Sunday, December 2. 2007
 Heute wird Jürgen Hargens 60 Jahre alt. Dazu möchte ich ihm an dieser Stelle von ganzem Herzen gratulieren und muss gleich dazu sagen, dass ich, wie wohl auch viele andere, von seinem Geburtstag erst durch die Würdigung erfahren habe, die Wolfgang Loth in der aktuellen Ausgabe von systhema veröffentlicht hat. Obwohl Jürgen Hargens durch seine vielen Publikationen sehr bekannt ist, zeigt das doch auch, dass er eher kein Mensch ist, der das Rampenlicht sucht. Auf Kongressen treibt er sich jedenfalls nicht sehr häufig herum. Ich selbst bin ihm nur ein einziges Mal persönlich begegnet, obwohl wir seit fast 25 Jahren miteinander in Kontakt sind, mal enger, mal weniger eng. Das hat vielleicht auch mit seiner norddeutschen Randlage und einer ausgeprägten Bescheidenheit zu tun. Wie auch immer, beides könnte dazu beitragen, dass der Beitrag von Jürgen für die Entwicklung der Systemischen Therapie in Deutschland heute womöglich unterschätzt werden könnte. Aus diesem Grund will ich meine Glückwünsche mit einem kleinen Sprung in das Jahr 1983 verbinden, dass bald 25 Jahre zurück liegt. Am 7.1.1983 schrieb mir Jürgen Hargens einen Brief, schon damals mit dem Norderweg 14 in 2391 Meyn als Absender (Jürgen ist ein seßhafter Mensch). Ein Brief, der mich ebenso erfreute wie völlig überraschte, da ich noch nie von Jürgen Hargens gehört hatte, und in dem es hieß: „Sehr geehrter Herr Levold, ich werde dieses Jahr die ,Zeitschrift für systemische Therapie‘ herausgeben, die erste Ausgabe aller Voraussicht nach in diesem Frühjahr. Da sich gegenwärtig kein Verlag bereit zu finden scheint, ein derartiges Vorhaben zu unterstützen, werde ich die ganze Sache zunächst alleine machen müssen, d.h. planen, entwerfen, drucken, verschicken und finanzieren. Ich wende mich an Sie mit der Frage, ob und ggf. in welchem Maße Sie Interesse hätten, an dieser Zeitschrift mitzuarbeiten. Bisher wird die Zeitschrift in Zusammenarbeit mit dem ,Journal of Strategie and Systemic Therapies‘ entstehen unter Mitwirkung (d.h. als Mitglieder des ,editorial advisory board‘) einiger nordamerikanischer und nordeuropäischer Fachleute. Aus dem deutschen Sprachraum habe ich bisher erst einen Mitarbeiter gewinnen können. Ich weiß wohl, daß meine Angaben sehr dürftig sind, denke aber, daß eine Entscheidung dennoch möglich sein kann. Ich bin an Mitarbeitern interessiert, die zum einen als ,ständige Mitarbeiter‘ fungieren und damit - zum anderen - Manuskripte lesen und bewerten, potentielle Autoren ansprechen, Informationen etc. geben, selbst Beiträge verfassen und ,last not least‘ zur Verbreitung der Zeitschrift beitragen.“ Damals noch mit freundlichen Grüßen, auf die für Jürgen heute so kennzeichnende „friedliche Grüße“ ist er erst später gekommen. Etwas zurückhaltend misstrauisch erwiderte ich, dass ich das Projekt mehr als interessant fände, aber zunächst wolle ich wissen, wie er überhaupt auf mich gestoßen sei. In seiner prompten Anwort schrieb er: „Ich habe von Ihnen durch Herrn D. Roloff (Hannover) erfahren. Persönlich sind wir uns (jedenfalls bewußt) nicht begegnet. Herr Roloff verwies auf Unzufriedenheiten einiger DAF-Mitglieder hinsichtlich der ,systemischen Therapie‘ und erwähnte in diesem Zusammenhang die ,Kölner Gruppe um Tom Levold‘. Ihre Anschrift ließ sich dann dem DAF-Mitgliederverzeichnis entnehmen.“ Über sich selbst schrieb Jürgen: „Zu meinem Kontext: ich arbeite als ,Klinischer Psychologe‘ in meiner kleinen Praxis und bemühe mich, systemische Ansätze in die Praxis umzusetzen (mit einem befreundeten Kollegen).“ Jürgen war damals 35, ich 29. So einfach war es damals, etwas Neues und Bahnbrechendes auf die Schiene zu setzen. So entstand dann eine für mich sehr wertvolle Zusammenarbeit mit Jürgen Hargens an der „Zeitschrift für Systemische Therapie“, die sehr schnell zur wichtigsten Ressource für die eigenständige Etablierung der Systemischen Therapie in Deutschland wurde - gerade auch in Abgrenzung zur Familientherapie (worauf sich auch die zitierte „Unzufriedenheit“ bezog). Ein Verlag wurde gefunden („modernes lernen in Dortmund“) und die Zeitschrift entwickelte sich zum produktivsten und diskussionsfreudigsten Medium der systemischen Szene in den 80er Jahren. Dies in die Wege geleitet zu haben, ist das große und alleinige Verdienst von Jürgen Hargens, das heute, wo der Systemische Ansatz im engeren Sinne eine enorme Bandbreite an Darstellungs- und Veröffentlichungsmöglichkeiten hat, vielen jüngeren KollegInnen wahrscheinlich nicht mehr so richtig klar sein dürfte. In der Systemischen Bibliothek erscheint heute aus Anlass des 60. Geburtstages von Jürgen Hargens ein Text von Cornelia Tsirigotis, die aus ihrer persönlichen Perspektive schildert, wie Hargens Idee des „Unerschrockenen Respektierens“ sie schon lange in ihrer eigenen Arbeit begleitet. Eine Hommage, die zeigt, dass diese Idee in ihre Praxis so eingesickert ist, dass sie sich gewissermaßen verselbstständigt hat und der Bezug auf den Urheber nur noch implizit vorgenommen wird. Kann es ein besseres Beispiel für Wirksamkeit geben? Lieber Jürgen, von Deiner Initiative, Deiner Neugier, Deinen internationalen Verbindungen, Deiner Beharrlichkeit und auch Deiner Sperrigkeit haben wir alle (und natürlich auch Du) sehr viel profitiert. Auch wenn Du Deinen Geburtstag im Stillen feierst und Dir nur einen freien Dezember gönnst, möchte ich Dir von dieser Stelle aus alles Gute wünschen und uns viele weitere Beiträge aus Deiner Feder. Tom Levold Zur Systemischen Bibliothek…
Tuesday, February 13. 2007
Am 28. Januar ist Ivan Boszormenyi-Nagy (Foto: EFTA-Kongress Berlin 2004) in Glenside, Pennsylvania, im Alter von 86 Jahren gestorben. Er war der Begründer der „kontextuellen Therapie“ und spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Ausdifferenzierung des familientherapeutischen Feldes. Sein Ansatz war vor allem auch in Deutschland einflussreich, wo er viele Anhänger hatte und im Laufe der Jahre zahllose Workshops und Seminare abhielt. Boszormenyi-Nagy wurde am 19.5.1920 in Budapest geboren. Der Vater war - wie viele andere in der Herkunftsfamilie - von Beruf Richter. Der herausragende Stellenwert von Recht und Gerechtigkeit, Schuld und Verdienst im Kontextuellen Ansatz von Boszormenyi-Nagy dürfte hier seine Wurzeln haben. Er kämpfte aktiv gegen die nationalsozialistische, später stalinistische Unterdrückung in seinem Heimatland. Nachdem er 1944 zum Dr. med. an der Universität Budapest promovierte, wurde er 1948 Assistenzprofessor für Psychiatrie und 1949-1950 Konsulent der Internationalen Flüchtlingsorganisation in Salzburg, wo er vielen politisch Verfolgten mit Gutachten half, zu überleben. Aufgrund eigener Verfolgung emigrierte er 1950 in die USA, wo er eine Forschungsassistenz an der Chikagoer Universität annahm. Nach einem Zwischenspiel in New York gründete er dann gemeinsam mit Geraldine Spark 1957 das Department of Family Psychiatry am Eastern Pennsylvania Psychiatric Institute (EPPI) in Philadelphia, was sich später zum größten Ausbildungszentrum für Familientherapie in den USA entwickelte.
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Thursday, May 18. 2006
 systemagazin begrüßt Volkmar Abt herzlich als neuen Autor. Er rezensiert das Buch von Peter Kruse: "next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität - Veränderung durch Vernetzung" und ist sehr angetan: "Um es gleich vorneweg zu nehmen: Peter Kruses „next practice“ gehört zu der Art von Fachliteratur, die man so schnell nicht mehr aus der Hand legt, hat man einmal angefangen zu  lesen. Peter Kruse schafft es, das höchst komplexe Thema „Change-Management“ so aufzubereiten, dass man Lust bekommt, die Inhalte und Erkenntnisse aus der Lektüre sofort auf alltägliche Veränderungskontexte und insbesondere natürlich auf professionelle Begleitungen von Veränderungsprozessen zu übertragen: Das nächste „Change-Projekt“ dürfte sehr davon profitieren." Zur vollständigen Rezension…
Wednesday, May 17. 2006
 Die Systemische Bibliothek im systemagazin wird um einen Beitrag von Alexander Trost und Franz Wienand erweitert: " Praxis der lösungsorientierten Kurztherapie mit Familien in der kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis", erstmals veröffentlicht in: Forum der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 10 /2 (2000). Alexander Trost ist Kinder- und Jugendpsychiater und Professor an der Kath. Fachhochschule Aachen für das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie. Weitere Beiträge von ihm für systemagazin werden in nächster Zukunft folgen.
Wednesday, May 10. 2006
Das Autorenverzeichnis von systemagazin wird ab sofort um Angelika Beck bereichert, die das Buch von Reinhard Voß (Hrsg.): "Unterricht aus konstruktivistischer Sicht. Die Welt in den Köpfen der Kinder" bespricht, das 2005 im Beltz-Verlag erschienen ist: "Ein Buch, das wie ein bunter Strauß auf Vielfalt setzt, deren Mitte eine veränderte Haltung des/der Lehrenden ausmacht – eine Haltung, die die LernerInnen als Konstrukteure ihrer Welt ernst nimmt, dem Lernstoff die interessanten Seiten abgewinnt und Spielräume im von vielen als eng erlebten Raum der Institution auslotet. Die Lektüre macht Lust auf Unterricht, und das sowohl für Anfänger und Berufseinsteiger als auch für KollegInnen, die auch nach Jahren neugierig darauf sind, Routinen zu durchbrechen und Handlungsoptionen dazu zu gewinnen".
Monday, May 8. 2006
 Oliver König, der an dieser Stelle von systemagazin herzlich als neuer Autor begrüßt wird, steuert einen Beitrag zur Systemischen Bibliothek bei mit dem Titel " Vom Nutzen der Gruppendynamik für die Supervision", der in "DGSv aktuell" 2004 erstveröffentlicht wurde. Weitere Neuzugänge in der Systemischen Bibliothek sind: Viel Spaß bei der Lektüre!
Sunday, April 30. 2006
systemagazin freut sich, die deutsche Erstveröffentlichung eines langen Gespräches von Kurt Ludewig, systemagazin-Autor und einer der Pioniere der systemischen Therapie in Deutschland, mit Humberto Maturana präsentieren zu können, der Anfangs der 80er Jahre die Entwicklung des systemischen Ansatzes in Europa stark beeinflusst hat. Dieses Gespräch ist in spanischer Sprache erstmals 1992 in Chile als Buch erschienen, eine erste deutsche Übersetzung wurde 1994 von José R. Rama-Souto angefertigt, die aus unterschiedlichen Gründen nicht veröffentlicht wurde.
Kurt Ludewig, der selbst aus Chile stammt und sich schon als Übersetzer des Bestsellers von Maturana und Franciso Varela "Der Baum der Erkenntnis" Verdienste um die Verbrereitung des Werkes von Maturana erworben hatte, hat im Jahre 2006 diese Übersetzung (71 Seiten, PDF) vollständig überarbeitet und Teile neu übersetzt. Gegenstand des Gespräches zwischen ihm und Maturana sind die Fragen und Themen aus dem "Baum der Erkenntnis". Auch wenn der Beitrag Maturanas für die Entwicklung der systemischen Theorie in geschichtlicher Perspektive aufgrund der verstärkten Rezeption der Theorie Luhmanns (zu der Kurt Ludewig wiederum ebenfalls wichtige Beiträge geleistet hat) seit Ende der 80er Jahre zunehmend in den Hintergrund getreten ist, stellt der vorliegende Text eine wichtige Quelle beim Studium der Geschichte des systemischen Ansatzes dar. Ich freue mich daher besonders, dass Kurt Ludewig sich entschieden hat, als Forum für die Erstveröffentlichtung dieser Arbeit das systemagazin zu wählen und danke ihm herzlich für die damit verbundene Arbeit. Den Leserinnen und Lesern dieses Gespräches wünsche ich eine anregende Lektüre. Tom Levold
Sunday, April 23. 2006
Liebe Leserinnen und Leser,
ich freue mich, Ihnen den mit 24 Jahren derzeit vermutlich jüngsten systemagazin-Autoren Alexander Löcher aus Chemnitz vorstellen zu können, Student der Politikwissenschaft, Soziologie und Interkulturellen Kommunikation an der TU Chemnitz, der einen schönen Rezensionsaufsatz über das frühe Buch (1981) von Niklas Luhmann über "Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat" zur systemischen Bibliothek im systemagazin beisteuert. Viel Spaß bei der Lektüre Ihr Tom Levold
Wednesday, April 19. 2006
Als neue Autorin und Rezensentin für das systemagazin möchte ich an dieser Stelle Dagmar Wiegel aus Köln vorstellen. Als Coach und Organisationsberaterin bespricht sie in erster Linie Bücher, die für BeraterInnen im Organisationsbereich von Interesse sind. Ihre Rezensionen sind bislang im Online-Portal MW-online erschienen, dem an dieser Stelle für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung herzlich gedankt sei. Nach der Besprechung von David Kletts Buch über "paradoxe Anforderungen an Familienunternehmen und ihre Unternehmensfamilien" ist hier als neue Besprechung eine Rezension von ihr über den Band von Fritz B. Simon, Rudolf Wimmer und Torsten Groth zu lesen:
"Mehr-Generationen-Familienunternehmen. Erfolgsgeheimnisse von Oetker,
Merck, Haniel u. a."
Ihr Resümee: "Lesenswert! Ein Beginn, sich Unternehmen anders zu nähern als rein unter der Berücksichtigung der Bilanz, ein mutiger Schritt hinter die Fassaden der Unternehmen zu blicken. Hier auch mutig von den gefragten Familienunternehmern selbst, die sich auf das Risiko einließen, in gewissem Rahmen Internes preiszugeben, was – angesichts der Regeln dieses Unternehmenstypus – besonders erstaunlich ist. Der Rezensentin hat es Mut gemacht, sich durch scheinbar selbstverständliche Grundsätze auch in anderen Themenbereichen, nicht abschrecken zu lassen, genau diese zu hinterfragen und nach möglichen – evtl. sogar sinnvolleren - Alternativen zu suchen".
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