Monday, February 28. 2011
 Schaut man dieser Tage nach Nordafrika und Arabien, ist man überwältigt angesichts der Aufbruchsstimmung, die sich überall regt und den Mehltau der Stagnation der vergangenen drei Jahrzehnte abschüttelt. Eine bedeutsame Rolle spielt dabei die emotionale Dynamik. Durch eine unglaubliche Affektansteckung hat sich innerhalb kürzester Zeit Resignation in Wut und Hoffnung verwandelt und kann auch durch die Verbrechen der Diktatoren nicht mehr zum Stillstand gebracht werden. In seinem neuesten Buch "Gefühle machen Geschichte. Die Wirkung kollektiver Emotionen - von Hitler bis Obama", das durch die Ereignisse der letzten Wochen eine überraschende Aktualität erhalten hat, setzen sich Luc Ciompi und Elke Endert mit den emotionalen Resonanzphänomenen in Politik und Geschichte auseinander. systemagazin bringt das Kapitel 5 des Buches ("Die gemeinschaftsbildenden Wirkungen von positiven Gefühlen"), das in den nächsten Tagen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erscheint, als Vorabdruck. Zum volllständigen Text…
Sunday, February 27. 2011
Heute geht für mich eine unglaubliche schöne und intensive Tagungswoche in Zagora/Marokko zu Ende. Aus diesem Grund fand in dieser Woche auch nicht soviel im systemagazin statt. Die geneigte Leserschaft kann sich aber auf einen Tagungsbericht freuen… 
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Saturday, February 26. 2011
Zur verräterischen Art des Auftretens des Lügenbarons hier ein Interview mit Ulrich Sollmann aus Focus Online. Jürgen Hargens hat einen Kommentar verfasst: „Wertkonservativ waren wir schon immer“Das halten sich Konservative zu gute, die an ihre Werte zu glauben und zu ihnen zu stehen, komme, was da wolle. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Kreise der CDU/CSU und Angela Merkel nach wie vor am Verteidigungsminister festhalten. Denn in der Nachkriegszeit hat schon der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, CDU, klar und deutlich erklärt, was schert mich mein Geschwätz von gestern. In dieser Tradition hat auch zu Guttenberg gehandelt – in der Kundus-Affäre, bei der Abschaffung (oder Aussetzung?) der Wehrpflicht und konsequenterweise auch bei der Verteidigung seiner Dissertation. Insofern handelt es sich um einen wertkonservativen Verteidigungsminister. Versuche der SPD, sich auch in dieser Hinsicht zu profilieren, sind spätestens seit der Äußerung von Müntefering, „Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair!“, als gescheitert anzusehen. Seit die FDP regierungstauglich geworden ist, ist auch sie auf gutem Wege zum Wertkonservatismus, wenn sie nun überlegt, die Steuerbefreiung für Hoteliers vielleicht doch wieder rückgängig zu machen und zu dem bewährten Alten zurückzukehren. Nur Kleingeister folgern daraus, dass man Politkern gar nichts mehr glauben darf. Andere meinen, dass Demokratie sich von Demo oder Demonstration ableitet. Man darf gespannt sein, wie wertkonservative Kreise darauf reagieren. jh
Tuesday, February 22. 2011
Der Bundesverband des Deutschen Hochadels BDH hat auf die Ankündigung von Verteidigungsminister zu Guttenbergs, seinen Doktortitel nicht mehr zu führen, mit Enttäuschung reagiert. Der Adlige sei ihrer Meinung nach durch die Hetzkampagne der letzten Tage bestraft genug. Die Bevölkerung stehe mit überwältiger Mehrheit hinter ihrem Fürsten, was deutlich mache, dass die Frage der Wissenschaftlichkeit der Arbeit für das Volk völlig bedeutungslos sei und ausnahmslos bestimmte linksintellektuelle Kreise interessiere. Der BDH setzt sich für die Schaffung eines Dr. non hc. ein, der leichter zu erwerben sein soll als ein normaler Doktortitel, keine Prüfung von Autorenschaft und Textherkunft erfordert und vor allem für Politiker und andere Prominente eine gute Möglichkeit darstellen soll, ohnehin schon vorhandene Reputation besser zum Ausdruck bringen zu können. Der Verteidigungsminister begrüßte diesen Vorschlag und bedauerte, dass diese Möglichkeit ihm nicht zur Verfügung gestanden habe. Gerne sei er bereit, unter diesen Bedingungen seine beanstandete Arbeit erneut einzureichen. Wie zu hören war, ist trotz diverser Bemühungen seitens des BDH und der Bundesministerin für Bildung und Forschung noch nicht geklärt, welche Universität in Deutschland bereit ist, ihre Promotionsordnung entsprechend zu reformieren.
Monday, February 21. 2011
 "Soziale Systeme einerseits, psychische Systeme andererseits, schließlich auch organische Systeme und mechanische Systeme werden von Luhmann bekanntlich nicht nur kategorial, sondern operational voneinander unterschieden, als grundsätzlich differente Operationssequenzen identifiziert, die füreinander Umwelt darstellen und sich jeweils 'autopoietisch' und 'selbstreferentiell' reproduzieren. Daß sich der Mensch damit in der Umwelt des Sozialen situiert findet, sollen manche humanistischen Gemüter als Skandalon empfunden haben. Die humanistische Kränkung stellt sich letztlich als Konsequenz eines der Tradition der klassischen Soziologie immanenten Geniestreichs dar. Gesucht wird nach einer emergenten Ebene des Sozialen über das Individuelle hinaus: Luhmann findet sie, indem er die symbolischen Ordnungen des Sozialen auf die Akte der Kommunikation zurechnet und diese als extramentale, extrakorporale Sequenzen definiert. Die begriffliche Logik der Luhmannschen Systemtheorie artikuliert eine Logik der Separierung, der Trennung von gegeneinander abgrenzbaren Sphären, der Grenzerhaltung zwischen diesen Sphären, die 'boundary maintaining systems' im Sinnevon Parsons darstellen. Man kann gar nicht genug betonen, wie radikal und ungewöhnlich diese Logik der Separierung, der eindeutigen Grenzziehungen zwischen dem Sozialen/Kulturellen, dem Psychischen und dem Körperlich-Organischen ist. Diese auf den ersten Blick verstörende Perspektive hat Luhmann bekanntlich immer dem auf den 'Menschen' zentrierten Individualismus und Intersubjektivismus der klassischen Handlungstheorien gegenübergestellt. Die Ungewöhnlichkeit und Begrenztheit einer solchen sozialtheoretischen Logik der Trennungen wird jedoch sichtbar, sobald man sie mit den alternativen Kulturtheorien, den 'eigentlichen' Kulturtheorien konfrontiert. Statt der Luhmannschen Logik der Trennungen des Sozialen vom Psychischen, vom Körperlichen und vom Materialen zeigt sich dort eine Logik der Expansion des Sozialen, des Kulturell-Symbolischen bis in die Strukturen des Psychischen, des Körperlichen und letztlich sogar des Mechanischen hinein, eine Logik der Grenzüberschreitung zwischen diesen Sphären. Diese begriffliche Expansion des Kulturellen zielt auf eine die Eindeutigkeit der Grenzen überschreitende 'Verschränkung' des Psychischen, Körperlichen und Mechanischen mit dem Kulturellen. In Anlehnung an einen Begriff Pierre Bourdieus können sich solche Kulturtheorien als verschiedene Versionen einer 'Theorie der Praxis' etikettieren lassen, als Theorien einer 'Logik der Praxis' menschlicher Aktivitäten, jenseits der intellektualistischen 'Logik der Logik'." (In: Andreas Reckwitz: Die Logik der Grenzerhaltung und die Logik der Grenzüberschreitungen: Niklas Luhmann und die Kulturtheorien. In: Günter Burkart & Gunter Runkel (Hrsg): Luhmann und die Kulturtheorie. Frankfurt am Main 2004, Suhrkamp. S. 213-140, S. 218f.; Foto: Europa-Universität Viadrina Frankfurt - Oder).
Sunday, February 20. 2011
Friday, February 18. 2011
 Auf einer Pressekonferenz, die kurzfristig auf dem Bundeswehr-Stützpunkt in Kundus einberufen worden ist, hat Verteidigungsminister von und zu Guttenberg auf überzeugende Weise alle Vorwürfe ausräumen können, er habe eigenhändig in seiner Dissertation fremde Textpassagen als eigene ausgegeben und sich damit eines Plagiates schuldig gemacht. Er distanzierte sich scharf von Textmanipulationen aller Art. "Ich habe mit diesen bedauerlichen und dummen Vorgehensweisen nicht nur nicht das Geringste zu tun, sondern missbillige sie aufs Äußerste", versicherte der Minister vor den Journalisten. Verletzungen der Regeln wissenschaftlichen Zitierens seien unentschuldbar. Dies habe er auch seinem fünfköpfigen Kompetenz-Team, das die Doktorarbeit für ihn verfasst habe, immer wieder nachdrücklich klargemacht. Auch wenn der Fall noch genauer untersucht werden müsse, sei für ihn nach einem Anruf der Bild-Zeitung jetzt schon klar, dass der Kapitän des Kompetenz-Teams versagt habe. Er habe ihn daraufhin mit sofortiger Wirkung aus seinem Amt entlassen. Auf die Frage, warum er überhaupt die Dissertation von anderen habe schreiben lassen, antwortete Guttenberg, ihm habe natürlich an einer hohen Qualität seiner wissenschaftlichen Arbeit gelegen, da habe es know how und qualifizierte Fachkräfte gebraucht: "Meine Reden und Vorträge vor dem Parlament und in der Öffentlichkeit schreibe ich ja auch nicht selbst, sondern dafür ausgebildete Fachkräfte. Das ist bei einer Doktorarbeit ja nicht anders. Da muss man auf die Mitarbeiter vertrauen können. Und wenn ich überhaupt jemanden zitiere, dann sind das die Fachkräfte - zum Rapport."
Thursday, February 17. 2011
 Auf der website von Kenneth Gergen findet sich das Manuskript eines Beitrages, der im von Rolf Balgo herausgegebenen Sammelband "Lernen und Lernprobleme im systemischen Diskurs" erschienen ist ( verlag modernes lernen, Dortmund 2003), in dem es um Erziehung aus sozialkonstruktionistischer Perspektive geht: "Erziehungspraktiken sind üblicherweise mit einem Netzwerk von Annahmen verbunden, das heisst, mit einem Satz von vorläufigen Überzeugungen hinsichtlich der Natur der Menschen, ihrer Fähigkeiten, und ihrer Beziehung zur Welt und zueinander. Im Fall von Erziehung ist der Begriff, um den sich alles dreht, vielleicht der des Wissens. Wie gelangen wir also zu einer Definition bzw. einer begrifflichen Erfassung des Wissens in einer Weise, die erzieherische Prozesse wünschenswert oder erforderlich erscheinen läßt; was ist spezifisch für Wissen, um bestimmten erzieherische Praktiken gegenüber anderen den Vorzug zu geben? Natürlich werden miteinander unvereinbare Begriffe von Wissen zu unterschiedlichen Ansichten über den Erziehungsprozess führen. Wenn wir - wie gewisse Romantiker der Meinung wären - , "das Herz hat Verstand", könnten wir Bücher und Vorlesungen durch intensive Begegnungen sowohl der individuellen wie auch der spirituellen Art ersetzen. Sollten wir uns der Auffassung von Ilongot von Nord-Luzon anschliessen, dass nämlich Wissen gewonnen wird, wenn man von Zorn überwältigt wird oder sich auf die Jagd nach Köpfen macht, dann könnte das formale Unterrichten in der Schule durch Erfahrungen in der Schlacht ersetzt werden. Überzeugungen über das Wissen beeinflussen, rechtfertigen und unterstützen also unsere Erziehungsmethoden. Ausgehend von dieser Bedeutung der grundlegenden Annahmen möchten wir zunächst zwei Kernbegriffe des Wissens skizzieren, die der westlichen Tradition lieb und teuer sind, Begriffe, die auch heute noch einen großen Teil der Erziehungspraktiken beeinflussen, an denen wir teilhaben. Wie wir im Anschluss daran behaupten werden, sind diese eng miteinander verwandten Glaubenssysteme zutiefst problematisch hinsichtlich der Epistemologie wie auch der Ideologie, der sie sich verpflichtet fühlen. Sodann werden wir eine Alternative zu diesen Sichtweisen umreißen, und zwar eine Alternative, die sich aus dem Standpunkt des sozialen Konstruktionismus ergibt. Der soziale Konstruktionismus versucht nicht, die traditionellen Sichtweisen zu zerstören, bietet aber eine bedeutende Alternative an. Hierbei eröffnet er zudem eine neue Möglichkeit, die bestehenden Erziehungspraktiken zu verstehen und auch Perspektiven für neue Gebiete von Möglichkeiten." Zum vollständigen Text…
Wednesday, February 16. 2011
 Mit einem Eil-Gesetz hat der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi auf den Flüchtlingsnotstand in Italien reagiert. Am gestrigen Dienstag setzte er mit Hilfe seiner Parlamentsmehrheit den Veränderung der Volljährigkeitsgrenze für ausländische Mädchen von bisher 18 Jahren auf nunmehr 14 Jahre durch. Das Gesetz, demzufolge Kinder ab 14 Jahren legal der Prostitution nachgehen dürfen, gilt rückwirkend ab dem 1.1.2000 und erfasst auch den Fall der bislang als Minderjährige eingestuften Prostituierten "Ruby" aus Marokko. Berlusconi wurde zur Last gelegt, sie und andere Minderjährige für Sex bezahlt zu haben. Er zeigte sich auf einer Pressekonferenz mit dem neuen Gesetz zufrieden: "Wir haben einen guten Beitrag zur Integration der Mädchen aus Nordafrika geleistet, die nun einer sinnvollen Arbeit legal nachgehen, ihre Familien ordentlich ernähren und den Staat von Sozialaufgaben entlasten können. Außerdem wird es der italienischen Justiz endlich nicht mehr möglich sein, mich und andere italienische Männer vor Gericht zu bringen, nur weil wir etwas tun, was richtige Männer tun".
Tuesday, February 15. 2011
 Unter dieser Überschrift versammelt die aktuelle Ausgabe des "Journal of Family Therapy" eine Reihe von Aufsätzen, die ganz der empirischen Therapieforschung gewidmet sind. Unter anderem geht es um "family-focused intervention for children and families affected by maternal depression", "Multidimensional treatment foster care", "Therapeutic alliance and progress in couple therapy", "Predictors of treatment attendance among adolescent substance abusing runaways" und "effects of meeting a family therapy supervision team on client satisfaction in an initial session". Zu den vollständigen abstracts…
Monday, February 14. 2011
 Niemals sind Organisationen so intensiven Veränderungsprozessen ausgesetzt gewesen wie in der heutigen Zeit. Eine beträchtliche Rolle bei der Frage, wie die Mitglieder den Wandel in Organisationen meistern können, spielen die Frage, welche Rolle Rituale zur Ausbalancierung von Veränderung und Stabilität sowie zur Bewältigung von Ungewissheit spielen (können). Johannes Rüegg-Stürm (Foto: Universität St. Gallen) und Lukas Gritsch vom Institut für Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen sind dieser Frage 2001 in einem Diskussionspapier nachgegangen, das die Handhabung von Ungewissheit als eine zentrale Herausforderung des Management von Wandel versteht. Symbole und Rituale haben für sie die Funktion, den an Veränderungsprozessen Beteiligten emotional und kognitiv erfahrbar zu machen, "was im Vollzug des Alltags und des Lebens insgesamt über alle Bruchstellen hinweg von entscheidender Bedeutung ist bzw. immer wieder neu von Bedeutung sein soll". Dennoch lässt sich nicht daraus folgern, dass im Change Management der Einsatz von Ritualen eine Management-Strategie sein könnte: "Einem „ Management von Ritualen“ wird dabei eine klare Absage erteilt, einerseits aus ethischen Überlegungen und andererseits im klaren Bewusstsein für die Grenzen der Machbarkeit beim Management sozialer Prozesse. Es wäre geradezu blanker Zynismus und die Spitze eines sozialtechnokratischen Managementverständnisses (vgl. hierzu Ulrich 1984), wenn auf diese Weise vorgetäuscht würde, auch die weichen Faktoren liessen sich beliebig „in den Griff zu bekommen“. Nicht eine weitere Steigerung von Herrschaftswissen von Menschen über Menschen ist das Kernanliegen dieses Beitrags, sondern eine Sensibilisierung für Rituale und deren Bedeutung und Wirkung in tiefgreifenden Veränderungsprozessen von Unternehmungen." Zum vollständigen Text…
Sunday, February 13. 2011
Saturday, February 12. 2011
 Peter Fuchs gehört zu denjenigen unter den Systemtheoretikern und Luhmann-Schülern, die sich am hartnäckigsten mit der Frage nach der Psyche und psychischen Systemen auseinandersetzen. Im Carl-Auer-Verlag erscheint in diesem Frühjahr sein neues Buch, das sich mit der Systemtheorie der Psychotherapie beschäftigt. Wie Fritz Simon in seinem Vorwort schreibt, ist es kein Buch im eigentlichen Sinne, sondern das Transkript eines Gesprächskreises: "Was hier dokumentiert wird, ist ein Privatissimum. Darunter versteht man in der akademischen Welt eine Lehrveranstaltung in einem entspannten und informellen Kreis weniger, handverlesener Teilnehmer. Und insofern wird (zumindest ansatzweise) reinszeniert, was auch in der Psychotherapie geschieht: Die Verwaltung vager Dinge (zu denen Psychotherapie ja zweifellos gehört)." Mit dieser Art der Darstellungsart wird nicht jeder glücklich sein, da die dokumentierten Gespräche doch gelegentlich etwas stark die Aura einer Meister-Schüler-Unterweisung zelebrieren, für manche mag es den Zugang zu theoretisch abstrakten Konzepten erleichtern. Was sich jedoch auf jeden Fall festhalten lässt: In diesem Band werden eine Vielzahl eindrucksvoller, origineller, mitunter heilsam verstörender Thesen und Einsichten zur systemtheoretischen Bestimmung von Psychotherapie entwickelt, an denen wir als systemische TherapeutInnen nicht vorbei können. Zu wünschen wäre, dass dies die erlahmte Diskussionskultur im systemischen Feld gerade in Zeiten der Orientierung am "wissenschaftlichen Mainstream" beflügeln könnte. Eine entscheidende These von Fuchs ist hier die Abgrenzung der Psychotherapie von der Medizin, die in erster Linie mit codierten bzw. codierbaren Problemen zu tun habe (was sich dann in Klassifikationen wie etwa dem ICD niederschlägt. Dagegen ist "die Funktion der Psychotherapie (…)situiert im Kontext einer funktional differenzierten Gesellschaft, die jede Einheitsprätention, jedes Bestehen auf eineindeutigen Identitätsbestimmungen prekär macht. Im Blick auf psychische Systeme fallen dabei (Leidensdruck erzeugende) Unschärfeprobleme an, auf die sich dann die Psychotherapie bezieht, indem sie nichtcodierte und nichtcodierbare Probleme nicht codifiziert, sondern gelten lässt – durch Strategien, die zu viablen Identitätskonzepten führen, innerhalb deren es möglich wird, mit Unschärfen zu leben." Eine solche Sichtweise hat nachhaltige Auswirkungen auf Fragen der Problemkonstruktion, der Diagnostik und des therapeutischen Prozesses, die im weiteren Verlauf des Buches behandelt werden. Als Vorabdruck präsentiert systemagazin das Kapitel über "Die Funktion der Psychotherapie" …
Friday, February 11. 2011
 Im Jahre 2001 haben Ute und Ulrich Clement einen Beitrag für die "Familiendynamik" über Beziehungen von "Doppelkarriere-Partnern" verfasst, dessen Manuskript auch auf der website von Ulrich Clement heruntergeladen werden kann: "Beziehungen von Doppelkarriere-Partnern haben aufgrund ihrer symmetrischen Struktur spezifische Herausforderungen zu bewältigen. Im Gegensatz zu komplementär organisierten traditionellen Beziehungen stehen ihnen keine kulturell präformierten Regulationsmuster zur Verfügung. Es werden Konflikte an der Außen/Innen-Schnittstelle zwischen Beruf und Familie, und an der Innen/Innen-Schnittstelle des Ausgleichs zwischen den Partnern untersucht. Ansätze von Lösungsperspektiven setzen an der Gestaltung der Ressourcenorganisation und des inneren Aushandlungsprozesses solcher Beziehungen an. Als Schlüsselkompetenz wird dabei der Umgang mit der kritischen Ressource Zeit gesehen." Zum vollständigen Text…
Wednesday, February 9. 2011
 In der Mediathek des Bayrischen Rundfunks findet sich ein Video des Systemtheoretikers Armin Nassehi, in dem dieser kurzweilig über die Macht der Gesellschaft als "Gesellschaft mit beschränkter Haftung": "Wir leben in einer Gesellschaft, in einer koordinierten Welt. Normalerweise machen wir uns darüber keine Gedanken. Doch allein die Tatsache, dass wir mit der U-Bahn fahren können oder Kaffeekochen, ist erstaunlich" (Link-Tipp von Dirk Kowalis). Zum Video…
Dieser Fragestellung widmet sich eine Befragung, aus der eine Dissertation hervorgehen soll und die im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Innovative Konzepte der Personal- und Organisationsentwicklung in Beratungsunternehmen“ (IPOB) unter Leitung von Prof. Dr. Michael Mohe an der Universität Oldenburg erstellt wird. Hierfür wird Ihre Unterstützung erbeten. Wie können Sie helfen? Sie können helfen, indem Sie 10 Minuten für die Forschung investieren und diesen Online-Fragebogen bis zum 25.02.2011 ausfüllen. Für Ihre Teilnahme an der Studie erhalten Sie eine zusammenfassende Auswertung der Ergebnisse. Alle Ihre Angaben werden anonymisiert und streng vertraulich behandelt! Für Rückfragen steht Ihnen der Doktorand Dipl.-Soz. Daniel Dorniok zur Verfügung.
Tuesday, February 8. 2011
 "Vom 11. - 13. 10. 2010 fand zum 16ten Mal die sogenannte Herbstakademie in einer kleinen aber feinen Runde von rund 40 Teilnehmern statt. Die Herbstakademie kann als interdisziplinäres Forum von Wissenschaftlern verstanden werden, die ihre Arbeit in den Kontext der synergetischen Systemtheorie stellen. Sie findet seit 1990 in ein- oder zweijährigem Abstand statt und ist von Prof. Günter Schiepek, Prof. Wolfgang Tschacher und Prof. Ewald Johannes Brunner begründet worden. 2010 fand die Tagung, wie auch schon einige Male zuvor, in Jena statt, diesmal in den schönen Rosensälen der Friedrich Schiller-Universität Jena direkt am altehrwürdigen Fürstengraben. Sie wurde veranstaltet von Prof. Ewald Johannes Brunner, Prof. Karsten Kenklies und Prof. Wolfgang Tschacher in Kooperation mit dem Forschungszentrum "Laboratorium Aufklärung" (www.fzla.uni-jena.de) und dem Frege-Centre for Structural Sciences (www.frege.uni-jena.de). Das Thema war diesmal „Selbstorganisation von Wissenschaft“ - ausgehend von der Annahme, dass sowohl die Einzelwissenschaften als auch der Wissenschaftsbetrieb als solcher auf Selbstorganisationsprozessen beruhen und dementsprechend Eigendynamiken entwickeln." So beginnt ein ausführlicher und sehr informativer Tagungsbericht von Matthias Ochs, den dieser auf der von ihm betreuten website systemisch-forschen.de veröffentlicht hat. Zum vollständigen Text…
Monday, February 7. 2011
 In der öffentlichen Wahrnehmung ist in den vergangenen Jahrzehnten die Aufmerksamkeit für das Thema Kinder und Krieg in erster Linie auf das Schicksal der Kindersoldaten gelenkt worden. Zwar dürfte klar sein, dass die Lebenslage von Kindern aus der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten immer massiv durch das Kriegsgeschehen beeinflusst wird, aber dennoch ist ihre Situation wenig erforscht und kaum im Fokus der Öffentlichkeit. Die Dringlichkeit der Beschäftigung mit dieser Frage liegt aber auf der Hand, vor allem angesichts der Tatsache, dass es sich immer weniger um Kriege zwischen Staaten und Armeen handelt als um dauerhafte, oft langwierige bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Einheiten, die auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen werden: "Es ist bekannt, dass im Lauf des 20. Jahrhunderts die Quote der Zivilisten an den Kriegsopfern anstieg; sie wird in aktuellen Konflikt mit etwa 90 % angegeben.Seit 1996 hat die Zahl in Kriegen getöteter Kinder diejenige der gefallenen Kombattanten übertroffen", schreibt Johanna Fleischhauer, die 2008 eine bemerkenswerte Studie über die Situation von Kindern unternommen hat, die im Krieg oder in kriegsnahen Konfliktsituationen in Eritrea geboren und aufgewachsen sind. Ich kenne kaum ein Buch, in dem auf 400 Seiten so viel über die konkrete Lebenssituation von Kindern und Erwachsenen in einem kriegsgebeutelten afrikanischen Land zu erfahren ist wie in diesem Band. Es führt uns vor Augen, wie ignorant wir doch im allgemeinen selbst als Tageszeitungsleser mit der Lebenssituation in den afrikanischen Kriegsregionen umgehen (in einem Exkurs geht Fleischhauer auch auf die psychosoziale Situation von Kindern in der Geschichte dreier anderer afrikanischer Länder ein: Mosambik, Südafrika und Ruanda). Vor allem aber zeigt er uns, dass Peace Building nicht bei politischen Maßnahmen und wirtschaftlicher Unterstützung stehen bleiben darf, sondern darüber hinaus verstärkt die Mikro-Ebene psychosozialer Gemeinschaft in den Blick nehmen muss. Und das ist angesichts der auf uns zu kommenden Entwicklungen in der Welt ein so wichtiger Befund, dass das Buch auch denen empfohlen werden muss, die sich bislang noch nicht mit diesem Thema befasst haben. Zur vollständigen Rezension…
Saturday, February 5. 2011
"...In der Soziologie und Psychologie der 1940er bis Mitte der 1970er Jahre, mithin im sozialwissenschaftlichen Denken der organisierten Moderne, kam dem Identitätskonzept ein andersartiger Stellenwert zu als in den hochmodernen Kultur- und Sozialwissenschaften seit den 70er und 80er Jahren. Diese Bedeutungsverschiebung gilt sowohl für das Konzept personaler wie für das kollektiver Identität(en). Wie läßt sich dieser Bedeutungswandel der Identitätssemantik in den Sozialwissenschaften genauer fassen? Man kommt der semantischen Transformation am besten auf die Spur, wenn man zunächst zwischen der Frage nach personalen und der nach kollektiven Identitäten unterscheidet und ihre Konzeptualisierung in den 'klassischen' Modellen der 1940er bis 70er und denen seit den 70er Jahren gegenüberstellt. Dann zeigt sich, daß das klassische Identitätskonzept universalistisch und kompetenztheoretisch orientiert und auf das Problem des Verhältnisses zwischen Individuum und sozialen Zwängen sowie das Problem der temporalen Konstanz zentriert war; das hochmoderne Identitätskonzept ist dagegen hermeneutisch und historisch orientiert sowie auf das Problem des kontingenten Selbstverstehens bezogen. Die Semantik ändert sich offenbar mit der gesellschaftlichen Problemlage." (In: Andreas Reckwitz (2001): Der Identitätsdiskurs. Zum Bedeutungswandel einer sozialwissenschaftlichen Semantik. In: Rammert, Werner (Hg.): Kollektive Identitäten und kulturelle Innovationen. Ethnologische, soziologische und historische Studien. 21-38. Leipzig; S. 25)
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