Sunday, November 8. 2009
ICH IN DER WANNE DU AM SPIEGEL DUFT VON RASIERSCHAUM BADESCHAUM DEIN RASIERMESSER EIN SILBERFISCH BEREIT FÜR DEN SCHNITT SO DICHT AM BLUT MICH UMKLAMMERT DIE ANGST DICH ZU VERLIEREN UNSERE ZEIT IST KNAPP FÜREINANDER DANN EIN KLECKS RASIERSCHAUM AUF MEINER NASE TRAUER UND HOFFNUNG KINDLICHER SELBSTBETRUG DIE ZEIT STEHT EINE SEKUNDE ICH ZIEH DEN STÖPSEL ERBARMUNGSLOS FLIEßT DIE HOFFNUNG DAVON AM WANNENRAND KLEBT EIN RAND AUS ANGST VIELLEICHT SOLLTE ICH NUR NOCH DUSCHEN (Jens Borrmann, " Wasserflecken")
Sunday, November 1. 2009
ICH LIEBE DEINE STIMME.
DEN KLANG, WIE DU DEINEN NAMEN SPRICHST.
ICH KANN SIE SO OFT HÖREN, WIE ICH WILL.
DAZWISCHEN DER PIEPTON.
DAS IST WIRKLICH ETWAS GUTES AN EINEM ANRUFBEANTWORTER.
(Jens Borrmann, "Kopfsprung")
Sunday, October 25. 2009
ZWEI GESCHLECHTER GIBT ES.
BEGRENZTE AUSWAHL.
ENTWEDER WAR EVOLUTION ZU GEIZIG
ODER
SIE AHNTE UNSER VERSAGEN IM VORAUS
VERSCHWENDUNG HAT KEINEN PLATZ IN DER NATUR.
EINS UND EINS MACHT ELF.
(Jens Borrmann, "Kopfsprung")
Sunday, October 18. 2009
ICH SPENDE MEIN HERZ FÜR DIE, DENEN ES FEHLT.
ICH SPENDE MEINE LUNGE FÜR DIE, DIE ABTAUCHEN.
ICH SPENDE MEINE AUGEN FÜR DIE, DIE WEGSEHEN.
ICH SPENDE MEINE BEINE FÜR DIE, DIE SICH NICHT BEWEGEN WOLLEN.
ICH SPENDE MEINE HÄNDE FÜR DIE, DIE NICHTS BEGREIFEN.
ICH SPENDE MEINE HAUT FÜR DIE, DIE SICH EINIGELN.
ICH SPENDE MEINE STIMMBÄNDER FÜR DIE, DIE SCHWEIGEN. ICH SPENDE MEINE NASE FÜR DIE, DIE SICH NICHT RIECHEN KÖNNEN.
ICH SPENDE MEINE OHREN FÜR DIE, DIE NICHT ZUHÖREN.
(Jens Borrmann, "Kopfsprung")
Sunday, October 11. 2009
DIE NATUR GIBT NOCHMAL RICHTIG GAS.
FARBEN IM ÜBERDRUSS.
DAS LAUB DUFTET NACH ABSCHIED.
ES WIRD ZEIT NACH HAUSE ZU GEHEN.
ANKOMMEN. MIT DER LIEBSTEN EINEN KAKAO TRINKEN.
ABENDS GREIFT DER WINTER NACH UNS.
KEINE CHANCE,
DAFÜR IST DER KAKAO VIEL ZU SÜß.
(Jens Borrmann, "Kopfsprung")
  Jens Borrmann  aus Chemnitz ist Erzieher, Sozialarbeiter und Supervisor sowie Lehrtherapeut und 1. Vorsitzender am Sächsischen Institut für Systemische Beratung und Therapie. Neben seiner Tätigkeit im Beratungs- und Weiterbildunggeschäft schreibt er Gedichte, von denen bereits zwei bei Lyrikwettbewerben prämiert worden sind. Im Eigenverlag sind 2009 zwei Gedichtbände erschienen ("Kopfsprung" und "Wasserflecken"), die auch über Amazon erhältlich sind. Ich freue mich, an diesem und den kommenden Sonntagen bis Dezember ausgewählte Gedichte von Jens Borrmann veröffentlichen zu dürfen.
Friday, August 21. 2009

Mist. Drei zuviel.
Thursday, August 20. 2009

Siebzehn Worte schreibe ich auf dies leere Blatt, acht hab' ich bereits vertan, jetzt schon sechzehn und es hat alles längst mehr keinen Sinn, ich schreibe lieber dreißig hin: Dreißig.
(Aus: Robert Gernhard. Reim und Zeit. Gedichte. Philipp Reclam Verlag Stuttgart)
Friday, June 5. 2009
 Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn - aber abends zum Kino hast dus nicht weit. Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit: Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn! Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn, Radio, Zentralheizung, Vakuum, eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm, eine süße Frau voller Rasse und Verve - (und eine fürs Wochenend, zur Reserve) - eine Bibliothek und drumherum Einsamkeit und Hummelgesumm. Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste, acht Autos, Motorrad - alles lenkste natürlich selber - das wär ja gelacht! Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd. Ja, und das hab ich ganz vergessen: Prima Küche - erstes Essen - alte Weine aus schönem Pokal - und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal. Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion. Und noch ne Million und noch ne Million. Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit. Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit. Ja, das möchste! Aber, wie das so ist hienieden: manchmal scheints so, als sei es beschieden nur pöapö, das irdische Glück. Immer fehlt dir irgendein Stück. Hast du Geld, dann hast du nicht Käten; hast du die Frau, dann fehln dir Moneten - hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer: bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher. Etwas ist immer. Tröste dich. Jedes Glück hat einen kleinen Stich. Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. Daß einer alles hat: das ist selten.
(Kurt Tucholsky 1927)
Tuesday, May 12. 2009
 raufgesprungen runterpardauzt von der frau dafür angeschnauzt gut gegessen zufrieden gekackt grundlos im genick gepackt bloß wegen des blumenvasenbesuchs aufspüren eines feinen geruchs dreckeimer nach käserinden durchsucht von der frau dafür angeflucht nicht übel genommen heftig geschnurrt und ihr ein liedchen ins ohr gegurrt Eva Demski
Sunday, October 5. 2008
In meiner Vorbereitung auf den seinerzeitigen Glücks-Kongress des Weinheimer Instituts für Familientherapie stieß ich durch Zufall auf Stücke aus dem Nachlass eines mir bis dahin unbekannten Autors. Diese Stücke aus dem Nachlass entpuppten sich als Reflexionen und Gedichte zum Glück, passten also haargenau zum Thema des Kongresses, auf den ich mich vorbereitete. Zum Autor selbst konnte ich nur bruchstückhafte Informationen herausfinden. Die Person, über die ich an den Nachlass gekommen war, wusste nichts Näheres, interessierte sich auch nicht sehr dafür, konnte nur sagen, dass der Autor Hieronymus Heveluk heiße, was vermutlich ein Pseudonym sei, und seit einigen Jahren verschollen. Weder zu Herkunft noch weiterer Vita verfüge er über Informationen. Man kann sich vorstellen, dass mich das neugierig machte. Meine weiteren Recherchen blieben bislang jedoch weitgehend ohne Erfolg. Gesichert scheint bislang nur, dass Heveluk offenbar Wert darauf legte, keine Spuren zu hinterlassen. Das Auffinden dieser Stücke aus dem Nachlass muss daher als ein Zufall betrachtet werden. Da sich die Stücke jedoch im weitesten Sinne auch auf unser Metier beziehen lassen und daher den einen oder die andere interessieren könnten, hier ein Beispiel aus dem Nachlass: Sysiphus zum Glück "Wenn zum Glück der Sysiphus auf halbem Wege einmal muß, dann läßt er den Stein wie er ist, sein, nützt eh‘ kein Verdruß. Und während er muß, denkt Sysiphus an den Mythos, nicht sicher, ob Stuß oder Weisheit darin verborgen; wes Geistes Kind, andere Sorgen, bleibt irgendwie eine Rätselnuß. Wenn Sysiphus, zum Glück befragt, zögert, was er dazu sagt; an Kratylos‘ Finger denkt, wenn’s dem nach ginge, dem Zeiger des ewigen Schaukelns der Dinge... naja, zuckt die Schulter: wem’s behagt..." Wie gesagt, die geistige Heimat von Heveluk ließ sich noch nicht stichhaltig erforschen, vielleicht kann auf diesem Wege ja der eine oder andere Hinweis zustande kommen. Ein, wie mir scheint, recht ökonomisches Stück zum Glück findet sich ebenfalls im Nachlass: "Glück und sein Enigma waren schon immer da. So bleibt zum Glücke stets eine Lücke".
Saturday, August 23. 2008
Siebenmal mein Körper Mein Körper ist ein schutzlos Ding, wie gut, daß er mich hat. Ich hülle ihn in Tuch und Garn und mach ihn täglich satt. Mein Körper hat es gut bei mir, ich geb' ihm Brot und Wein. Er kriegt von beidem nie genug, und nachher muß er spein. Mein Körper hält sich nicht an mich, er tut, was ich nicht darf. Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang, ihn machen Körper scharf. Mein Körper macht nur, was er will, macht Schmutz, Schweiß, Haar und Horn. Ich wasche und beschneide ihn von hinten und von vorn. Mein Körper ist voll Unvernunft, ist gierig, faul und geil. Tagtäglich geht er mehr kaputt, ich mach ihn wieder heil. Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank, er tut mir manchmal weh. Ich bring ihn trotzdem übern Berg und fahr ihn an die See. Mein Körper ist so unsozial. Ich rede, er bleibt stumm. Ich leb ein Leben lang für ihn. Er bringt mich langsam um. (Robert Gernhard, Reim und Zeit. Gedicht, Reclam 2005)
Monday, June 9. 2008

Ach, wär ein IchCapriccio über den Trennungsstrich in Liebe und LyrikAch, wär ein Ich und nicht nur dieses Äch- zen von gestanz- tem und verspanntem Blech, nicht nur das Quiet- schen ausgefranster Bowdenzüge, lieber ein Lied- chen, das mich außer Landes trüge, am liebsten Liebe, die - wie kurz sie sei - statt hier bei Brunch mit Lie- und Bi-Bedienerei, Mundwinkelküssen, achtlos appliziert, auf Stehimbissen, wie? von wem? ich weiß nicht, eingeführt - Ach, wär ein Ich, und Ihr, Madame, mit mir zusammen im Gesträuch: ich e i n m a l rich- tig in und Ihr gesammelt außer Euch. (Aus: Wenn - aber dann. Vorletzte Gedichte. Rowohlt , Reinbek 1999. Foto: Rowohlt)
Sunday, February 10. 2008
KinderhymneAnmut sparet nicht noch Mühe Leidenschaft nicht noch Verstand Daß ein gutes Deutschland blühe Wie ein andres gutes Land Daß die Völker nicht erbleichen Wie vor einer Räuberin Sondern ihre Hände reichen Uns wie andern Völkern hin. Und nicht über und nicht unter Andern Völkern wolln wir sein Von der See bis zu den Alpen Von der Oder bis zum Rhein. Und weil wir dies Land verbessern Lieben und beschirmen wir's Und das liebste mag's uns scheinen So wie andern Völkern ihrs.
Monday, November 26. 2007
Im Abendrot Wir sind durch Not und Freude Gegangen Hand in Hand: Vom Wandern ruhen wir beide Nun überm stillen Land. Rings sich die Täler neigen, Es dunkelt schon die Luft, Zwei Lerchen nur noch steigen Nachträumend in den Duft. Tritt her und laß sie schwirren, Bald ist es Schlafenszeit, Daß wir uns nicht verirren In dieser Einsamkeit. O weiter, stiller Friede! So tief im Abendrot, Wie sind wir wandermüde - Is dies etwa der Tod? Joseph von Eichendorff
Saturday, September 15. 2007

Die beiden EselEin finstrer Esel sprach einmal zu seinem ehlichen Gemahl: "Ich bin so dumm, du bist so dumm, wir wollen sterben gehen, kumm!" Doch wie es kommt so öfter eben: Die beiden blieben fröhlich leben. Christian Morgenstern, Galgenlieder
Wednesday, August 1. 2007
Palmström, etwas schon an Jahren, wird an einer Straßenbeuge und von einem Kraftfahrzeuge überfahren. »Wie war« (spricht er, sich erhebend und entschlossen weiterlebend) »möglich, wie dies Unglück, ja -: daß es überhaupt geschah? Ist die Staatskunst anzuklagen in bezug auf Kraftfahrwagen? Gab die Polizeivorschrift hier dem Fahrer freie Trift? Oder war vielmehr verboten, hier Lebendige zu Toten umzuwandeln, - kurz und schlicht: Durfte hier der Kutscher nicht -?« Eingehüllt in feuchte Tücher, prüft er die Gesetzesbücher und ist alsobald im klaren: Wagen durften dort nicht fahren! Und er kommt zu dem Ergebnis: »Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil«, so schließt er messerscharf, »nicht sein kann, was nicht sein darf.« Christian Morgenstern 
Monday, June 11. 2007
Mit den Armen nackt, wie ihr Gewissen, Liegt die Liebste in den Kissen, in den weißen. Frühling hat die Fenster aufgerissen, Sonne rollt den Leib den frühlingsheißen. Mit der Lust von schönen wilden Tieren Kommt die Sonne breit auf allen Vieren, Sonne hat für meine Liebste Zeit; Wie die Katzen liegen sie beisammen, Wie die Katzen, deren Haare Funken flammen. Max Dauthendey (1867-1918, Foto: Wikipedia)
Monday, May 7. 2007
 Glück und Unglück, die rasch uns und überwältigend treffen, sind sich im Anfang, wie Hitze und Frost bei jäher Berührung, kaum unterscheidbar nah. Wie Meteore aus überirdischer Ferne geschleudert, ziehen sie leuchtend und drohend die Bahn über unseren Häuptern. Heimgesuchte stehen betroffen vor den Trümmern ihres alltäglichen, glanzlosen Daseins. Groß und erhaben, zerstörend, bezwingend, hält Glück und Unglück, erbeten und unerbeten, festlichen Einzug bei den erschütterten Menschen, schmückt und umkleidet die Heimgesuchten mit Ernst und mit Weihe. Glück ist voll Schauer, Unglück voll Süße. Ungeschieden scheint aus dem Ewigen eins und das andre zu kommen. Groß und schrecklich ist beides. Menschen, ferne und nahe, laufen herbei und schauen und gaffen halb neidisch, halb schaudernd, ins Ungeheure, wo das Überirdische, segnend zugleich und vernichtend, zum verwirrenden, unentrinnbaren, irdischen Schauspiel sich stellt. Was ist Glück? Was ist Unglück? Erst die Zeit teilt beide. Wenn das unfaßbar erregende, jähe Ereignis sich zu ermüdend quälender Dauer wandelt, wenn die langsam schleichende Stunde des Tages erst des Unglücks wahre Gestalt uns enthüllt, dann wenden die Meisten, überdrüssig der Eintönigkeit des altgewordenen Unglücks, enttäuscht und gelangweilt sich ab. Das ist die Stunde der Treue, die Stunde der Mutter und der Geliebten, die Stunde des Freundes und Bruders. Treue verklärt alles Unglück und hüllt es leise in milden, überirdischen Glanz. Dietrich Bonhoeffer (geschrieben im KZ Buchenwald, Juni 1944)
Sunday, April 15. 2007
Heute kein systemagazin-Eintrag: Zu schön der sommerliche Schluss der Osterferien, als dass man hätte arbeiten können. Aber doch noch ein Frühlingsgedicht: Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel: Die Wolke wird mein Flügel, Ein Vogel fliegt mir voraus. Ach, sag mir, all-einzige Liebe, Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe! Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus. Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen, Sehnend, Sich dehnend In Lieben und Hoffen. Frühling, was bist du gewillt? Wann werd ich gestillt? Die Wolke seh ich wandeln und den Fluß, Es dringt der Sonne goldner Kuß Mir tief ins Geblüt hinein; Die Augen, wunderbar berauschet, Tun, als schliefen sie ein, Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet. Ich denke dies und denke das, Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was; Halb ist es Lust, halb ist es Klage; Mein Herz, o sage, Was webst du für Erinnerung In golden grüner Zweige Dämmerung? - Alte unnennbare Tage! Eduard Mörike
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