Saturday, November 28. 2009
 Vor einigen Tagen wurde an dieser Stelle das von Jörn Borke & Andreas Eickhorst herausgegebene Buch "Systemische Entwicklungsberatung in der frühen Kindheit" vorgestellt. Im Internet ist auch die Dissertation von Jörn Borke (Foto: Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung) zu lesen. Sie untersucht "Kindliche Regulationsschwierigkeiten und elterliches Wohlbefinden in der Übergangsphase zur Erstelternschaft" vor dem Hintergrund eines systemischen Paradigmas. Im abstract der Dissertation heißt es: "In dieser prospektiven Längsschnittstudie wird das Wohlbefinden von Eltern sowie das mögliche Auftreten von kindlichen bzw. familiären Regulationsschwierigkeiten in der Übergangsphase zur Erstelternschaft betrachtet. Dreißig Paare wurden einmal im letzten Drittel der Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind und ein zweites Mal, als das Kind drei Monate alt war, zu Hause besucht. Während des ersten Erhebungszeitpunktes wurden mehrere Wohlbefindensmaße erhoben. Des Weiteren wurden elterliche Vorstellungen hinsichtlich des eigenen Interaktionsverhaltens mit dem Säugling, des erwarteten Interaktionsverhaltens vom Partner, des erinnerten Interaktionsverhaltens in der Herkunftsfamiliesowie des jeweiligen Interaktionsverhaltensideals erfragt. Zum zweiten Erhebungszeitpunkt wurde neben den Wohlbefindensmaßen auch das Verhalten des Kindes erfasst. Zusätzlich wurden Videosequenzen von Mutter-Kind- und Vater-Kind-Interaktionen aufgenommen sowie hinsichtlich der gezeigten Interaktionsabstimmung ausgewertet. Zum einen zeigte sich, dass die Wohlbefindensbereiche zu beiden Zeitpunkten in weiten Teilen zusammenhingen. Zum anderen erwiesen sich weniger Streit in der Partnerschaft, eine erhöhte elterliche Sensibilität sowie die Fähigkeit die Interaktionsvorstellungen des Partners gut einschätzen zu können als prädiktiv für eine gute Interaktionsabstimmung mit dem Säugling. Auch zeigte sich, dass in den Familien, in denen sich für beide Partner relativ geringe Abweichungen zwischen ihren Interaktionsideen und ihren Idealvorstellungen zeigten, über weniger Regulationsschwierigkeiten bei den Kindern berichtet wurde. Für die Mütter kam der erlebten Zärtlichkeit mit dem Partner ebenfalls eine prädiktive Bedeutung zu. Überraschend ergab sich, dass das Wohlbefinden der Eltern in keinem bedeutenden Ausmaß mit der Abwesenheit von kindlichen Regulationsschwierigkeiten zusammenhing. Teilweise korrelierten diese beiden Aspekte sogar negativ miteinander. Es wird diskutiert, inwieweit sich hier zwei adaptive Pfade abbilden, bei denen entweder eher das Erhalten des eigenen Wohlbefindens und der eigenen Kräfte im Mittelpunkt steht oder eher das Vermeiden von kindlichen Schwierigkeiten." Zum vollständigen Text…
Friday, November 27. 2009
 Auf einer der berühmten Macy-Konferenzen (19952) hielt Gregory Bateson einen Vortrag über Humor und Paradoxien in der menschlichen Kommunikation. Der Vortrag und die Diskussion (an der Konferenz waren u.a. Lawrence S. Kubie, W. Ross Ashby, J. Z. Young, John R. Bowman, Ralph W. Gerard, G. Evelyn Hutchinson, Walter Pitts, Henry Quastler, Margaret Mead und Warren McCullough beteiligt) sind auch im Internet veröffentlicht worden. Darin heißt es: "One of the rather curious things about homo sapiens is laughter, one of the three common convulsive behaviors of people in daily life, the others being grief and orgasm. I don’t want to say that they do not occur at animal levels, partly because I am not competent to say such a thing, partly because I suspect that there are prefigurations in certain mammals but all three phenomena certainly are not developed among mammals to the extent that they are among homo sapiens. Because they are involuntary, or partially so, one tends to think of these phenomena as lower functions, animalish functions, but since the full development of these phenomena is characteristically human, it seems that laughter, sobbing, and orgasm are perhaps not lower functions in a simple neurophysiologic sense but have evolved because of the hypertrophy of the upper levels and the resulting peculiar relationship between the cortical-intellectual processes and those which go on below. These three phenomena, and also the convulsions of epilepsy and shock therapy, have the characteristic that there is a build-up, a so-called tonic phase, in which something called “tension” — which it certainly is not — builds up for a period; then something happens, and the organism begins quaking, heaving, oscillating, especially about the diaphragm. I leave it to the physiologists to discuss what happens." Zum vollständigen Text geht es hier…
Thursday, November 26. 2009
 Hendrik Heuermann und Ulrike Reinhard haben in der "whois verlags- & vertriebsgesellschaft Ulrike Reinhard" in Neckarhausen ein aktuelles Buch zum Thema Ditale Demokratie in Deutschland heraugegeben, das gleichzeitig als "creative common" in Internet veröffentlicht ist, was bedeutet, das das Werk nicht nur von allen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden kann, sondern dass es sogar erlaubt ist, Abwandlungen beziehungsweise Bearbeitungen des Inhaltes anzufertigen unter der Voraussetzung der Nennung der Rechteinhaberin Ulrike Reinhard. Das Buch greift schon den Wahlkampf 2009 mit auf und fragt nach den Möglichkeiten und Konsequenzen einer verstärkten Bürgerbeteiligung an der Politik über das Internet. Im Buch ist auch ein sehr interessantes Interview mit Peter Kruse (Foto: nextpractice.de) über "das politische Wagnis der Partizipation". Kruse ist geschäftsführender Gesellschafter der nextpractice GmbH und Honorarprofessor für Allgemeine und Organisationspsychologie an der Universität Bremen und einem systemischen Publikum seit langem bekannt. Im Interview bemerkt er: "Kindergarten, Schule oder Universität sind zwar wichtige Trainingscamps der Demokratie aber kaum der zentrale Schlüssel zur Entwicklung. Das Problem der repräsentativen Demokratie ist die institutionelle Professionalisierung politischen Handelns. Politik ist doch nicht Aufgabe der Politiker und Bildung ist doch nicht Aufgabe des Bildungswesens. Bildung lässt sich genauso wenig wegdelegieren wie Politik. Wo sind die politische Neugier, die Aufbruchstimmung und der Gestaltungsdrang der 68er Periode geblieben? Die Philosophie der Maximierung von Effizienz und der Individualisierung von Erfolg, die die letzten Jahrzehnte dominierte, hat dazu geführt, dass sich die Experimentierfreude und Identifikation der Bürger vom öffentlichen Bereich immer mehr ins Private zurückgezogen hat. Es ist an der Zeit, gezielt und bewusst die Risiken einzugehen, die notwendig sind, um das Interesse an politischer Verantwortungsübernahme wieder zu steigern. Eine Erhöhung der Partizipation ist ohne Alternative und die Netzwerke bieten ein phantastisches „Wie?“ für das mächtige „Warum?“. Es nicht wenigstens ernsthaft zu versuchen, wäre ein historischer Fehler." Zum vollständigen Buch…
Saturday, November 21. 2009
 "Im Goldenen Hecht" ist ein Restaurant in Heidelberg. 1996 haben hier anlässlich der Tagung ""Die Schule neu erfinden" die Wiener Historiker Karl-Heinz Müller und Albert Müller mit Heinz von Foerster gesessen und ein Gespräch über "Konstruktivismus und Geschichte"" geführt. Wie alle Gespräche mit Heinz von Foerster ist auch dieses wunderbar zu lesen und amüsant. Es erschien in Heft 8 (1997) der Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaften und ist auch im Internet zu lesen. Zum vollständigen Text…
Monday, November 16. 2009
Alles im Griff? Zu diesem Thema diskutierten mit Susanne Kaufmann vom SWR2-Forum am 07.10.2009 Torsten Groth (Soziologe vom Management Zentrum Witten Berlin), Prof. Dr. Ortwin Renn (Risikoforscher von der Universität Stuttgart) und Dr. Bernd Sprenger (Facharzt für Psychotherapie in Berlin) auf anregende und anhörenswerte Weise. Die Sendung ist als mp3-Datei auch im Internet noch zu hören/herunterzuladen. Und zwar hier…
Tuesday, November 10. 2009
 Allan Schore ist ein bedeutender Forscher im Bereich von Neuropsychologie, Neuropsychiatrie und Entwicklungspsychologie. Seine Arbeiten zur Entwicklung von Bindungsverhalten und der interaktiven Regulierung von Affekten und Verhalten nicht nur bei Säuglingen und Kleinkindern, sondern auch in anderen zwischenmenschlichen Erfahrungsbereichen sind überaus lesenswert. Schore gehört der "clinical faculty of the Department of Psychiatry and Biobehavioral Sciences", der "UCLA David Geffen School of Medicine" und dem "UCLA Center for Culture, Brain, and Development" an. Im Internet ist ein sehr schönes Interview mit ihm zu lesen, ein Auszug: "I’ve come to the conclusion that concept of regulation and self regulation, now being used in all of the sciences and in developmental psychology, is the organising principle. Attachment is now thought of as the dyadic regulation, the interactive regulation of emotion. Also, in developmental psychology it’s now thought that the capacity for attachment originates during these affect regulation experiences. In the psycho-biology of attachment, it’s thought that the mother is acting as a regulator of not only the infants behaviour but of its covert physiology. What I’m suggesting is that this social experience is impacting the development of the regulatory systems in the brain that regulate all forms of cognition, affect and behaviour. In fact, it’s been said recently that the attempt to regulate affect to minimise unpleasant feelings and to maximum pleasant ones is the driving force in human motivation. So, again, in psychiatry regulation is now being seen as the work of any intimate pair. In adult psychiatry the loss of the ability to regulate feelings is seen as the most far reaching effect of trauma etc.". Zum vollständigen Interview…
Thursday, November 5. 2009
 Im Jahr 2006 veröffentlichte das Online Journal PLoS MEDICINE der Public Library of Science eine Sammlung von Artikeln zum „Disease Mongering“. Das engl. „Mongering“ kann übersetzt werden mit: „Handeln, Schachern und dabei einschüchtern“. Die publizierten Beiträge lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Beschrieben und diskutiert werden vielfältige Versuche und Strategien, den Krankheitsbegriff verkaufsfördernd auszuweiten und auf der Basis entsprechend hervorgerufener Ängste die Nachfrage nach Hilfen zu maximieren. In ihrem Beitrag “Female Sexual Dysfunction: A Case Study of Disease Mongering and Activist Resistance” zitiert L. Tiefer ein von Lynn Payer herausgearbeitetes Muster des Disease Mongering: - eine normale Funktion so beschreiben, dass es klingt als sei etwas nicht in Ordnung und sollte behandelt werden
- ein Leiden andichten, das nicht notwendig vorhanden ist,
- einen Anteil der Bevölkerung so groß wie möglich definieren, der an der „Störung“ leide,
- eine körperliche Verfassung als Störung im Sinne eines Defizits definieren oder als hormonelles Ungleichgewicht,
- die richtigen Leute finden, die das streuen und pushen („spin doctors”),
- die dazugehörigen Themen spezifisch rahmen,
- selektiver Gebrauch von Statistiken, um den Nutzen der Behandlung aufzubauschen,
- in die Irre führen (“Using the wrong end point”),
- Technologie als risikofreie Magie promoten,
- ein normales Symptom, das alles und nichts bedeuten kann, so darstellen, dass es wie ein Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung wirkt.
Typische Beispiele für Disease Mongering finden sich etwa im Versuch, „Schüchternheit“ zu einer „Sozialphobie“ umzudefinieren, „Trauer“ zu „Depression“ zu machen oder „gelegentliche Lustlosigkeit“ zur „Female Sexual Dysfunction" aufzubauschen. Als weiteres Beispiel werden bipolare Störungen aufgelistet: Im DSM seit 1980 geführt, erhöhte sich durch Erweiterungen der Krankheitskriterien die Zahl der Betroffenen von 0,1 auf fünf Prozent (vgl. den Beitrag von Healy in der aufgeführten Aufsatzsammlung). Zur Startseite der Aufsatzsammlung der PLoS geht es hier. Einen informativen Überblick zum Thema verschafft auch ein Beitrag von Sepp Hasslberger: Disease Mongering: Corporations Create New 'Illnesses'“.
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