als Bewältigungsversuch erkannt, um Orientierung und Kontrolle in subjektiv unübersichtlichen oder undurchschaubaren sozialen Konfliktsituationen zurück zu gewinnen. Das Ausblenden oder Neutralisieren moralischer Anforderungen in stressigen Sozialsituationen dient dabei dem Erhalt eines positiven Selbstbildes als ‚gute‘ bzw. ‚moralische‘ Person und somit zum Schutz und zur Stabilisierung des Selbstwertes“ (S.260). Am Ende resümiert Kneise, dass „(a)ufs Ganze betrachtet (…) die Stärke und Überzeugungskraft des systemisch-ressourcenorientierten Ansatzes vor allem in dem Perspektivenwechsel (liegt), der die Fixierung auf Lern- und Verhaltensprobleme aufgibt, dadurch dass Probleme grundsätzlich im Verhältnis zu den Stärken des Individuums und im Zusammenhang mit biographischen wie lebensweltlichen Bedingungen betrachtet werden. Diese Sichtweise rückt konsequent die Aktivierung und Erschließung individueller Vermögen und Fähigkeiten sowie potentiell verfügbarer Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten aus den zentralen Lebenswelten in den Vordergrund“ (S. 262). Die Dissertation von Eva Kneise ist (kapitelweise) im Volltext verfügbar, und zwar hier …
Saturday, March 1. 2014
 Nur noch ein paar Wochen dauert es, bis das große Lehrbuch „Systemische Therapie“ und Beratung im Carl-Auer-Verlag erscheint (bis zum 30.6. kann das Buch übrigens noch zum Subskriptionspreis bestellt werden, der 15,00 € unter dem Ladenverkaufspreis liegt). Um sich ein Bild vom Inhalt zu machen, gibt es jetzt als 20seitige Leseprobe das Kapitel über „Systemische Therapie und Diagnostik“ zu lesen, das ich verfasst habe. In der Einleitung heißt es: „Die Frage nach dem Wert von Diagnostik in der systemischen Therapie und Beratung ist von zentraler Bedeutung für die Identität des systemischen Ansatzes. Dennoch gehen mögliche Erwartungen, dieses Lehrbuch könnte die verbindliche Darstellung einer einheitlichen systemischen Diagnostik bieten, in die Irre. Zu verschieden, widersprüchlich und oft auch unklar sind die einzelnen Positionen zur Diagnostik im systemischen Feld, vieles ist eher implizit als manifest. Aus diesem Grund kann hier allenfalls der systemische Diskurs zur Diagnostik grob abgesteckt werden.“ Dazu gibt es allerdings doch eine Menge zu sagen. Zum vollständigen Text gelangt man hier…
Friday, February 28. 2014
 In Zeiten, in denen Schulsozialarbeit je nach öffentlicher Aufmerksamkeitslage gehypt (Schulmassaker) oder abgewimmelt (Finanzlage) wird – zurzeit liefern sich Bund und Länder wieder „interessante“ Gefechte zu diesem Thema – in solchen Zeiten scheint es umso notwendiger, auf den praktischen Nutzen dieser Arbeit hinzuweisen. Einen Teilaspekt hat Oliver Bösch (Foto: sauer-partner.ch) im Jahr 2008 in seiner Masterarbeit an der Schweizer Hochschule für Soziale Arbeit in Olten sehr praxistauglich und plausibel diskutiert . „Klarsicht für die Schulsozialarbeit“ hat er seine Arbeit überschrieben, mit dem Untertitel: „Anregungen, wie mit einer systemisch-lösungsorientierten Arbeitsweise Arbeitsbündnisse hin zu klar definierten Aufträgen gestaltet werden“. Bösch fasst zusammen: „Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus Systemtheorie, Sozialem Konstruktivismus und Lösungsorientiertem Beratungsansatz werden hilfreiche ,Werkzeuge' vorgestellt, mit welchen ein Unterstützungsprozess im System Schule in einer kooperativen und neutralen Art und Weise entwickelt werden kann. Dieser Prozess hin zu ,funktionierenden' Aufträgen wird methodisch untermauert und mit Beispielen unterlegt: Angefangen von der Auftragsgestaltung am Telefon bis hin zur Evaluation“ (S.2). Der Autor diskutiert das „Arbeitsfeld Schule“ im Allgemeinen und in ihrer momentanen Verfassung, aktuelle Entwicklungen der Schulsozialarbeit und kommt auf diesem Weg zu systemisch-lösungsorientierter Beratung in der Schule. Kernstück ist die Auseinandersetzung mit Auftragsklärung. Hier gibt Bösch einen guten und praxistauglichen Überblick über aktuelle Konzepte und Orientierungshilfen. In seinen Überlegungen zur Begründung einer lösungsorientiert-systemischen Praxis der Schulsozialarbeit schreibt Bösch: „Hinter diesen Arbeitsprinzipien steht letztlich auch eine Ideologie. Diese Ideologie trägt aber zur Öffnung bei, ist in sich selbstreflexiv und gründet auf Beobachtungen und Erkenntnissen, wie lebende und nicht lebende Systeme agieren und funktionieren. Auf die Beschreibung einer objektiven Wirklichkeit wird bei diesem Beratungsansatz bewusst verzichtet. Demnach wird auch ein Problem, welches in der Schule sichtbar wird, nicht als ein objektiv beschreibbarer Gegenstand gesehen, sondern als eine von verschiedenen Interpretationen der im Fall involvierten Personen“ (S.106f.). Zum vollständigen Text geht es hier
Monday, February 3. 2014
 1976 führte Steward Brand, Begründer und Herausgeber des sagenumwobenen Whole Earth Catalogue der US-amerikanischen Subkultur, der auf vielfältige Weise auch mit Personen aus dem Kreis der Kybernetiker vernetzt war, ein langes Gespräch mit Gregory Bateson und dessen Ex-Frau Margaret Mead, in dem sie sich über die Geschichte der ersten Macy-Konferenz unterhalten, über die Begründer der Kybernetik, die Geschichte der Begriffe Feed-Back und Schismogenese u.v.a. Das Gespräch wurde auf Tonband aufgenommen, transkribiert und erschien  in der Zeitschrift CoEvolution Quarterly. Heute ist es im Internet zu lesen, leider in einer nicht besonders gut lesbaren Form mit reichlich Schreibfehlern, was dem Vergnügen an der Lektüre aber keinen Abbruch tut, da beide auch viel aus dem Nähkästchen plaudern und Margaret Mead sowohl ihr gutes Gedächtnis als auch eine gewisse rechthaberische Art zur Geltung bringt. Der Text sei daher allen undingt empfohlen, die sich für die Geschichte der Kybernetik interessieren. Zum vollständigen Text geht es hier…
Sunday, February 2. 2014
 Heute vor 10 Jahren ist Gianfranco Cecchin tödlich verunglückt. Ursprünglich gemeinsam mit Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo und Giuliana Prata im "Gründungsteam" des "Mailänder Ansatzes", löste er sich dann in den 80er Jahren von Selvini und arbeitete eng mit Luigi Boscolo therapeutisch und als international gefragte Lehrtherapeuten zusammen. Zur Erinnerung an Gianfranco möchte ich heute auf einen schönen Aufsatz von Imelda McCarthy aus Irland hinweisen, den sie über den Einfluss von Cecchin auf ihre eigene Arbeit aus irischer Perspektive im Jahre 2006 geschrieben hat, und der in der Zeitschrift „Human Systems: The Journal of Systemic Consultation & Management“ erschienen ist (Vol. 17, 257-263). Sie schließt mit den Sätzen: „Apart from these invitations there would be many more meetings over the next twenty years, at conferences, large and small. The favourite meetings were in my own home when he came to stay. Our learning of the Milan Approach and more particularly Gianfranco’s version was in large part through knowing him well, watching him work and lastly reading his works.“
Zum vollständigen Text…
Wednesday, January 22. 2014
Während in der Systemischen Therapie der Sinn und Unsinn von Diagnosen diskutiert wird, geht es im Mainstream der Psychotherapieforschung schon um die Frage einer standardisierten, d.h. auf dem kontinuierlichen Einsatz von Testverfahren im Rahmen einer Psychotherapie aufbauenden Diagnostik, die womöglich zukünftig für Antrag und Bewilligung einer Psychotherapie Voraussetzung sein könnte. Thorsten Padberg hat in einem interessanten Artikel für das Psychotherapeutenjournal 1/2013 über diese Diskussion berichtet, die er für falsch hält. Im abstract heißt es: „Im Namen der Wissenschaft wird zurzeit die Notwendigkeit standardisierter Diagnostik betont. Der Artikel weist eine einseitige Inanspruchnahme ,der Wissenschaft' durch die Befürworterinnen und Befürworter standardisierter Diagnostik zurück. Psychotherapiepraktiker, die dieser Form der Diagnostik skeptisch gegenüberstehen, haben gleichwertige Wissenschaftsansprüche, die nicht notwendig zur Forschung im Widerspruch stehen. Bei Psychotherapeuten festzustellende Abweichungen von standardisiert gestellten Diagnosen rechtfertigen zudem keine Schlüsse auf die Persönlichkeit dieser Psychotherapeuten. Es wird die Frage gestellt, ob standardisierte Diagnostik den Interessen der Klienten dient, und erläutert, welche Rolle Diagnosen im Therapieprozess spielen. Der Zwang zur standardisierten Diagnostik übergeht ethische und praktische Überlegungen sowie kommunikative Prozesse, die der Psychotherapie als Wissenschaft wesentlich sind.“ Den vollständigen Artikel lesen Sie hier (S. 12-18)
Saturday, January 18. 2014
In der neuesten Ausgabe des Psychotherapeutenjournals findet sich ein bemerkenswerter Aufsatz von Julia Thom und Matthias Ochs, der sich mit der Frage der Profession und Professionalisierung des Therapeutenberufes auseinandersetzt. Julia Thom, Dipl.-Psych., Stipendiatin des Ev. Studienwerkes, studiert Psychotherapie (Master of Science) in Kombination mit der Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (Schwerpunkt VT) an der Psychologischen Hochschule Berlin. Ihre Forschungsinteressen liegen in der sozialwissenschaftlichen  Untersuchung der Psychotherapie sowie Fragen der Epidemiologie und Versorgungsforschung. Matthias Ochs ist in der systemischen Szene vor allem durch die gemeinsame Organisation der Systemischen Forschungstagungen in Heidelberg (mit Jochen Schweitzer), als Herausgeber von www.systemisch-forschen.de und als Mitherausgeber des "Handbuches Systemisch Forschen" bekannt (ebenfalls mit J. Schweitzer), er lehrt im Fachgebiet „Psychologie und Beratung“ am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Fulda. Ihr differenzierter, umfassend informierter Text leistet in aller Kürze einen ausgezeichneten Überblick über die gegenwärtige soziologische Professionalisierungsdebatte und deren Relevanz für die Frage, inwiefern Psychotherapeuten (und insbesondere Psychologische Psychotherapeuten) als Profession zu betrachten sind (und sich selbst so betrachten) und inwieweit unterschiedlichen Professionalisierungskonzepte zu unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich der Vollständigkeit von Professionalisierung oder gar einer Deprofessionalisierung von Professionalisierung führen. Im abstract heißt es: „Wenn Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten an ihrem Arbeitsauftrag oder der Gültigkeit ihres Fachwissens zweifeln, diagnostiziert die Soziologie den ,Typus des postmodernen Professionellen'. Dieser bekommt die Folgeprobleme des Modernisierungsprozesses Professionalisierung innerhalb seines Berufsstandes zu spüren und beginnt sie zu reflektieren. So lässt die Professionssoziologie ein alarmierendes Bild der Psychotherapie zeichnen: Ihr gelingt die Professionalisierung nur unvollständig, ihre gesellschaftliche Funktion und Legitimität muss sich infrage stellen lassen, Wissenschaft und die eigene Klientel bedrängen das professionelle Selbstverständnis und das tägliche Handeln wird paradox. Die Entwicklung des psychotherapeutischen Berufsstandes bietet Lesarten, in denen sich diese Hypothesen sowohl bestätigt als auch widerlegt sehen – was in seiner Widersprüchlichkeit so zeitgenössisch wie fachlich notwendig und typisch für die Psychotherapeutenschaft sein mag.“ Der Text ist auch im Netz erschienen, allerdings nicht solo, da das aktuelle Heft als Ganzes im Netz ist, man findet den Beitrag auf den Seiten 381-387…
Friday, January 17. 2014
2004 erregte ein optimistisches Manifest von Hirnforschern, u.a. auch Gerhard Roth und Wolf Singer, ein gewisses Aufsehen, in dem diese die wesentlichen Rätsel der Funktionsweise des Gehirns als grundsätzlich lösbar erklärten, die Klärung der Einzelheiten sehr vor allem eine Frage der Zeit und der eingesetzten Ressourcen: „In absehbarer Zeit, also in den nächsten 20 bis 30 Jahren, wird die Hirnforschung den Zusammenhang zwischen neuroelektrischen und neurochemischen Prozessen einerseits und perzeptiven, kognitiven, psychischen und motorischen Leistungen andererseits soweit erklären können, dass Voraussagen über diese Zusammenhänge in beiden Richtungen mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad möglich sind. Dies bedeutet, dass man widerspruchsfrei Geist, Bewusstsein, Gefühle, Willensakte und Handlungsfreiheit als natürliche Vorgänge ansehen wird, denn sie beruhen auf biologischen Prozessen.“ Nun ist auf der website von „Psychologie Heute“ ein „Memorandum ,Reflexive Neurowissenschaft'“ erschienen, das von 15 Professoren unterzeichet wurde, darunter Felix Tretter (Redaktion), Thomas Fuchs, Felix Hasler, Georg Northoff, Stephan Schleim und Wolfgang Tschacher. Hier zeigt sich, dass sich der Optimismus inzwischen weitgehend gelegt bzw. relativiert hat. Einleitend heißt es im Memorandum: „Vor 10 Jahren, im Jahr 2004 wurde der Öffentlichkeit ein Manifest von Neurowissenschaftlern präsentiert, das eine äußerst optimistische Zukunftsperspektive der Hirnforschung erkennen ließ. Unter anderem sollten neue Neurotechnologien die Enträtselung des Gehirns und damit des Geistigen ermöglichen, und für die klinische Praxis sollten bald effektivere und nebenwirkungsärmere Psychopharmaka entwickelt werden. Schließlich sollte ein neues, wissenschaftlich fundiertes Menschenbild entstehen. Die heutige Bilanz fällt aus unserer Sicht allerdings eher enttäuschend aus. Eine Annäherung an gesetzte Ziele ist nicht in Sicht. Die Ursachen dafür gehen weit über organisatorisch-technische Schwierigkeiten hinaus und liegen einerseits an Schwächen im Bereich der Theorie der Neurowissenschaft, andererseits an zu wenig durchdachten naturalistischen Vorannahmen und Konzepten, die wünschenswerte Brückenschläge zur Psychologie, Philosophie und Kulturwissenschaft nachhaltig erschweren. Bereits die oftmals unzulängliche Unterscheidung von notwendigen und hinreichenden Bedingungen hat auf vielen Feldern zur Überschätzung eigener Erklärungsansprüche geführt: Selbstverständlich ist ohne Gehirn alles nichts, aber das Gehirn ist nicht alles, denn es benötigt den Körper, und der Körper benötigt die Umwelt. Aussagen wie „Psychische Prozesse beruhen auf Gehirnprozessen“ führen uns nicht weiter, denn psychische Prozesse benötigen auch die Atmung, den Blutkreislauf usw. Auch die Verkürzung der Psychologie auf alltagsweltliche Begriffe und Konzepte und auf einfache Experimente ist problematisch. So bleibt oft unbeachtet, ob die experimentelle Operationalisierung einer Funktion den psychologischen Inhalt dieser Funktion zutreffend widerspiegelt. Außerdem zeigt die Forschung, dass eine psychische Funktion (z.B. Sehen) an mehreren Gehirnorten realisiert ist und dass andererseits ein Gehirnort an mehreren Funktionen beteiligt ist. Damit werden mehrere Schwierigkeiten einer eindeutigen Zuordnung psychischer Funktionen zu Hirnstrukturen erkennbar. Dies beruht auf dem Netzwerkcharakter des Gehirns. Dieser Aspekt muss ausdrücklicher als zuvor durch die Einbindung der Systemwissenschaft berücksichtigt werden. Sie kann als mathematisch fundierte Disziplin helfen, die Funktionsweise des Gehirns als System zu verstehen. Das Gehirn ist ja aus Milliarden von zellulären Schaltkreisen aufgebaut, die eine hochkomplexe Signalaktivität aufweisen. Um Gehirnfunktionen angemessen verstehen zu können, ist daher eine enge und institutionalisierte Zusammenarbeit von Biologie, Psychologie und Systemwissenschaft erforderlich, und zwar unter essenzieller Beteiligung der Philosophie mit ihren Facetten der Anthropologie, Philosophie des Geistes und Wissenschaftstheorie. Eine bloße Ergänzung der (neuro)biologischen Beschreibung durch einige psychologische und geisteswissenschaftliche Randaspekte ginge am Ziel vorbei. Nur wenn die klinische Praxis, also Psychiater und Neurologen, in die Forschung eingebunden wäre, könnte die nötige Transdisziplinarität zustande kommen, die eine neue, diskursive und reflexive (nachdenkliche) Neurowissenschaft entstehen lässt, die auch ihre eigenen Grundlagen hinterfragen und ihre Grenzen erkennen kann. Letztlich ist die Reduktion des Menschen und all seiner intellektuellen und kulturellen Leistungen auf sein Gehirn als „neues Menschenbild“ völlig unzureichend. In diesem einseitigen Raster ist der Mensch als Subjekt und Person in seiner Vielschichtigkeit nicht mehr zu fassen. Es ist immer die ganze Person, die etwas wahrnimmt, überlegt, entscheidet, sich erinnert usw., und nicht ein Neuron oder ein Cluster von Molekülen.“ Der Text ist frei im Netz zugänglich, und zwar hier…
|