Friday, December 31. 2010
 Das Forschungsinstitut Sinus Sociovision hat für das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend eine Studie zu Einstellungen, Motiven und Kenntnissen des rechtlichen Rahmens von Partnerschaft und Ehe erstellt, die online zu lesen ist. In der Zusammenfassung heißt es: "Mit den gesellschaftlichen Veränderungen der Ehe- und Familienwirklichkeit ist eine gravierende Veränderung des Verständnisses von Ehe (und Familie) verbunden. Die Vorstellung, bei der Ehe handle es sich um eine vom Willen der Partner unabhängige, auf ein ganzes Leben ausgerichtete Institution, ist um eine interindividuelle Sicht auf Ehe und Familie als Gestaltungsaufgabe fruchtbar ergänzt. Verantwortung füreinander ist dabei eng an Liebe gekoppelt – während bestehender Partnerschaft sind Solidarität und fairer Nachteilsausgleich für die Partner wichtig und selbstverständlich. Ob und unter welchen Umständen über das Scheitern der Ehe hinaus nachwirkende Verpflichtungen sinnvoll sein könnten, wird deutlich kritischer hinterfragt. Insofern sind die aktuellen Veränderungen des Unterhaltsrechts, das in den 70er-Jahren die nacheheliche fortwirkende Verantwortung sehr stark gemacht hatte, vom Ehe- und Solidaritätsverständnis der Bevölkerung getragen. Die korrespondierende Frage allerdings, ob die geltenden Regelungen für die bestehende Ehe tatsächlich den institutionellen Rahmen schaffen, den die meisten Paare sich heute für eine gleichberechtigte Partnerschaft wünschen, lässt politischen Handlungsbedarf erkennen. Die Akzeptanz des Abbaus nachehelichen Nachteilsausgleichs korrespondiert mit Erwartungen an die Gestaltung gleichberechtigter Teilhabe während bestehender Ehe. Die meisten Paare heiraten, um ihrer „Partnerschaft einen festen Rahmen“ zu geben (85 %). Sie erwarten – sozusagen blind – dass dieser (staatlich angebotene) Rahmen einen fairen Ausgleich zwischen den Partnern gewährleistet. Dabei erweisen sich ihre Annahmen über die geltenden Rege- lungen aber häufig als falsch. Begriffe wie „gesetzlicher Güterstand“ oder „Ehegatten- splitting“ sowie deren inhaltliche Bedeutung sind in der jüngeren Altersgruppe der Verheirateten bei weit über 50 % unbekannt. Intuitiv gehen diejenigen, die den rechtlichen Rahmen der Ehe schätzen, ihn für alles in allem fair halten, seine Details aber nicht kennen, davon aus, dass ihnen während bestehender Ehe alles gemeinsam gehört. Dabei gibt es klare Geschlechterunterschiede: Männer glauben stärker an die Ehe als Institution. Sie erwarten deutlich mehr als Frauen, mit der Heirat eine Partnerschaft krisenfester und langlebiger zu machen. Die hohe Zustimmung zu der Aussage „Da viele junge Menschen nicht abschätzen können, was im Laufe des Lebens alles auf sie zukommt, muss das Familienrecht diese Unwägbarkeiten durch faire Regelungen berücksichtigen (84 %)“ ist als Auftrag an den Gesetzgeber zu lesen, nach der Neuregelung des nachehelichen Unterhalts auch die Regelungen des Ehegüterrechts einer Prüfung zu unterziehen und dabei den Wunsch nach stärkerem Solidarausgleich in bestehender Partnerschaft mindestens im Wahlgüterstand und bei der steuerrechtlichen Begünstigung Rechnung tragen." Zur vollständigen Studie…
Thursday, December 30. 2010
 Alva Noë (* 1964) ist seit 2003 Professor für Philosophie und Kognitionswissenschaft an der University of California, Berkeley. Sein Hauptarbeitsgebiete liegen insbesondere in der Philosophie der Wahrnehmung und der Philosophie des Geistes. Des Weiteren beschäftigt sich Noë mit der Philosophie der Kunst, Ludwig Wittgenstein und der Phänomenologie. Noë hat in Zusammenarbeit mit Francisco Varela, Evan Thompson, Susan Hurley und Kevin O'Regan bahnbrechende Arbeiten in der Philosophie des Geistes geleistet. Innerhalb dieser Arbeiten wird eine Überwindung der starren und konservativen Ansicht der Kognitionswissenschaft angestrebt, dass Wahrnehmung und Bewusstsein lediglich auf einem input-output Prinzip basieren. Stattdessen vertritt Noë, unter Berücksichtigung der Phänomenologie, einen sog. sensorimotor account (auch bekannt als enactive cognition) des Bewusstseins: Wahrnehmung und Bewusstsein sowie die hierbei involvierten Qualia sind nach Noë Produkte, die kognitiver Tätigkeit entspringen, d.h. sie passieren nicht einfach, sondern entstehen durch Interaktion mit der Umwelt (Informationen: Wikipedia). Im Blog "Integral Options Cafe" ist ein Text mit dazugehörigem Video über die Mystifikation des Gehirns, den Ort unseres Bewusstseins und die Natur des Lebens von Alva Noë zu lesen und zu hören, den man nicht verpassen sollte: "Scientists ask, what is it about the way these cells are firing in the brain that makes the corresponding experience a visual experience? It's a trick question because there is nothing about the way those cells are firing that can explain that. Certainly we don't now know anything that would allow us to point to the intrinsic properties of the cells and say, it's something about the intrinsic behavior of these cells that makes the resulting experience, the smell of coffee on a rainy morning, or the redness of red. Nor can we say that populations of cells give you the solution. We have to get bigger than that. It's not one cell; it's not populations of cells. We need to look at the whole animals' involvement with a situation. The thing about a smell is that a smell gives you the space of possible movement sensitive changes. If I am smelling something, the movements of my nostrils in relation to the source of the order will produce changes in the character or the odor. If we want to ask, what is it about this cellular activity that makes it olfactory cellular activity, the answer is going to be the way in which the cellular activity varies as a function of the animal's movement. And that is what the brain is doing. The brain is enabling us to establish this kind of sensorimotor engagement with the world around us. This is a is substantive empirical hypothesis that I am putting forward." Zum vollständigen Text…
Wednesday, December 29. 2010
 Daniel Lüdecke (Foto: www.promotionskolleg-fb11.uni-bremen.de), Diplom-Gerontologe und Soziologe, ist Autorinnen und Autoren durch seine wunderbare, plattformübergreifende und dazu kostenlose Zettelkasten-Software bekannt, die sich am Arbeitsprinzip von Niklas Luhmanns Zettelkasten orientiert und ein ideales Medium zur Sammlung und Verwaltung von Zitaten, Quellen und Ideen darstellt. Wer es noch nicht kennt, sollte sich hier damit bekannt machen. Lüdecke arbeitet derzeit an einem Dissertationsprojekt zum Thema "Nachhaltiges, nutzerorientiertes Schnittstellenmanagement im Rahmen der Pflegeversorgung". In diesem Zusammenhang hat er 2009 einen Beitrag zum von H. Döhner, H. Kaupen-Haas und O. Knesebeck herausgegebenen Band "Medizinsoziologie in Wissenschaft und Praxis.  Festschrift für Alf Trojan" (Berlin, Münster: LIT-Verlag) verfasst, der sich auf die Organisationstheorie Luhmanns und die Nerzwerktheorie von Harrison White bezieht: „Das deutsche Gesundheitswesen ist sowohl innerhalb eines Versorgungssektors als auch Sektoren übergreifend durch einen hohen Grad an Fragmentierung und Spezialisierung von Angeboten gekennzeichnet. Für reibungslose Versorgungsübergänge sowie Vermeidung von Fehl-, Unter- oder gar Überversorgung ist die Vernetzung der beteiligten Institutionen, Dienste und Berufsgruppen notwendig. In besonderem Maße sind Personen mit länger andauerndem Pflegebedarf auf eine funktionierende, auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtete Kooperation angewiesen (…). Im Kontext der vernetzten Versorgung und des Schnittstellenmanagements wird von den beteiligten Leistungserbringern (Krankenhäuser, Pflegedienste, Ärzte, Therapeuten etc.) verbesserte Koordination und Kooperation in der Pflegeüberleitung und der anschließenden Weiterversorgung von chronisch Erkrankten und Pflegebedürftigen gefordert (…). Insbesondere durch das Entlassungsmanagement im Krankenhaus sollen Nachhaltigkeit und Nutzerorientierung der pflegerischen Versorgung sichergestellt, zumindest aber die Grundlagen dafür gelegt werden (…). Angesichts zunehmender Ausdifferenzierung sowohl von organisationsinternen Abteilungen und Arbeitsprozessen als auch unterschiedlicher Leistungsanbieter liegt das Problem des Schnittstellenmanagements insbesondere in der Sicherung von Anschlussmöglichkeiten. Allein wegen der immer kürzer werdenden Liegezeiten von Patienten ist eine netzwerkförmige Kooperation notwendig, um im Rahmen dieses Schnittstellenmanagements Zuständigkeiten der Versorgung immer wieder neu auszuhandeln und zuzuweisen (…)“. Zum vollständigen Text…
Tuesday, December 28. 2010
 Unter diesem Artikel erschien in Heft 1/1989 ein Artikel von Franz Erbach und Kordula Richelshagen (Foto: www.beraten-systemisch.net), in dem es um die Beschreibung von Organisationsmustern in Familien mit Süchtigen Mitgliedern sowie in Organisationen und Institutionen, die in der Suchtarbeit stehen. Solche Institutionen folgen in der Regel den gleichen Annahmen und Konzepten wie die Familien und erhalten das süchtige Verhalten eher anstatt es aufzuheben. Eine gekürzte Fassung dieses Beitrages, die auch online zu lesen ist, erschien im Drogenmagazin „Die Kette“ (Heft 4/1992). Zum vollständigen Text geht es hier…
Monday, December 20. 2010
In ihrer Dissertation von 2007 beschäftigt sich Andrea Barth mit den Möglichkeiten und Grenzen der praktischen Umsetzung systemtheoretischer Denkmodelle in der Pädagogik. Dabei bietet die "Untersuchung zweier Felder der Kinder- und Jugendhilfe der Rummelsberger Anstalten die empirische Grundlage für Aussagen über den Theorie-Praxis-Zusammenhang. Beleuchtet werden zum einen eine teilstationäre und zum anderen eine stationäre Einrichtung. In beiden Bereichen wurde mit analogen Forschungsmethoden jeweils eine Einzelfallstudie durchgeführt". Es "wird herausgearbeitet, dass in der Praxis trotz der vorhandenen Bemühungen systemisch zu arbeiten, die Gefahr besteht, das Systemische lediglich als Deckmantel für die ohnehin in der Institution ablaufenden Prozesse zu benutzen und dass dieser Terminus zum leeren Modewort degeneriert. Darüber hinaus wird gezeigt, dass systemtheoretische Ansätze besonders im Hinblick auf institutionelle Fragen sehr fruchtbar sind. Ihre Grenzen werden vor allem aus einer handlungs- und kulturtheoretischen Perspektive ersichtlich." Zum vollständigen Text der Arbeit…
Friday, December 17. 2010
 Im September fand an der Alice Salomon Hochschule Berlin die Tagung "Unwirtliche Zeiten" – Systemische Aufstellungen als Sprache der Veränderung" statt, die u.a. von Heiko Kleve organisiert worden ist, der an der ASH studiert hat und seit einiger Zeit als Professor für soziologische und sozialpsychologische Grundlagen sowie Fachwissenschaft Sozialer Arbeit an der Fachhochschule Potsdam tätig ist. Heiko Kleve hat auf dieser Tagung einen Vortrag zum Thema "Systemische Strukturaufstellungen in der Sozialen Arbeit - Theorie und Praxis eines innovativen Konzeptes" gehalten, der auf der website von socialnet.de zu lesen ist: "In diesem Beitrag werden einige Argumente präsentiert, die die These erhärten sollen, dass die methodischen und theoretischen Innovationen der Systemischen Strukturaufstellungen insbesondere auch für eine sozialarbeiterische Rezeption sehr ertragreich sein können (siehe dazu demnächst ausführlicher Kleve 2011). Es geht also darum, einige wesentliche Grundlagen dieser Theorie und Praxis zu präsentieren. (…) Im Folgenden wird in drei Schritten vorgegangen: Zunächst wird in einem ersten Schritt die Basis professioneller sozialarbeiterischer Praxis knapp benannt, die Reflexion und Lösung sozialer Probleme, um auf dieser Basis ein grundlegendes Format der systemischen Strukturaufstellungspraxis zu präsentieren, das passgenau auf die beschriebene sozialarbeiterische Ebene bezogen werden kann: die Problemaufstellung. Im zweiten Schritt betrachten wir ein Merkmal sozialarbeiterischer Praxis, das seit Anbeginn der Profession zu immer wieder neuen Reflexionen geführt hat, nämlich die Widersprüchlichkeit und Ambivalenzlastigkeit der Sozialen Arbeit. Auch diesbezüglich können wir ein Aufstellungsformat nutzen, um sozialarbeiterische Widersprüche und Ambivalenzen in passender Weise zu bewältigen: die Tetralemmaaufstellung. Schließlich werden im dritten Schritt einige grundsätzliche theoretische Thesen der Systemischen Strukturaufstellungsarbeit referiert, die für das sozialarbeiterische Denken und Handeln ebenso passend sein könnten." Zum vollständigen Text…
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