Tuesday, July 8. 2014
 Vom 26. bis 28.6. fand in Drammen in (Süd-)Norwegen eine Tagung zum Thema „Individuelle und soziale Veränderung durch kollaboratives Handeln“ statt, ausgerichtet vom TAOS-Institut in Zusammenarbeit mit dem Centre for Mental Health and Substance Abuse, Buskerud and Vestfold University College (Norwegen), dem Helsinki Psychotherapy Institute (Finnland), der Familjevårdsstiftelsen (Family Care Foundation) (Schweden) und dem Family Institute (Großbritannien). Im Ausschreibungstext hieß es: „Die Kosten für psychische Gesundheit schnellen in die Höhe, die Verschreibungshäufigkeiten für Psychopharmaka nehmen weiter dramatisch zu und die Ausdehnung diagnostischer Kategorien suggeriert, dass wir psychisch krank seien oder leicht werden könnten. Es ist Zeit, die 'Therapiegesellschaft' in Frage zu stellen und jenseits des konventionellen therapeutischen Denkens nach alternativen Zugangsweisen zu unserem Dasein zu suchen. Die meisten Veränderungsansätze fokussieren auf das Individuum. Im Gegensatz hierzu will die Tagung inspirierende Innovationen präsentieren, die sich mit kollaborativen Denk- und Handlungsansätzen beschäftigen. Solche Ansätze beantworten die Herausforderungen, die sich aus unseren Lebenswirklichkeiten ergeben, durch Betonung der Diversität von Beschreibungsmöglichkeiten, von Werten und Bewältigungsformen und stellen im Sinne Gergens die relationale Dimension unseres Daseins heraus. Die Tagung will auf kollaborative Praktiken aufmerksam machen, deren Verständnis von Therapie (u.a.) auf der Grundlage kulturwissenschaftlicher, sozialpolitischer und anthropologischer Überlegungen aufbaut. Diese Ansätze gehen über den traditionellen therapeutischen Denkstil hinaus – ja, sie verlassen ihn sogar". Eugene Epstein hat für die website „Mad in America“ einen Text mit dem Titel „Independence From The Therapeutic State“ verfasst und diesem Text die Videos der Hauptvorträge dieser Tagung hinzugefügt, und zwar von Kenneth Gergen, Robert Whitaker, Olga Runciman, Sami Timimi und Carina Hakansson - eine gute Möglichkeit, auch noch nachträglich in die Tagung hineinzuschnuppern. Zum Text von Epstein und den Videos geht es hier…
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Friday, June 27. 2014
 Nur noch eine Woche kann das große Lehrbuch „Systemische Therapie und Beratung“ beim Carl-Auer-Verlag noch zum Subskriptionspreis bestellt werden, danach gilt der normale Ladenverkaufspreis. Als Leseprobe, die auch das Verständnis von Systemischer Therapie und Beratung als transdisziplinäres und multiprofessionelles Projekt dokumentiert, welches dem Lehrbuch zugrunde liegt, hat der Verlag das Kapitel mit gleichem Namen auf seiner website veröffentlicht, und zwar hier…
Wednesday, June 25. 2014
 In der Dezemberausgabe von „brand eins“ gibt es ein interessantes Gespräch mit dem Philosophen Wilhelm Schmid und dem systemischen Psychotherapeuten Arnold Retzer (Foto) zum Thema Glück und Unglück, zur Frage nach dem guten Leben und der Problematik des „Positiven Denkens“, das nachdenklich stimmt. Es ist auch Online im Zeitschriften-Archiv zu lesen, und zwar hier…
Saturday, June 21. 2014
H  eute vor 15 Jahren starb Mara Selvini-Palazzoli in Mailand. Wie nur wenige andere prägte sie mit ihrer unnachahmlichen Art die Entwicklung der Familientherapie in Europa in den 70er Jahren. Gemeinsam mit ihrem Mailänder Team (Luigi Boscolo, Gianfranco Cecchin und Giuliana Prata) entwickelte sie den sogenannten Mailänder Ansatz, der überall eifrige Nachahmer fand. Mit dem Radikalen Konstruktivismus, der zu Beginn der 80er Jahre an Bedeutung gewann, konnte sie sich nicht anfreunden. Ihr Ruhm ist etwas verblasst, zumal die strikte Vorgehensweise des Mailänder Teams mit Einwegscheibe, Pause in der Sitzung, schriftlich verfassten Kommentaren und Verschreibungen usw. heute nicht mehr praktiziert werden. In ihrem wunderbaren Buch über die Pioniere der Familientherapie hat Satu Stierlin ein schönes Portrait von Mara Selvini-Palazzoli verfasst, dessen Überschrift „Ich brannte vor Neugier“ auch dem Buch den Titel gegeben hat. Es ist auf der website des Carl-Auer-Verlages nachzulesen, und zwar hier…
Wednesday, June 18. 2014
 Heute feiert Jürgen Habermas seinen 85. Geburtstag. Kaum jemand hat den intellektuellen Diskursen in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren einen vergleichbaren Stempel aufgedrückt wie er. Dabei ist seine "Theorie kommunikativen Handelns", in den 80er Jahren auch als Gegenentwurf zur Systemtheorie Luhmanns gehandelt, heute wohl weniger im Bewusstsein der Öffentlichkeit als seine nachdrücklichen politisch-philosophischen Interventionen, die gerade in den letzten Jahren zu den gewichtigsten Stimmen in der Auseinandersetzung mit den zunehmenden Entdemokratisierungstendenzen in der Politik auf nationaler und europäischer Ebene zählten. Die "Blätter für deutsche und internationale Politik" zu deren Herausgebern Jürgen Habermas gehört, haben sich ein besonderes Geburtstagsgeschenk ausgedacht. Auf ihrer website können alle Texte, die in den »Blättern« von und zu ihm erschienen sind, in einem ebook (als ePub, Mobi oder PDF) kostenfrei heruntergeladen werden. Neben seinen eigenen Texten sind Beiträge von Micha Brumlik, Rainer Forst, Klaus Günther, Axel Honneth, Ingeborg Maus, Oskar Negt, Ulrich Oevermann, Claus Offe und Albrecht Wellmer enthalten. Und hier kommen Sie zum ebook…
Monday, June 9. 2014
 In einem sehr spannenden, ausführlichen Interview für psychotherapy.net spricht der Therapieforscher Scott Miller, der vor allem für die Erforschung der sogenannten "common factors", also der nicht-schulenspezifischen Wirkfaktoren in der Psychotherapie bekannt geworden ist. Ausgehend von der Feststellung, dass die Wirkung von Psychotherapie nicht an den schulenspezifischen Interventionen und Vorgehensweisen festgemacht werden kann, die wir in der Ausbildung lernen, stellt sich die Frage, was Therapeuten tun können, um ihre Fähigkeiten zu verbessern. Eine "natürliche" Begabung im Sinne einer angeborenen überdurchschnittlichen "sozialen Kompetenz" schließt Miller aus. Er lehnt sich an die Forschungen von K. Anders Ericsson an, für herausragende Performanz in unterschiedlichen Bereichen professioneller und künstlerischer Begabung vor allem die kontinuierliche Arbeit an den eigenenen Skills verantwortlich macht - und zwar nicht nur dann, wenn sie eingesetzt werden, sondern gerade in den Zeiten dazwischen: "While you’re doing your work, you don’t have time enough to correct your mistakes thoughtfully. The difference between the best and the rest is what they do before they meet a client and after they’ve met them, not what they’re doing when they’re with them.So what we found, which I think is quite shocking, is that the difference between the best and the rest is what they do before they meet a client and after they’ve met them, not what they’re doing when they’re with them." Dazu gehört die Reflexion der eigenen Fehler, die Konsultation von "Coaches", die einem eine qualifizierte Rückmeldung geben können, und: Lektüre! "A graduate student that I’ve been working with, Darryl Chow, who just finished his PhD at University of Perth in Australia, did his dissertation on this topic and found that the best performers spend significantly more time reading books and articles. We also know that the best performers spend more time reviewing basic therapeutic texts. Therapists are often in search of the variation from their performance that will allow them to reach an individual client they’re struggling with. Top performers not only do that, but they’re also constantly going back to basics to make sure they’ve provided those. They spend time reading basic books that may be hugely boring but are nonetheless really helpful." Das vollständige Interview lesen Sie hier…
Sunday, June 1. 2014
Die Theorie der Funktionssysteme ist ein zentraler Bestandteil der Luhmannschen Gesellschaftstheorie und genießt auch außerhalb der engeren systemtheoretischen Kreise Anerkennung. Nichtsdestoweniger handelt es sich um ein Feld, das theoretisch in keiner Weise erschöpft ist. Die Frage, was überhaupt ein Funktionssystem ausmacht, wie diese aufeinander einwirken, ob die Funktionssysteme tatsächlich parallel ihre Eigenlogiken prozessieren oder ob nicht doch bestimmte Systeme hegemonial oder zumindest dominant im Verhältnis zu anderen Systemen operieren, ist Gegenstand intensiver theoretischer Debatten. Steffen Roth, Professor für Management und Organisation an der ESC Rennes School of Business, hat im Internet einen Text veröffentlicht, in dem er "einen Beitrag zur Kanonisierung der Funktionssysteme" leisten möchte. Im abstract heißt es: „Funktionale Differenzierung gilt nicht nur als das zentrale Alleinstellungsmerkmal moderner Gesellschaften, sondern auch als eines der wenigen Felder wissenschaftlicher Ehre, auf denen die Systemtheorie Gäste empfängt und nicht auswärts spielt. Als gute Gastgeberin spielt die Theorie in Form dieses Beitrags mit der für die Sozialforschung nicht unerheblichen Frage, wie Funktionssysteme bestimmt werden können und was aktuell als Kanon der Funktionssysteme gelten kann. Der Beitrag geht zunächst knapp auf jene Systeme ein, die weitgehend unangefochten als Funktionssysteme betrachtet werden. Im nächsten Schritt diskutiert er mögliche Kriterien für den Funktionssystemstatus und entwickelt entlang der Konzepte Reflexion, Leistung und Funktion einen Vorschlag zur Unterscheidung von Nicht- /Funktionssystemen. Auf dieser Grundlage diskutiert er, welche Funktionssystem-Kandidaten sich qualifizieren können und arbeitet so den Kanon der Funktionssysteme heraus. Der Soziologie eröffnet sich schliesslich die Aussicht auf eine systematisch betriebene interfunktional vergleichende Sozialforschung.“ Zum vollständigen Text geht es hier…
Thursday, May 29. 2014

Gelegentlich wird das 2012 im Carl-Auer-Verlag erschienene „Lexikon des systemischen Arbeitens“ (herausgegeben von Jan V. Wirth und Heiko Kleve) um Online-Artikel erweitert, die kostenlos zugänglich sind. Aktuell hat der Verlag einen Zusatzartikel zum Stichwort „Konstruktivismus“ als PDF online gestellt, der eigentlich auch „Konstruktivismen“ heißen könnte, sind doch schließlich eine ganze Reihe unterschiedlicher Spielarten des Begriffs hier vereint. Bernhard Pörksen, einer der versiertesten Kenner der konstruktivistischen Literatur, hat den Artikel verfasst, den Sie hier lesen können…
Wednesday, May 28. 2014
Burnout ist heute in aller Munde: als spätmoderne „Erschöpfungskrankheit“, die einerseits das Ausmaß der Belastung zum Ausdruck bringt, der heute viele Menschen in ihrer Arbeits- und Lebenswelt ausgesetzt sind, gleichzeitig aber auch - im Unterschied zur Depression - von dem Übermaß an Engagement und Einsatz derselben kündet. Vor dem ersten Weltkrieg hatte der Begriff der Neurasthenie eine ähnliche Ausstrahlungskraft, die Sanatorien und „Heilstätten“ waren das, was heute die Burnout-Kliniken sind. Auf jeden Fall haben wir es hier mit gesellschaftlichen Phänomenen zu tun, die über die klinische Beurteilung des Einzelfalls hinausreichen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe sehr lesenswerter Arbeiten zu diesem Themenkomplex, z.B. die des Historikers Joachim Radkaus („Das Zeitalter der Nervosität“), die u.a. mithilfe der Analyse von Krankenakten aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg eine eindrucksvolle Zeitdiagnose erstellt, oder aktuell die Arbeiten von Bröckling und Ehrenberg zum "Unternehmerischen Selbst" bzw. zum "Erschöpften Selbst". Es bietet sich also an, einen genaueren begriffsgeschichtlichen Blick auf die mit diesen Themen verbundene Semantik zu werfen. Das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin gibt eine online-Zeitschrift heraus, das "Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte", in dem Sarah Bernhardt einen Aufsatz über "Neurasthenie und Burnout - Zwei Erscheinungsformen moderner Erschöpfung" veröffentlicht hat, eine Vorstudie zu ihrer Dissertation, wie sie zum Ende ihres Artikels bemerkt. Sie schreibt: "Die offensichtlichen Ähnlichkeiten zwischen Neurasthenie und Burnout dürfen den wissenschaftlichen Blick jedoch nicht dazu verleiten, vorschnell von einer substantiellen Identität auszugehen. Es ist keineswegs gleichgültig, unter welchem Namen ein Leiden amtiert. Vielmehr gehe ich davon aus, dass die Etablierung eines neuen Begriffs ein Ereignis ist, dass genauer in den Blick genommen zu werden verdient, weil es auf eine veränderte Problemlage hinweist. Die Frage lautet also, wie genau sich das Verhältnis zwischen Neurasthenie und Burnout darstellt, was diese beiden Begriffe trennt und verbindet, welche semantischen Bedeutungsebenen sich in ihnen jeweils abgelagert haben und welche Rückschlüsse sich aus der Untersuchung dieser Bedeutungsschichten für das Verständnis unserer Gegenwart möglicherweise ziehen lassen. Der erste Schritt einer solchen Fragestellung muss immer darin bestehen, die Phänomene gegeneinander zu legen und sie auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu untersuchen, um auf dieser Grundlage eine schärfere Kontur ihrer Besonderheiten zu erlangen – was im Folgenden geschehen soll." Den gesamten Text lesen Sie hier…
Tuesday, May 20. 2014
"Family Process" bietet seit kurzem wie viele andere Zeitschriften auch die Möglichkeit, Artikel als "Early View" schon vor ihrer Publikation in der Print-Ausgabe zu lesen. Aktuell ist auch ein interessanter Artikel dabei, der kostenfrei gelesen werden kann (wahrscheinlich nur vorübergehend, daher lohnt ein baldiger Besuch auf dieser Seite). Jayashree George und Sandra M. Stith, ihrem Selbstverständnis nach Feministinnen der dritten Generation, befassen sich mit der Gewalt in Partnerbeziehungen und grenzen sich dabei von früheren feministischen Positionen ab, die als Ursache der IPV (intimate partner violence) ausschließlich patriarchalische Strukturen und Einstellungen akzeptiert haben. Eine "intersektionale" Sichtweise zieht auch andere Faktoren in Betracht, vor allem eingedenk der Tatsache, dass ein durchaus erheblicher Teil von Gewalt in Paarbeziehungen auch von Frauen ausgeht. In ihrem abstract heißt es: „In this article, we explore intimate partner violence (IPV) from an intersectional, feminist perspective. We describe how an updated feminist view guides us to a perspective on IPV that is more strongly grounded in an antioppressive, nonviolent, socially just feminist stance than a second-wave gender-essential feminist stance that suggests that patriarchy is the cause of IPV. At the time we began to work together it seemed that a researcher had to be identified as a “family violence” researcher or a “feminist” researcher of violence against women, and that it wasn’t possible to be a feminist researcher who looked beyond patriar- chy as the cause of IPV. We advocate critically thinking about essentialist practices in clin- ical work so that we can maintain an antioppressive, socially just, nonviolent approach to working with clients who experience IPV.“ Der Artikel kann auf dieser Seite als PDF oder HTML-Datei gelesen werden…
Thursday, May 15. 2014
Einerseits hat sich mittlerweile eine Art von Ressourcenrhetorik etabliert, die sich wie ein roter Faden durch Konzepte professioneller psychosozialer und therapeutischer Hilfen zieht. Andererseits zeigen sich im Kontext von Anerkennungsdebatten und –bemühungen solche Argumente als besonders robust, die auf störungsspezifische Power bestimmter Verfahren und Methoden abheben. Das kann unter Umständen Glaubenskämpfe nähren, kann jedoch auch Anlass zu neugierig-differenziertem Nachspüren sein. Zu letzterem dürfte die Dissertation von Lisa Johanna Groß gehören, die sie im Jahr 2013 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorlegte. Der Titel ihrer Arbeit: „Ressourcenaktivierung als Wirkfaktor in der stationären und teilstationären psychosomatischen Behandlung“. In dieser empirischen Arbeit setzt Groß einen ressourcenorientierten Akzent im Unterschied zum aktuellen Mainstream in der Forschungslandschaft, der auf Materialgewinnung zu Gunsten „evidenzbasierter störungsspezifischer Behandlungsmethoden und daran orientierte Manuale“ zielt. Groß stellt dem empirischen Teil eine sehr gut lesbare, sehr informative Zusammenstellung der neueren und neuesten Befunde zur Wirksamkeitsforschung voraus, mit den Arbeiten von und nach Grawe, Lambert, Duncan und Miller, sowie Wampold als tragenden Säulen. Wer sich über den Stand der Dinge zur Diskussion um allgemeine Wirkfaktoren und um kontextuelle Wirksamkeitsmodelle, sowie um „Effektstärken und Varianzaufklärung verschiedener therapeutischer Aspekte“ kundig machen möchte, ist hier sehr gut bedient. In ihrer empirischen Untersuchung konzentriert sich Groß auf „die Bedeutung von Ressourcenrealisierung und Ressourcenaktivierung für den Therapieerfolg in der stationären und teilstationären psychosomatischen Behandlung“. Die Autorin skizziert das Anliegen ihrer Arbeit: „Dabei werden die Konzepte Ressourcenrealisierung und Ressourcenaktivierung im Hinblick auf ihre Relevanz für die psychosomatische Behandlung untersucht und mit verschiedenen Maßen des Wohlbefindens und der psychischen Belastung sowie mit dem Therapieerfolg in Zusammenhang gebracht. Zusätzlich werden Zusammenhänge zwischen wertschätzendem Therapeutenverhalten und dem Ausmaß der Ressourcenaktivierung sowie dem Therapieerfolg betrachtet. Darüber hinaus wird die Rolle von Bewältigungserfahrungen als potentieller Mediator des Einflusses der Ressourcenaktivierung auf den Therapieerfolg untersucht“ (S.3). Die Materialien, die Groß für ihre Untersuchung verwendet (z.B. Fragebögen) illustrieren die theoretisch erörterten Positionen umfänglich und differenziert. Wer sich weniger für die typischen und spezifischen Details der Untersuchung selbst interessiert, kann sich gegen Ende der Arbeit wieder in die „Abschließende Diskussion“ einklinken. Die Ergebnisse werden übersichtlich gebündelt und plausibel dargestellt. Hier heißt es u.a.: „Insgesamt sprechen die Ergebnisse deshalb in hohem Maße dafür, Klienten als aktive Mitgestalter des psychotherapeutischen Prozesses zu konzeptionalisieren (…) und ihre Fähigkeiten und Stärken verstärkt in den psychotherapeutischen Prozess mit einzubeziehen. Aktuell sind ein derartiger Ressourcenfokus und eine derartige Haltung in der Psychosomatik noch nicht selbstverständlich. (…) Eine weitere Entwicklung in Richtung eines verstärkten Fokus auf Klientenressourcen sowie eines verstärkten Respekts vor Beiträgen der Klienten zum Gelingen der Therapie stellt eine wünschenswerte Entwicklung in der stationären und teilstationären psychosomatischen Therapie
dar“ (S.155). Als Zugabe gibt es am Ende noch einen im Jahr 2012 publizierten Text von L. J. Groß, M. Stemmler und M. de Zwaan über „Ressourcenaktivierung in der klinischen Psychologie und Psychotherapie: Überblick über theoretische Hintergründe und aktuelle Forschungsansätze“ (S.228ff.). Zum Volltext von Dissertation und publiziertem Artikel geht es hier…
Monday, May 12. 2014
 Die Arbeiten von Haim Omer, Arist von Schlippe und mittlerweile vielen anderen zum Thema "Neue Autorität" haben in der vergangenen 10 Jahren große Resonanz und Verbreitung erfahren, unzählige Bücher und Aufsätze zu diesem Thema sind erschienen. Ein früher deutschsprachiger Text, vielleicht der erste überhaupt, erschien 2001 in "systhema". Haim Omer legt darin die grundlegenden Gedanken seines Konzeptes dar. In der Zusammenfassung schreibt er: "Es gibt zwei Arten von Eskalation zwischen Eltern und Kindern mit Disziplinschwierigkeiten: (a) komplementäre Eskalation, wobei die elterliche Nachgiebigkeit zu je steigernden Forderungen führt, und (b) symmetrische Eskalation, wobei die Feindseligkeit Feindseligkeit hervorruft. Vorhandene Programmme von Elternberatung fokussieren zumeist eine dieser Arten, nicht immer zum Nutzen der Beteiligten. Der Gebrauch von Gandhis Grundsatz vom gewaltfreien Widerstand ermöglicht eine elterliche Haltung, die sich beiden Arten von Eskalation widersetzt. Es wird eine Methode präsentiert, die den Eltern hilft, diesen Grundsatz in die Praxis umzusetzen. Methoden von elterlichem gewaltfreien Widerstand (das Sit-in und die gewaltfreie Behinderung) werden präsentiert und es wird analysiert, wie durch sie die Eskalation blockiert werden kann." Zum vollständigen Text…
Sunday, May 11. 2014
Am 2. April ist George Spencer-Brown 91 Jahre alt geworden. Im Jahre seines 90. Geburtstages hat Markus Heidingsfelder für den Bayrischen Rundfunk ein tolles Feature gemacht, zum dem der Jubilar das Wichtigste beigetragen hat, denn Heidingsfelder hat ihn einfach zuhause angerufen und ein langes Telefoninterview bekommen. Das Feature ist als mp3-Datei im Internet zu hören (unbedingt anhörenswert!!), in der Einleitung heißt es: „Mathematiker, Philosoph, Psychologe, Poet, Mystiker, Komponist, Schachgroßmeister und Halter mehrerer Segelfluglangstreckenrekorde – der Brite George Spencer-Brown ist einer der letzten Universalgelehrten unserer Zeit. Sein Versuch, in den ,Laws of Form' die Mathematik auf eine völlig neue Grundlage zu stellen, bescherte ihm Ende der 60er Jahre kurzzeitigen Ruhm und Einladungen zu Gastvorträgen überall auf der Welt. Der Kybernetiker Heinz von Foerster pries das Buch als „herkuleische Leistung“, der Soziologe Niklas Luhmann machte zentrale Gedankengänge Spencer-Browns zu einem wichtigen Bestandteil seiner Theorie sozialer Systeme – und der Heidelberger Psychoanalytiker Fritz B. Simon versuchte gar, mit Hilfe seiner Formeln die Logik schizophrenen Denkens zu analysieren. Dennoch ist Spencer-Brown bis heute ein Geheimtipp geblieben. Oder wie Alexander Kluge es einmal formulierte: 'Nicht jeder kennt ihn'. Höchste Zeit, das zu ändern, denn Spencer-Brown ist einer der originellsten Denker unserer Zeit. Zündfunk-Autor Markus Heidingsfelder fiel auf, dass bis heute kein einziges Interview mit dem Exzentriker existiert – er rief ihn kurzerhand an. Im Telefongespräch mit dem Zündfunk Generator gibt der 90-Jährige Auskunft über die Entstehungsbedingungen der ,Laws of Form', rezitiert seine Gedichte und klärt den Hörer über die wichtigste Zutat großer Werke auf: Grobheit. Wie wichtig George Spencer-Brown für die Wissenschaft im Besonderen und die Welt im Allgemeinen war und ist, erläutern der Soziologe Peter Fuchs, der Mathematiker und Spencer-Brown-Kenner Louis Kauffman von der University of Chicago, sowie der Erzieher Moshe Klein, der die ,Laws of Form' in israelischen Kindergärten lehrt. Zur vollständigen Sendung…
Friday, May 9. 2014
 Heute wäre Harold Goolishian 90 Jahre alt geworden. Er ist gemeinsam mit Harlene Anderson im systemischen Feld mit ihrer Theorie der problemdeterminierten Systeme bekannt geworden und ist war einer der wichtigsten Vertreter des Sozialkonstruktionistischen Ansatzes im systemtherapeutischen Bereich. Zum Gedenken sei hier auf einen Schlüsseltext von Anderson und Goolishian verwiesen, der unter dem Titel "Human Sytems as Linguistic Systems: Preliminar and Evolving Ideas about the Implication for Clinical Theory" 1988 in der "Family Process" erschien und als ein recht lausiger Scan auch online zu lesen ist - lesenswert ist der Text allemal. Außerdem  ist heute auch noch Gregory Bateson zu würdigen, der heute seinen 110. Geburtstag feiern würde. Und nicht zuletzt schickt systemagazin heute einen Geburtstagsgruß an Arnold Retzer, der seinen 62. feiert! Ganz schön viel los am 9. Mai!
Tuesday, May 6. 2014
In einer interessanten naturalistischen Studie hat eine Forschergruppe um Volker Tschuschke 262 zufällig ausgewählte Audioaufnahmen von Psychotherapiesitzungen aus insgesamt 81 Psychotherapien, die unterschiedlichen Psychotherapieansätzen durchgeführt wurden, untersucht. Die Aufnahmen wurden auf das Vorkommen von Ansatzspezifischen Interventionen untersucht und Zusammenhänge mit dem Ergebnis von Therapien geprüft. Interessanterweise lag der Anteil an Verfahrensspezifischen Interventionen (bei insgesamt 8 Ansätzen) zwischen 4,2 und 27,8 %, also relativ niedrig. Zwischen dem jeweils gewählten Ansatz bzw. einer damit verbundenen Verfahrenstreue und dem Ergebnis bestanden keine signifikanten Zusammenhänge, wohl aber zwischen dem Grad der professionellen Erfahrung der Therapeuten, der initialen psychischen Belastung der Klienten und dem Behandlungsergebnis. Im abstract der Studie, die leider nicht kostenlos im Internet zu lesen ist, heißt es: „In this naturalistic study, 262 audiotaped psychotherapy sessions—randomly drawn from 81 individual therapies from eight different psychotherapy approaches—were rated completely on treatment adherence using a newly developed rating manual. In the therapy sessions, a relatively low percentage of treatment specific interventions (ranging from 4.2% to 27.8%) was found for all eight approaches, 50% to 73% of the interventions were nonspecific or common, and approximately 18% to 27% were intervention techniques from other approaches. Different types of psychotherapy differed highly significantly in levels of treatment adherence. There was no statistically significant association between the type of psychotherapy and its outcome, or between the degree of therapists' treatment fidelity and the treatment outcome. However, there were significant associations between therapists' degree of professional experience, clients' initial psychological burden, and treatment response. Clients' severity of psychological problems prior to treatment predicted quality of therapeutic alliance while therapists' treatment adherence was predicted by therapists' professional experience and by the quality of the therapeutic alliance. We discuss the seemingly indirect importance of treatment adherence for psychotherapy outcome that we found in this study in relation to findings from other studies and in the context of the role of schools within psychotherapy“. Die Studie ist in "Psychotherapy Research" erschienen und kann hier geordert werden.
Friday, May 2. 2014
Albert Scherr (Foto: Freiburger Netzwerk für Migrationsforschung, Universität Freiburg)  ist Leiter des Instituts für Soziologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. In einem spannenden Artikel für die Zeitschrift "Neue Praxis" (2002, Heft 3) setzt er sich kritisch mit der Luhmannschen Systemtheorie als Grundlage für eine Theorie der Sozialen Arbeit auseinander und kritisiert insbesondere die strikte Trennung von sozialen, psychischen und biologischen Systemen. Sein Artikel schließt mit den folgenden Bemerkungen: „Die von Luhmann vorlegte Theorie sozialer Systeme bietet aufgrund ihrer Selbsteinschränkung auf ein kommunikationstheoretisch gefasstes Verständnis des Sozialen eine notwendige, aber keine hinreichende Grundlage für Theorien der Sozialen Arbeit. Es handelt sich um eine soziologische, insbesondere gesellschafts-, organisations- und interaktionstheoretische Grundlegung, die einen psychologischen sowie einen normativen Erweiterung bedarf. Dafür, wie eine solche Erweiterung jenseits unsystematischer Kombinatoriken anzulegen ist, wie also die Theorie sozialer Systeme in einer Theorie der Sozialen Arbeit überführt werden kann, bieten die Begriffe symbiotische Mechanismen, Koppelungsmechanismen und strukturelle Koppelung bedeutsame Ansatzpunkte. Diese sind aber erst noch systematisch zu entfalten. Insofern gilt: Further research is needed, und dies nicht nur im Sinne quantitativer und qualitativer Forschung, sondern auch in Richtung auf weitere Klärungen der begrifflichen Grundlagen von Theorien der Sozialen Arbeit.“ Zum vollständigen Text…
Wednesday, April 30. 2014
 Im Carl-Auer-Verlag ist ein interessanter Band über "Organisation und Intimität" erschienen, der den "Umgang mit Nähe im organisationalen Alltag – zwischen Vertrauensbildung und Manipulation" zum Thema hat. Enthalten sind Beiträge von Sabine Donauer, Peter Fuchs, Beat Fux, Olaf Geramanis, Peter Heintel, Urs Kaegi, Stephan Kasperczyk, Franz Kasperski, Karin Lackner, Brigitte Liebig, Stephan Marks, Susanne Möller-Stürmer, Uwe Sielert, Marianne Streisand, Robindro Ullah und Rudolf Wimmer. Dessen hochspannender Beitrag zur Frage, "Wie familiär sind Familienunternehmen?" ist auch online zu lesen, und zwar hier…
Monday, April 28. 2014
S  o fragte Jochen Schweitzer 1996 ironisch in einem Artikel über die Chancen und Fallstricke der Teamsupervision (die auch heute noch zu besichtigen sind). Der Text ist 1996 im von A. Bentner und S.J. Petersen bei Campus herausgegebenen Band „Neue Lernkulturen in Supervisionen“ erschienen und wurde 2001 in „systhema“ nachgedruckt, wo er auch online zu lesen ist. Der Titel entspringt einem Gedankenspiel, das den Text einleitet: „Karl Marx hat 1843 in der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie einige Gedanken zur gesellschaftlichen Funktion der Religion im damaligen Deutschland formuliert. Mir scheint, dass einige davon viel über die gesellschaftliche Funktion von Teamsupervision aussagen, wenn man nur wenige Wörter austauscht. Wenn wir bei Marx (…) ,Religion' durch ,Teamsupervision' sowie ,Volk' durch ,Mitarbeiter' ersetzen und die Worte ,institutionell' und ,konzeptionslos' hinzufügen, können wir dort Folgendes lesen: ,Das Elend der Teamsupervision ist in einem der Ausdruck des wirklichen institutionellen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Teamsupervision ist der Seufzer der bedrängten Mitarbeiter, das Gemüt einer herzlosen institutionellen Welt, wie sie der Geist konzeptionsloser Zustände ist. Die Teamsupervison ist das Opium der Mitarbeiter. Die Aufhebung der Teamsupervision als des illusorischen Glücks der MitarbeiterInnen ist die Forderung ihres wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusion über ihren Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Teamsupervision ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Teamsupervision ist“. Viel Vergnügen beim Lesen, und zwar hier…
Friday, April 18. 2014
 Vom 6.-8. März fand in Heidelberg die erste internationale Forschungstagung statt, veranstaltet vom Institut für Medizinische Psychologie an der Universität Heidelberg in Kooperation mit der EFTA, der DGSF, der SG und dem Helm-Stierlin-Institut, geleitet von Jochen Schweitzer und Matthias Ochs. Angesichts der Tatsache, dass die Veranstaltung auf Englisch abgehalten wurde, war sie erstaunlich gut besucht und im Ergebnis sehr erfolgreich. Mittlerweile ist der größte Teil der Präsentationen (Vorträge, Workshops, Poster) auch online zugänglich und kann auf der Seite www.systemisch-forschen.de heruntergeladen werden.
Monday, April 14. 2014
J  ürgen Kriz hat sich zu diesem Thema 2001 auf dem 4. Weinheimer Symposium in Osnabrück Gedanken gemacht , die in Heft 3/2001 auch in "systhema" abgedruckt worden sind. Im abstract heißt es: „Statt einer abstrakten Definition werden zunächst einige Narrationen aus unterschiedlichen Perspektiven zur Klärung des Begriffs ,Intuition’ vorgetragen, diskutiert und daraus wesentliche Aspekte resümiert. Sodann wird gezeigt, wie schwer sich unsere abendländische Kultur auf Prozesse der Intuition einlassen kann. Dies liegt an ihrem Fokus auf verdinglichende Sprache sowie an ihren Metaphern und Prinzipien aus der klassischen, mechanistischen Wissenschaft – die aber unsere Alltagswelt durchdrungen hat und mit verflochten ist. Demgegenüber fällt es im Rahmen der modernen systemwissenschaftlichen Theorienbildung und Diskussion wesentlicher leichter, Prinzipien der Intuition angemessen zu erörtern. Anschließend wird, im Hinblick auf die Praxis, dafür plädiert, zur Förderung von Intuition in stärkerem Maße imaginative Vorgehensweisen in der Therapie zu berücksichtigen.“ Zum Volltext geht es hier…
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