Wednesday, June 2. 2010
 Andreas Rothkegel ist Gestalttherapeut mit systemischer Ausbildung und arbeitet als Berater in der ProFamilia-Beratungsstelle Köln. Für den Jahresbericht der Stelle hat er einen sehr lesenswerten Aufsatz über Scham- und Schuldgefühle im Schwangerschaftskonflikt verfasst, der in der Systemischen Bibliothek des systemagazin einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird: "In einem Schwangerschaftskonflikt nehmen Scham- und Schuldgefühle für viele Frauen und Paare eine zentrale Rolle ein. Für die Konfliktberatung ist es deshalb von Bedeutung, diese Gefühle und ihre Hintergründe zu thematisieren. Das Ansprechen dieser eher unangenehmen Themen erleichtert es Klientinnen jedoch letztlich, in einem Schwangerschaftskonflikt eine Entscheidung zu treffen, mit der sie auch in Zukunft leben können." Zum vollständigen Text…
Thursday, April 15. 2010
 Heute findet in Meilen die Trauerfeier für Rosmarie Welter-Enderlin statt, die am 4.4.2010 im Alter von 75 Jahren gestorben ist. Auf dem Kongress zum 20-jährigen Jubiläum der ÖAS in Wien hielt sie 2006 einen Vortrag zum Thema "Was wir hätten aufnehmen und vertiefen können", der auch als eine Art von Resümé oder Bilanz über ihr Wirken gelesen werden kann und der in der Systemischen Bibliothek des systemagazin nachzulesen ist. Das Original ist auf der website der ÖAS erschienen. Zum vollständigen Text des Vortrages…
Saturday, March 20. 2010
 Auf der Systemischen Forschungstagung vom 3.-4.3.2010 hat Thorsten Veith vom Institut für systemische Beratung in Wiesloch (Foto: systemische-professionalitaet.de) ein Dissertationsprojekt vorgestellt, in dem es zum einen darum geht, Führungskräfte für das Thema Gesundheit in Organisationen zu sensibilisieren sowie den Umgang mit sich selbst zu reflektieren und „persönliche Gefahrenzonen“ zu identifizieren. Zum anderen geht es um die Frage, welchen Anforderungen Führungskräfte im Unternehmen heute begegnen, welchen Veränderungen sich Führungskräfte in den dynamischen Umwelten ausgesetzt fühlen und welche Dimension Gesundheit damit für die Organisation hat.  Kooperationspartner ist Prof. Jochen Schweitzer von der Sektion Medizinische Organisationspsychologie des Instituts für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Heidelberg auf wissenschaftlicher Seite sowie die Heidelberger Druckmaschinen AG als Forschungsfeld. Die Hintergründe dieses Projektes sind in einem Bericht von Thorsten Veith und Jochen Schweitzer für die Zeitschrift Personalwirtschaft zusammengefasst, die diese dankenswerterweise zur Veröffentlichung in der Systemischen Bibliothek des systemagazins zur Verfügung gestellt hat. Zum vollständigen Text…
Monday, February 8. 2010
 "In einem multiperspektivischen Erklärungsansatz der Konstruktion von Krankheiten bilden die vorgestellten systemischen Konzepte grundlegende Bausteine eines Verständnisses gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Kontext der Wirkungsfelder Gesellschaft, Familie und Individuum. Bei der Betrachtung von Krankheiten kommen, wie durch ein „Teleskop“, unterschiedliche Teile (Bausteine) des Gesamtsystems ins Blickfeld, während sich andere außerhalb des Blickfeldes des wissenschaftlichen Beobachters befinden. Jede dieser Annäherungsweisen leistet im Rahmen eines multiperspektivistischen Konzeptes einen spezifischen Beitrag", so die Zusammenfassung eines Abschnittes aus Jürgen Beushausens Dissertation über "Die Konstruktionen von Gesundheit und Krankheit im sozialen System Familie. Theorie und Empirie" aus dem Jahr 2002, der auch in der Systemischen Bibliothek im systemagazin zu lesen ist. Vorgestellt werden in diesem Zusammenhang die Theorie operational geschlossener Systeme von Niklas Luhmann, der psychosomatische Ansatz von Thure von Uexküll, die Theorie interaktioneller Spielregeln und Symptombildung nach Fritz B. Simon, die Theorie problemdeterminierter Systeme nach Kurt Ludewig sowie der Mehr-Ebenen-Ansatz von Jürgen Kriz. Zum vollständigen Text…
Friday, January 15. 2010
 1992 hat Klaus G. Deissler die Herausgeberschaft für die "Zeitschrift für systemische Beratung und Therapie" von Gründer Jürgen Hargens übernommen, nach 18 (!) Jahren übergibt er diese Funktion an Cornelia Tsirigotis, die als langjähriges Mitglied der systhema-Redaktion über große Erfahrungen im Zeitschriftengeschäft verfügt und der wir an dieser Stelle eine glückliche Hand bei der Fortführung und Weiterentwicklung der ZSTB wünschen. Klaus G. Deissler sei vor allem an dieser Stelle zu seiner großen editorischen Leistung gratuliert, mit der er der systemischen Leserschaft seit nunmehr 30 Jahren ein fester Begriff ist (1979 begründete er für die DAF mehr oder weniger im Alleingang den "Kontext"). Die ZSTB wurde unter seiner Ägide ein Sprachrohr für die sozialkonstruktivistische Richtung innerhalb der systemischen Therapie. Wir sind gespannt, ob und wie sich die Zeitschrift zukünftig wieder mehr für die verschiedenen Strömungen im systemischen Feld öffnen wird. Jedenfalls hat sich schon einmal das Format geändert: ähnlich wie die Familiendynamik wird auch die ZSTB zukünftig im Großformat erscheinen. Zum Abschied von Klaus Deissler hat Bodo Pisarsky ein Interview mit ihm geführt, das das neue Heft eröffnet und das mit freundlicher Erlaubnis des Verlages in der Systemischen Bibliothek des systemagazins zeitgleich mit dem neuen Heft erscheint. Zum Volltext des Interviews…
Monday, January 11. 2010
 Thomas Friedrich-Hett ist seit 20 Jahren in psychiatrischen Kliniken tätig und arbeitet seit langem in der Tagesklinik für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie im Westfälischen Zentrum Herten (mit dem Schwerpunkt Depressionsbehandlung und Memoryklinik). Darüber hinaus ist er freiberuflicher Referent, Moderator, Berater und Supervisor und Lehrtherapeut (SG) am ViISA-Institut in Marburg. In der Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung hat er einen Aufsatz über klinische Perspektiven des Alterns geschrieben, der jetzt auch in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist: "Weit verbreitete negative Altersbilder scheinen im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung Fähigkeitsverluste zu begünstigen und ältere Menschen an der Entwicklung ihrer Potentiale zu behindern. Die existierende Unterversorgung Älterer im psychotherapeutischen Versorgungsbereich scheint u.a. darin begründet, dass Therapeuten die unangemessenen gesellschaftlichen Altersmythen übernehmen, und ältere Menschen entgegen wissenschaftlichen Befunden für untherapierbar halten. Anhand von Erfahrungen des Autors in der psychotherapeutischen Arbeit mit über 50jährigen Menschen in einer spezialisierten Tagesklinik sollen aus einer systemischen Perspektive wichtige Bestandteile für eine erfolgreiche Behandlung älterer Menschen reflektiert werden. Psychotherapeuten könnten und sollten bei der Verwirklichung positiverer Altersbilder Beiträge leisten. Systemische Therapie kann hierzu wichtige Haltungen und Methoden anbieten." Zum vollständigen Text…
Friday, December 18. 2009
 Unter diesem Titel eröffnete Bernd Schmid 2007 die erste Tagung des von ihm mitbegründeten "Forum Humanum", einem "Aktionsbündnis zur Neubelebung von Kreativität und Gestaltungskraft in menschengerechten Organisationen", in dem sich Wissenschaftler und Praktiker aus unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft zusammengeschlossen haben. Sein Vortrag ist nun auch in der Systemischen Bibliothek zu lesen: "wenn wir davon ausgehen, dass in der Wirtschaft und speziell in Organisationen der homo öconomicus am Werk ist, der nach persönlicher Optimierung alleine strebt, müssen wir uns um ein ausgeklügeltes Steuer- und Kontroll-System kümmern, damit dennoch Gemeinschaftsleistungen herauskommen. Wenn wir Organisationen als Ort, an dem Menschen zuhause sind, relevante Bindungen und Wertschätzungen erleben, einen Ort, an dem die Menschen Identität und Selbstverwirklichung leben wollen, müssen wir uns um Organisationskulturfragen kümmern. Die Implikationen und Konsequenzen sind dramatisch verschieden." Zum vollständigen Text…
Friday, December 11. 2009
In der "System Familie" 3/2000 berichtet Anna-Margarete Krätschell aus Berlin einen eindrücklichen Fall aus ihrer Supervisionspraxis, Tilman Allert hat in der gleichen Ausgabe einen Kommentar zu diesem Beitrag mit dem Titel "Die Vergangenheit ist nicht vergangen" verfasst. Beides ist in der Systemischen Bibliothek nachzulesen: "Es wird eine Familie vorgestellt, in der vor dem familiengeschichtlichen Hintergrund der Vernichtung der Vorfahren im KZ sich ein Muster herausgebildet hat, nach dem die Familie (meist mit allein erziehender Mutter) sich nach außen abschließt, nach innen im gemeinsam benutzten Bett die Familiengrenzen auflöst und nach dem schließlich die Toten durch immer wieder neu hinzukommende Kinder ersetzt werden. Im Zentrum der Beratung, ergänzt durch Supervision von Kindergärtnerinnen, die mit der Stummheit von 2 Kindern aus dieser Familie außerhalb ihres Zuhauses nicht zurechtkommen, steht die Ablösung der Mutter von ihrer eigenen Herkunftsfamilie, als deren konkreter erster Schritt die Auflösung des „Familienbetts“ erfolgt. Im Kommentar zu diesem Fallbericht lenkt der Autor den Blick auf den „ungebrochenen Familiengründungsoptimismus“, der jedoch nicht durch eine konsolidierte Paarbeziehung gestützt ist. Stattdessen überlagert das Erinnern der ermordeten Toten die aktuelle Familiensituation, und die Autorin sowie Kommentator sind sich darin einig, dass die Ablösung von der eigenen Herkunftsfamilie der Schlüssel zur Autonomisierung dieses Familiensystems ist." Zum vollständigen Text…
Friday, November 13. 2009
 2000 hat Fritz B. Simon für die "System Familie" die Grundfunktionen der Familie aus systemtheoretischer Sicht skizziert. Der Beitrag ist in der Systemischen Bibliothek im systemagazin zu lesen. Im abstract heißt es: "Die Funktion der Familie kann im Rahmen einer Theorie autopoietischer Systeme als die einer Grenze zwischen der Gesellschaft und einer organischen Umwelt verstanden werden. Mit dem Namen Familie werden dem heutigen Sprachgebrauch nach 2 unterschiedliche Typen von Systemen bezeichnet: ein soziales und ein biologisches System. Ob die familiäre Interaktion biologisch oder kommunikativ zu erklären ist, bleibt für den Beobachter in weiten Bereichen unentscheidbar. Dies eröffnet den Raum dafür, das innerfamiliäre Verhalten von Familienmitgliedern (auch und gerade das Symptomverhalten) sowohl als biologisch als auch als sozial bedingt zu erklären (und in der Folge davon, auch biologisch und/ oder sozial zu therapieren). Die heutige Familie erfüllt eine paradoxe Funktion: In ihr werden „nicht gesellschaftsfähige“, aus dem öffentlichen Raum ausgegrenzte Verhaltens- und Kommunikationsweisen realisiert, die als Elemente der familiären Kommunikation in die Gesellschaft integriert werden." Zum vollständigen Text…
Saturday, November 7. 2009
 "Anders als bei akuten Erkrankungen, wo es oft ausreicht, auf somatischer Ebene zu intervenieren, steht bei lang andauernden Krankheiten der Aspekt der Chronizität im Vordergrund. Damit ist u.a. die Frage angesprochen, wie Krankheit in den sozialen Kontexten des Betroffenen versprachlicht wird, welche kommunikativen Handlungen sich um sie herum entwickeln. Die Frage, die sich auch den Fachleuten selbst stellt, ist, inwieweit die Versprachlichung die Optionen der Betroffenen erweitert oder eingrenzt." Mit dieser Frage haben sich am Beispiel der Asthma-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen Arist von Schlippe und Thomas Lob-Corzilius aus Osnabrück in einem 1993 in der "Familiendynamik" erschienen Beitrag auseinandergesetzt, in dem sie ein interessantes interdisziplinäres familienmedizinisches Modell beschreiben und ein daraus abgeleitetes Konzept „Luftiku(r)s“ zur Betreuung asthmakranker Kinder vorstellen. Ihr Aufsatz ist nun auch in der Systemischen Bibliothek zu lesen. Zum vollständigen Text…
Saturday, October 31. 2009
 In einem Text von 1989, der in der "Familiendynamik" erschien und nun auch in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist, setzt sich Wolf Ritscher auf theoretische wie sehr persönliche Weise mit dem Thema des Todes auseinander: "Die Verleugnung und Ausgrenzung von Tod und Sterben verdankt sich dem gesellschaftlichen Mythos von Fortschritt und technologischer Machbarkeit. Der Tod ist hier ein „skandalon“, indem er die existentiell nicht hintergehbare Grenze des Menschen betont. Im „Mythos der Macht“ (Bateson) kehrt die gesellschaftliche Verleugnung wieder: Machtstreben, Allmachtsphantasien und ein Nichtbedenken der eigenen Endlichkeit sind seine Stützen. In von Intimität und Dichte gekennzeichneten Familienbeziehungen liegt es nahe, dem Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen durch kommunikative Tabuisierung zu entgehen. Der Autor beschreibt, wie bei ihm selbst eine jahrelang blockierte Trauer in therapeutischen Kontexten er– und damit die Gestalt geschlossen werden konnte. Zum Abschluss wird auf eine ethische Folgerung verwiesen, welche der Tod als Symbol für die Begrenztheit unserer Erkenntnis nahelegt: Toleranz." Zum vollständigen Text…
Sunday, June 28. 2009
 Am Donnerstag bekam ich eine schöne Mail von Peter Müssen, der anlässlich der Erinnerung an Michael Foucaults Tod vor 25 Jahren in seinem Archiv gekramt und spontan einen schönen Text über Foucault und Steve de Shazer für die Systemische Bibliothek beigesteuert hat, den er 1995 in systeme veröffentlicht hat. Es geht dabei um die Lebenskunst in Ethik und Therapie: "Um Veränderung, die erfreut oder sogar beglückt, und um Lebenskunst, die zu erfreulichen Veränderungen führt, als gemeinsamem Anliegen der Ethik Michel Foucaults und der Kurzzeittherapie Steve de Shazers soll es gehen; und es handelt sich dabei natürlich um eine Beobachterperspektive, aus der heraus der Versuch gewagt wird, zwei so unterschiedliche Autoren vergleichsweise miteinander in Verbindung zu bringen, zumal de Shazer selbst in einer mündlichen Auskunft den Einfluß Foucaults auf seine Arbeit als minimal eingeschätzt hat. Aus den eigenen Vorannahmen, Verstehensweisen und Intentionen heraus (…) will ich dennoch versuchen, eine Konvergenz zu konstruieren, die sich von einem 'tertium comparationis' leiten läßt, das durch die Stichworte 'Veränderung' und 'Lebenskunst' markiert wird." Vielen Dank, Peter! Zum vollständigen Text…
Sunday, June 14. 2009
Unter diesem Titel beschrieb Arndt Linsenhoff im Jahre 2000 in "System Familie" einen Prozess der Qualitätsentwicklung, "den die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einer „Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle mit Anerkennung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz“ genommen haben. Am Ausschnitt der psychologischen und der Schwangerschaftskonfliktberatung wird illustriert, welche Überlegungen zu Qualitätskriterien angestellt und wie Stundenbögen als angemessene Methodik entwickelt wurden, um von den Klienten und Klientinnen Rückmeldungen zur Beratungsqualität zu bekommen. Die Herausforderungen eines solchen Prozesses, förderliche Bedingungen und die Früchte eines solchen Vorgehens werden dargelegt." In der Systemischen Bibliothek ist der Aufsatz nachzulesen, hier geht es zum vollständigen Text…
Thursday, June 4. 2009
 In der Systemischen Bibliothek ist heute ein Originalbeitrag von Jürgen Beushausen zu lesen, der sich für einen komplexen, integrativen Zugang bei der Konstruktion von Gesundheit und Krankheit ausspricht: "Der Konstruktivismus und die Systemtheorien bilden die erkenntnistheoretischen Grundlagen des hier diskutierten multiperspektivischen Ansatzes. Bei einem systemtheoretischen Verständnis von Gesundheit und Krankheit sind die Erkenntnisse neuerer Systemtheorien aufzunehmen, da diese auf die Subjekteigenschaft des Beobachters Bezug nehmen, während in „klassischen“ systemischen Ansätzen Luhmannscher Prägung die Person in der Theorie eliminiert wird. Systemtheoretiker wie z.B. Kriz (1999) und Schiepek (1999) fordern die Wiedereinführung der Person in die Theorie, um die Subjekthaftigkeit zu betonen und lassen neben der Rekursivität Linearität und Kausalität bei der Betrachtung des Ineinandergreifens von Systemen zu. Die Aufnahme dieser Theorien ist notwendig, um den Spalt zwischen den Systemtheorien Luhmannscher Prägung und einer subjektorientierten Forschung zu überbrücken. In diesem Prozess ist Erkenntnis und Erkenntnisgewinn nicht wertfrei, sondern von „Erkenntnisinteressen“ (J. Habermas) bestimmt. Dieser Sichtweise folgend, ist auch eine Definition von Gesundheit und Krankheit in erheblichem Maße von soziokulturellen Interessen und Kontexten bestimmt. Gesellschaftliche Interessengruppen definieren und bewerten, was krank und gesund ist, Gesundheit und Krankheit sind sozial konstruiert." Zum vollständigen Text…
Monday, May 25. 2009
 Wie wird „Fallverstehen in der Begegnung“ dokumentiert? Welche professionelle Anforderungen, praktische Umsetzungen und unvermeidliche Paradoxien kommen auf die Beteiligten Forscher und Berater zu? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Arbeit von Urban M. Studer und Bruno Hildenbrand (Foto), die 2000 in der "System Familie" erschien und in der Systemischen Bibliothek des systemagazin nachzulesen ist: "Das grundlegende Strukturproblem bei der Dokumentation von Beratungs- und Therapieprozessen lässt sich in das Paradox fassen, dass eine Einrichtung und das dort handelnde Personal in dem Maße angreifbar wird, in dem der Grad der Gründlichkeit einer Dokumentation steigt. Insbesondere führt eine hohe Präzision der Dokumentation dazu, dass jener Grad an Vagheit verloren geht, der erforderlich ist, um – bei nicht vorhersehbaren und nicht planbaren Anlässen – das eigene Handeln anhand der Akten rechtfertigen zu können. Vor diesem Hintergrund ist Weiterbildung in Dokumentation ein prekäres Unterfangen. Ein Qualitätssprung ist schon dadurch zu erwarten, dass diese Schulung als Prozess gestaltet wird, innerhalb dessen die erwähnte, nicht hintergehbare Paradoxie zur Sprache kommt. Damit wird v. a. ein Unterlaufen dieser Paradoxie verhindert, und die Akteure werden entlastet." Zum vollständigen Text…
Wednesday, May 13. 2009
 "Früher oder später macht jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter diese Erfahrung: Ergebnisse einer Arbeit, am Anfang noch mit Nachdruck in Auftrag gegeben, sind am Ende nicht mehr gefragt oder verschwinden unbeachtet. Für vergebliche Auftragserledigungen kann es viele Gründe geben. Das Interesse an einem Projekt wird von anderen Interessen überholt und versandet. Der Widerstand gegen die Ausführung erweist sich als zu hoch und die Unterstützung in der Organisation als zu gering. Woanders wurden Entscheidungen gefällt, die die Ausführung obsolet machen. Die Beauftragung war lediglich ein politisch-taktischer Zug und inhaltlich beliebig. Jemand sollte beschäftigt werden, weil es z.Zt. sonst keine Verwendung für ihn gibt. Die Führung hat gewechselt und bezieht sich nicht mehr auf vorangegangene Absprachen. Vergebliche Arbeit kommt vor in Organisationen und ist nicht zu vermeiden. Im Gegenteil, Aufgabenteilung und Handeln in der Hierarchie setzen auf Unabhängigkeit und Beweglichkeit. Die Autonomie der Organisation entsteht genau dadurch, dass nicht jede Person zu jedem Zeitpunkt über alles informiert werden und mitentscheiden muss. Aber was passiert, dass jemand mit ihren oder seiner Aufgabe 'abgehängt' wird?" Edelgard Struß hat sich auf ihre gewohnt kluge, perspektivenreiche und elegante Art und Weise mit diesem Thema beschäftigt und einen brillianten Originalbeitrag für die Systemische Bibliothek im systemagazin verfasst, der in regelmäßigen Abständen erneut gelesen werden sollte: von allen, die mit Arbeit zu tun haben (und wer hat das nicht)! Zum vollständigen Text…
Thursday, April 30. 2009
 Die Verbindung von Bioethik und Pädagogik spielt in den momentanen Diskursen zur Reproduktionstechnologie keine zentrale Rolle. Alex Aßmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz und neuer systemagazin-Autor, hat sich aber in seinem "Plädoyer für eine Debatte" über Bioethik – Posthumanismus – Pädagogik genau unter diesem Gesichtspunkt mit der Frage auseinandergesetzt: "Wollen wir wirklich, dass der Nachwuchs so gerät, wie wir ihn uns gewünscht hatten?". In seinem Originalbeitrag für die Systemische Bibliothek im systemagazin lautet sein Fazit: "Wünschen wir sowohl dem Menschen als Gattung, die über eine kulturell überlieferte Vergangenheit verfügt und sich kontinuierlich auch in die Zukunft projiziert, als auch insbesondere unseren Kindern eine Gesellschaft, in der unter der Zeugung einer nachkommenden Generation ein vorrangig politischer und technokratischer Sachverhalt gemeint ist? Welche positive kulturelle (und damit prinzipiell tradierungswürdige) Bedeutung hat für uns die Tatsache, dass weder die Zeugung und die Schwangerschaft, noch die biologische Ausstattung unserer Kinder planbar sind und wie lässt sich dies begründen? Worin soll der Nutzen für unsere Kinder bestehen, an dieser Bedeutung auch zukünftig festzuhalten, das heißt: eigenständig zu einem Umgang mit den genannten Problemen zu finden? Wollen wir durch die Geburt und die biologische Anlage unserer Kinder nicht mehr überrascht werden, wollen wir tatsächlich, dass Kinder in ihrer biologischen Ausstattung unseren Erwartungen entsprechen? Wenn es möglich ist, diese Fragen zu beantworten, dann ist es auch möglich, Gewissheit darüber herzustellen, was die künstliche und planmäßige Reproduzierbarkeit des Menschen für „Verhältnisse und Verhalten“ (vgl. Mollenhauer 1996, S. 28 f.) nach pädagogischen Maßgaben zu bedeuten haben und haben werden. Ein erster Schritt wäre damit getan, pädagogisch Position zu aktuellen Sachverhalten der reproduktionsmedizinischen und gentechnologischen Forschung zu beziehen." Zum vollständigen Text…
Friday, March 27. 2009
 In einem Online-Artikel des deutschsprachigen "China Observer" ist am 22.3. ein Artikel über die Verleihung des Sigmund-Freud-Preises an deutsche und chinesische Psychotherapeuten auf dem Weltkongress für Psychotherapie in Peking erschienen: "Bis in die späten Achtzigerjahre spielte die Psychologie in der Praxis kaum eine Rolle in China. Im Oktober 2008 erhielten deutsche und chinesische Psychotherapeuten in Peking auf dem Weltkongress für Psychotherapie den “Sigmund-Freud-Preis”. Dabei wurden ihre hervorragenden Beiträge im Rahmen eines langjährigen Ausbildungsprogramms in China gewürdigt." Im Mittelpunkt stand dabei die Aktivität von Margarete Haaß-Wiesegart (Foto: china-observer.de), die sich seit den 70er Jahren um einen deutsch-chinesischen Fachaustausch über die klinische psychotherapeutische Praxis bemüht hat. In der Systemischen Bibliothek im systemagazin ist ein Gespräch über die ersten Weiterbildungsprogramme in systemischer Therapie und die therapeutische Arbeit mit Familien in China zu finden, dass Bruno Hildenbrand und Tom Levold als Herausgeber von "System Familie" mit Margarete Haaß-Wiesegart, der damaligen Präsidentin der deutsch-chinesischen Akademie für Psychotherapie und Mitorganisatorin eines umfangreichen deutsch-chinesischen schulenübergreifenden Weiterbildungsprojektes, und Fritz B. Simon als aktivem Lehrtherapeut in diesem Projekt, führen. Auch wenn inzwischen neun Jahre vergangen sind und die deutsch-chinesische Kooperation auch in Psychotherapie-Fragen nicht mehr ganz so spektakulär wie in den 90er Jahren ist, bietet das Gespräch doch nach wie vor interessante Einblicke in die interkulturellen Schwierigkeiten und Chancen, die mit der Einführung systemischer Sichtweisen auf Kommunikationsprobleme in eine ganz andere Kultur verbunden waren (und sicher auch noch sind). Zum vollständigen Text…
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Sunday, March 8. 2009
 Harold Garfinkel (Foto phenomenologyonline.com), mittlerweile 91 Jahre alt, ist der Begründer der Ethnomethodologie, einer in den 70er-Jahren populären sozialwissenschaftlichen Schule (die zu Unrecht in den vergangenen Jahren in den Hintergrund gerückt ist), die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie sich Menschen in den sozialen Strukturen der alltäglichen Lebenswelt wechselseitig orientieren und nach dem ihnen selbstverständlich scheinenden Alltagswissen handeln. Im Unterschied zu gleichgesinnten Theoretikern hat Garfinkel die Frage der Konstruktion der sozialen Wirklichkeit immer auch als empirische Fragestellung verstanden. In seinem 1967 erschienenen Buch "Studies in Ethnomethodology" wurde der Beitrag "„Good“ organizational reasons for „bad“ clinic records" erstmals veröffentlicht. Im Jahre 2000 erschien eine von Astrid Hildebrand besorgte Übersetzung in "System Familie" und kann in der Systemischen Bibliothek des systemagazin nachgelesen werden. In diesem schönen Text geht es um die Frage, welchen Sinn die in Bezug auf die Erzählung einer Krankenbehandlung oftmals dürftigen psychiatrischen Krankengeschichten dennoch in Hinblick auf die verborgenen "kontraktuellen" Aspekte des Behandlungsprozesses im Kontext psychiatrischer Organisationen haben. Es handelt sich also um einen spannenden Beitrag zum Diskurs, wie über die Konstruktion der Krankengeschichte eines konkreten Patienten als eines optimal unbestimmten Falles den Notwendigkeiten einer klinischen Organisation (und Dokumentation) Rechnung getragen werden kann: "Das für Krankengeschichten gültige Interpretationsschema kann grundsätzlich von überall her bezogen werden. Es kann sich mit dem Lesen jedes einzelnen Items verändern; es kann sich mit den Zielsetzungen des Forschers verändern, wenn er aus den Dokumenten, auf die er stößt, einen Fall machen möchte; es kann sich „im Lichte der Verhältnisse“ verändern und sich mit den notwendigen Anforderungen verändern. Herauszufinden, zu entscheiden oder darüber zu streiten, in welcher Beziehung der Sinn eines Dokuments zum „Ordnungsschema“ steht, bleibt voll und ganz dem Urteil des Lesers überlassen, wie er dies in einem spezifischen Fall, gemäß dem Fall, im Licht seiner Zielsetzungen, im Licht seiner sich verändernden Absichten, im Lichte dessen, was er allmählich herausfindet, usw. für geeignet hält. Die Bedeutungen der Dokumente verändern sich als Funktion des Versuchs, diese zu einer Aufzeichnung eines Falles zusammenzufassen. Anstatt im Vorhinein darzulegen, worüber es in einem Dokument überhaupt gehen könnte, wartet man ab, bis man erkennt, worauf man in den Krankengeschichten stößt, und daraus „fertigt“ man, findet man buchstäblich das, worum es in dem Dokument überhaupt ging. Dann kann der Leser erkennen, ob Kontinuität, Konsistenz und Kohärenz zwischen dem Sinn des einen Dokuments und dem eines anderen Dokuments bestehen – oder nicht. In keinem Fall werden dem Leser Einschränkungen auferlegt, um im Vorhinein zu rechtfertigen oder kundzutun, was in der Krankengeschichte wofür Bedeutung hat oder welchen Dingen er in Bezug auf was Bedeutung beimessen wird oder nicht." Zum vollständigen Text…
Tuesday, February 24. 2009
Es lohnt sich immer wieder, sich dem Thema Fremdheit und Überwindung kultureller Grenzen über Falldarstellungen und Fallanalysen zu nähern. Lorenz Lunin hat 2000 als Mitarbeiter des Schulärztlich-Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Zürich den Fall einer "Systemischen Beratung in einem fundamentalistischen Kontext" in "System Familie" vorgestellt, der jetzt in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist. Im Abstracts heißt es: "Im beschriebenen Fall verdichten sich mehrere beraterisch bedeutsame Themenbereiche: die (Re-) Migration einer bikulturellen Familie, religiös motivierte Kindesmisshandlung und Fragen um Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten im Spannungsfeld von kulturell, religiös und weltanschaulich heterogenen und widersprüchlichen Anforderungen. Durch die Migration und durch unterschiedliche Bewältigungsversuche ihrer Eltern entstehen für die älteste Tochter, die beim schulpsychologischen Dienst wegen „Schwermütigkeit“ und Lernschwierigkeiten angemeldet wird, Loyalitätskonflikte innerfamiliärer, kultureller und religiöser Art, die ihre Identitätsentwicklung gefährden. Sie, die vom Vater misshandelt wird, fühlt sich ihm gleichzeitig nahe und sorgt sich wegen seiner zunehmenden Isolation um ihn. Vom Berater wird deshalb die Mitarbeit des vom Umfeld dämonisierten Vaters aktiv angestrebt und gleichzeitig versucht, der Mutter ein Gegenüber zu sein, ohne mit ihr in eine Koalition gegen den Vater einzutreten. Dabei können keine raschen oder spektakulären Lösungen angestrebt werden. Vielmehr werden mit den Familienmitgliedern Handlungsspielräume innerhalb der bestehenden Lebenswelt ausgelotet und es wird – im Spannungsfeld zwischen Freiwilligkeit und Kontrolle – versucht, Veränderungen im Dialog und nicht durch strafrechtliche Maßnahmen zu erzielen. Zum vollständigen Text…
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