Friday, February 27. 2009
 Im neuen Merkur-Heft ist eine systemtheoretische Beschreibung der gegenwärtigen Situation von Politik und Politikern zu finden, die der Soziologe Helmut Fangmann (Foto: Fuel-FU-Berlin) verfasst hat und die auch online auf der website des Merkur zu finden ist. Fangmann verfolgt dabei die "Hypothese, dass Politik nicht problemorientiert handeln, sondern nur erfolgsorientiert kommunizieren kann. Es geht nicht um Fremdreferenz wie etwa die Lösung sozialer Probleme, sondern um Selbstreferenz, nämlich den politischen Erfolg. Der ist in der Regel aber nur zu haben, wenn ein Bezug zu vermeintlichen gesellschaftlichen Problemlagen hergestellt wird. Die wiederum werden oft erst durch entsprechende Artikulationen im politischen System kreiert und durch die Medien verbreitet. Politik und Medien übernehmen damit zugleich eine Filterfunktion oder, wenn man so will, eine Priorisierung der Problemwahrnehmung. Denn soviel ist klar: Zu viele Probleme zur gleichen Zeit hält keine Gesellschaft aus. Und da Probleme soziale Konstrukte sind und keine Wetterereignisse, lässt sich die Zahl der in der öffentlichen Kommunikation zugelassenen Probleme gut kontrollieren." Der Autor war früher u.a. Mitarbeiter des Niedersächsischen Wissenschaftsministeriums und Kanzler der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und arbeitet jetzt als Leitender Ministerialrat in der Abteilung Hochschulmanagement des Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. In seinem Beitrag geht es auch um politische Leerformeln oder (nach Luhmann) Kontingenzformeln, mit denen alles oder nichts begründet werden kann: "Vielleicht hat der Begriff »Innovation« ja bereits die Qualität einer solchen Kontingenzformel erreicht. Immerhin wurde in Nordrhein-Westfalen unlängst ein Innovationsministerium eingerichtet und die kaum operationalisierbare Zielmarke »Innovationsland Nr. 1« ausgegeben". Dass Fangmann selbst in diesem Kontext arbeitet, ist allerdings unter online-merkur nicht zu erkennen. Vielleicht ist ja ein Bericht aus der Höhle des Löwen in Vorbereitung Zum vollständigen Text…
Wednesday, February 18. 2009
 Für das neue Heft der Familiendynamik hat Hans Rudi Fischer ein Gespräch mit Helm Stierlin geführt, das dankenswerterweise auch online verfügbar ist. Helm Stierlin berichtet hier von den Wurzeln der Familientherapie, die viel damit zu tun haben, dass "freche" Menschen wie Jay Haley, John Weakland oder Paul Watzlawick relativ unbekümmert die psychoanalytischen Dogmen der Zeit ignoriert haben und damit neue Akzente setzen konnten, warnt aber auch davor, dass der Begriff "systemisch" heute nicht mehr viel aussagt, da er inflationär eingesetzt werde. Der "Familiendynamik" (und eigentlich uns allen) schreibt er dementsprechend ins Stammbuch: "Es sollten gerade traditionell schwierige Felder wie Psychosentherapie oder Psychosomatik auch sehr kontrovers diskutiert werden können. Dazu sollte man auch Analytiker zu Worte kommen lassen, auch gerade bei der Frage, wieviele Sitzungen in alternativen Therapieansätzen nötig erscheinen. Ich finde es wichtig, gerade konfliktbesetzte Themen von unterschiedlichen Seiten her zu beleuchten und dadurch Spannung und Kontroverse hineinzubringen. Die 'Familiendynamik' sollte nicht eine Art Lehrbuch werden". Zum vollständigen Interview…
Monday, February 9. 2009
 Jürgen Kriz, einer der wichtigsten systemisch orientierten Wissenschaftler hierzulande, ist durch zahlreiche Bücher und Aufsätze bekannt geworden. Sein englisches Buch "Self-Actualization" ist auch im systemagazin besprochen worden. Nun ist im Internet ein interessantes Interview mit ihm zu hören und zu lesen, das David Van Nuys und Charles Merrill für den "Wise Counsel Podcast" im mentalhelp.net mit ihm geführt haben. Hier geht es ausführlich um die Erfahrungen, die Kriz mit dem personenzentrierten Ansatz nach Rogers gemacht hat, die Verbindungen, die er zwischen diesem Ansatz und den systemischen Konzepten knüpft und die Bedeutung, die systemisches Denken implizit und explizit für die Entstehung des personenzentrierten Ansatzes gehabt hat. Das Gespräch wurde über Skype aufgezeichnet und mitgeschnitten und ist in voller Länge hier zu hören. Darüber hinaus wurde das gesamte Gespräch aber auch noch transkribiert, und wer lieber liest als hört, kann das auf dieser Seite tun.
Sunday, February 8. 2009
 in der gestrigen Ausgabe der TAZ ist zum 200. Geburtsttag von Charles Darwin ein interessanter Artikel des Biologen und Philosophen Cord Riechelmann (Foto: Paul Blickle, Flickr) erschienen, der sich damit auseinandersetzt, dass sich die Selektion - und gerade die sexuelle Selektion - im Evolutionsprozess nicht zwangsläufig nach Kriterien der Fitness oder Stärke ausrichtet, sondern einem Wahlprozess verdankt, bei dem auch "ästhetische" Momente eine Rolle spielen können: "Wenn sich nämlich die sexuellen Ornamente und ihre Träger wie auch ihre Bewerter über die Nachkommen in der Population ausbreiten können, dann liegt darin immer auch die Möglichkeit, dass das als schön Empfundene in "irgendeiner Weise zugleich ,gut' sei". Und genau das ist in der aktuellen Evolutionsbiologie auch geschehen. Das Handikap der langen Federn wird als Qualitätsmerkmal interpretiert. Der Pfau sagt damit, schaut her, ich hab so gute Gene, dass ich mir selbst solche Federn leisten kann, die schwächere Kollegen reihenweise im Fuchsmagen enden lassen. Oder besonders ebenmäßige, symmetrische Gesichtszüge bei Menschen werden mit herausragender Gesundheit und Fruchtbarkeit der Träger assoziiert. Bei Darwin aber findet sich noch nichts dergleichen. Die Wahl ist bei ihm nur eine Wahl, und ein Merkmal breitet sich in der Population dann aus, wenn viele Individuen ein ähnliches Merkmal wählen und Nachkommen zur Welt bringen. Mit Stärke oder Gesundheit sind diese Merkmale bei Darwin nicht konnotiert. Und wenn man sich an seine Bemerkung über die Plan- und Regellosigkeit des Evolutionsprozesses erinnert, dann kann man aus seinen Gedanken nicht einmal schließen, dass Weibchen immer Männchen wählen müssen oder umgekehrt. Möglich bleibt alles, was sich zur Wahl anbietet. Und die Wahl trifft ein Individuum, keine Art, keine Rasse und auch kein Naturgesetz. In Darwins Konzeption kennt das Vermögen zur Wahl im sexuellen Geschehen keine normativen Vorgaben wie das Gute oder Gesunde. Die Natur verfährt ungeregelter, freier in ihrem Evolutionsprozess, als es die Gesetze der menschlichen Gesellschaften tun. Einfach auch deshalb, weil die sexuelle Selektion kein Naturgesetz ist. Sie kann, muss aber nicht stattfinden. Damit kann man auch verstehen, was Darwin für Michel Foucault so interessant machte: Aus der Evolution, wie Darwin sie dachte, lässt sich nichts anderes als eine dauernde Bewegung ableiten, kein Höher und auch kein Ziel. Entwickeln kann sich alles, und nichts bleibt, wie es ist. Das Sein der Lebewesen ist in ein Werden überführt worden, in dem Hermaphroditen genauso agieren wie Hirsche oder Pfauenhennen. Und ob sie gewählt werden oder nicht, hängt einzig vom "Geschmack" der wählenden Individuen ab." Zum vollständigen Artikel…
Tuesday, February 3. 2009
 Im "Forum Qualitative Sozialforschung" erschien im vergangenen Jahr ein Beitrag von Klaus G. Deissler über den Stellenwert von Metaphern, Geschichten und Gleichnissen in einem sozialkonstruktionistisch inspirierten Psychotherapie-Ansatz. Im Abstract heißt es: "Der folgende Aufsatz stellt einen Beitrag zur Diskussion der Annahmen und praktischen Konsequenzen des sozialen Konstruktionismus im therapeutischen Kontext dar. Ausgangspunkt ist die Implikation, dass sprachlich formulierte Metaphern im therapeutischen Prozess wichtig für die therapeutische Interaktion sind, und dass sie nicht nur in therapeutischen Dialogen zum Wandel beitragen. Daher werden ein paar kleine Metaphern dargestellt, die soziale Konstruktionsprozesse zum Inhalt haben und diese zum Teil durch Verfremdungen veranschaulichen. Diese Prozesse werden weiter im psychotherapeutischen Kontext verdeutlicht, indem Diagnosen als aktuelle relationale Konstruktionen verstanden werden. Der Aufsatz wird abgeschlossen mit einem therapeutischen Fallbeispiel, das das dargestellte sozialkonstruktionistische Verständnis therapeutischer Dialoge prägnant herausstellt." Zum vollständigen Text…
Sunday, February 1. 2009
 So lautet der Titel einer "Institutslecture", die Heiko Kleve am 22.1.2009 an der Fachhochschule St. Pölten gehalten hat. Der Vortrag ist als siebenteilige Audiodatei auf der website der Hochschule dokumentiert. Im abstract heißt es: "Die Soziale Arbeit ist eine Profession, die mit zahlreichen Ambivalenzen konfrontiert ist. Die Pole von Hilfe und Nicht-Hilfe, Hilfe und Kontrolle, individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen sind nur drei Beispiele für derartige Doppelorientierungen. Auch in Zeiten, in denen die Praxis damit konfrontiert wird, zahlreiche neue Konzepte einzuführen (etwa Sozialraumorientierung, Case Management oder Verwandtschafsrat), tauchen hinsichtlich der Implementierung Ambivalenzen auf - etwa zwischen denen, die "das Alte" nicht aufgeben wollen und denen, die für "das Neue" brennen und es umsetzen wollen. In all diesen Fällen sind Verfahren notwendig, die einen Weg durch die widersprüchlichen Orientierungen erlauben und konstruktive Lösungen jenseits eines "Entweder-Oder" in den Blick bringen. Genau hier bietet das (negierte) Tetralemma passende Antworten." Zur Institutslecture…
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