am 10. Juni letzten Jahres wurde an dieser Stelle die DVD-Edition über die Organisation alternativer Schulerfahrungen von Reinhard Kahl mit dem Titel "Treibhäuser der Zukunft" besprochen. Im Sommer 2008 erscheint ein neues Medienpaket mit vier DVDs vom gleichen Autor zum Thema "Kinder", in dem es um das Lernen von Kindern an sich geht. Aus der Ankündigung: "Der Film ist dem Lerngenie der Kinder auf der Spur. Mehr als zwei Jahre lang haben Reinhard Kahl und sein Team Kinder in der Natur, in Kindergärten, Schulen und Forschungseinrichtungen begleitet. Aus mehr als 250 Stunden Beobachtungen ist eine Dokumentation von 90 Minuten entstanden. Man sieht einen „Tierfilm über Menschen.“ Aber anders als andere Tiere brauchen Menschen Kultur. Der Film zeigt die Entfaltung der „kulturellen Intelligenz“ unter anderem in der „Lernwerkstatt Natur“ in Mülheim an der Ruhr, in Daniel Barenboims Musikkindergarten Berlin, in der Schweizer Primaria, die Kindergarten und Schule integriert. „Eigentlich braucht jedes Kind drei Dinge“, sagt der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther in KINDER!: „Es braucht Aufgaben, an denen es wachsen kann, es braucht Vorbilder, an denen es sich orientieren kann und es braucht Gemeinschaften, in denen es sich aufgehoben fühlt.“ Die Zuschauer erleben Kinder zum Beispiel beim Lernen in der Natur, in Forschungseinrichtungen oder im Musikkindergarten. Eindrucksvolle Bilder liefern wertvolle, aber auch überraschende Erkenntnisse über das Lernverhalten in den frühen Jahren." Die ersten 10 Minuten des Films können online betrachtet werden.
Christel Hopf, Sozialwissenschaftlerin aus Hildesheim, beschäftigt sich in einem Vortrag aus dem Jahre 2005 mit der Bedeutung der Bindungstheorien für die Arbeit in Erziehungsstellen, insobesondere was die Arbeit mit misshandelten Kindern in sogenannten "professionellen Familien" betrifft. "Für die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Kindern und Jugendlichen, die in Erziehungsstellen leben, folgt aus diesen Einsichten, dass es besonders wichtig ist, sich mit den sozialen und psychischen Folgen früher Beziehungsstörungen und Gewalterfahrungen in der Familie auseinanderzusetzen. Was geschieht mit einem Kind, das schon in seinem ersten Lebensjahr Opfer von Misshandlungen wird? Wie reagieren Kinder darauf, dass ihre Bezugspersonen für sie psychologisch nicht zugänglich sind, dass sie wenig Interesse an ihrem Kind haben? Was bedeutet der häufige Wechsel von Bezugspersonen für die kindliche Entwicklung? Ebenso wichtig sind im pädagogischen und praktischen Kontext selbstverständlich Fragen der Intervention. Wie können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Erziehungsstellen, die mit Forschungsergebnissen zu den Folgen früher Beziehungsstörungen und Gewalterfahrungen konfrontiert sind, mit diesen Erkenntnissen umgehen? Welche Schlussfolgerungen sind besonders wichtig? Was kann getan werden, um die in Erziehungsstellen lebenden Kinder und Jugendlichen in ihrer sozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung zu unterstützen?" Zum vollständigen Text geht es hier… Dazu passt ein Buch von Frank Natho über "Bindung und Trennung - von Eltern und Familie getrennt. Trauer- und Trennungsprozesse von Kindern und Jugendlichen professionell begleiten", das von Ursel Winkler besprochen wird: "Frank Natho fordert, dass professionelle Begleiter über ein Modell mit sinnstiftenden Interpretationsmöglichkeiten verfügen sollten, um Ordnung in die unübersichtliche Gefühlswelt der Kinder und Jugendlichen zu bringen – dieses rundum gelungene Buch kann entscheidend dazu beitragen und ist daher uneingeschränkt zu empfehlen." Zur vollständigen Rezension…
In der aktuellen Ausgabe der "Blätter für Deutsche und Internationale Politik" ist ein interessanter Artikel über die derzeitige Krise des Weltfinanzsystems aufgrund der massenhaft geplatzten Hypotheken in den USA erschienen, der bei eurozine online zu lesen ist. Eric Janszen (Foto www.iiconf.com), der selbst über Erfahrungen als Finanzjongleur verfügt, stellt in "Die Bubble-Ökonomie. Wie man die Märkte für den großen Crash von morgen präpariert" die aktuelle Krise auf leicht verständliche Weise in einen historischen Zusammenhang und zeigt, dass die Produktion von Finanzblasen und die damit verbundene massenhafte Vernichtung von Kapital keine neue Entwicklung ist. Durch die Möglichkeit des Internet, in Echtzeit auf Entwicklungen des Finanzmarktes zu reagieren, gibt es allerdings kaum noch eine Möglichkeit der Erholung vom Platzen solcher Blasen, vielmehr wird versucht, durch Produktion neuer Blasen den Zusammenbruch vergangener Blasen zu korrigieren: "Erinnern wir uns an die Chemieindustrie vor 40 Jahren, als man Schadstoffe wie die polychlorierten Biphenyle (PCB) praktisch unkontrolliert in die Luft und in Gewässer abließ. Viele Jahre hindurch hielt die Industrie sich an das Mantra: 'Die Lösung des Problems der Schadstoffemission heißt Verdünnung.' Man nahm an, die Vermischung von Giftstoffen mit gewaltigen Mengen von Luft oder Wasser neutralisiere die ersteren. Jahrzehnte später ist uns, angesichts von missgebildeten Fröschen, verseuchtem Grundwasser und mysteriösen Krebserkrankungen klar, dass diese Logik nicht stimmte. Doch nun haben die Banker unserer Tage den Fehler auf die Finanzwelt übertragen. Je mehr zweifelhafte Kredite seit Ende der 90er Jahre bis in den Sommer 2007 hinein vergeben wurden, desto mehr mussten sämtliche Teilnehmer des globalen Finanzsystems fürchten, durch die Risiken dieser Praxis in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Die Gefährdung lässt sich als eine Art ökonomisches Gift begreifen. Theoretisch sind die Schadstoffe, die Kreditrisiken, bis zur Unkenntlichkeit verdünnt im Ozean der Weltschuldenmärkte verschwunden; die Magie der Verbriefung hat sie entgiftet, so dass von ihnen keine Systemgefährdung ausgeht. Doch in Wirklichkeit bedrohen die Kreditschadstoffe unsere Wirtschaft ebenso, wie toxische Chemieabfälle unsere Umwelt gefährden. Wie die chemischen Schadstoffe drohen auch die Kreditrisiken sich in den schwächsten und verletzlichsten Teilen des Systems, in diesem Fall des Finanzsystems, zu konzentrieren. Dort treten die toxischen Auswirkungen folglich zuerst in Erscheinung: Der Zusammenbruch des amerikanischen Subprime-Hypothekenmarktes war sozusagen das Seveso, die Urkatastrophe des sich ausbreitenden Finanz-Giftskandals."
So betitelt Peter Bormann eine 81 Seiten starke Einführung in die systemtheoretische Kommunikationstheorie (Abb.: Wikimedia Commons): "Differenzlehren wie die 'Dekonstruktion' (im Anschluß an Jacques Derrida) oder die soziologische 'Bielefelder Systemtheorie' (ausgehend vom Werk von NiklasLuhmann) können nun als Reaktionen auf (den) Plausibilitätsverlust traditioneller sozial wissenschaftlicher Ansätze angesehen werden. Zugleich hat aber die Bielefelder Systemtheorie mittlerweile ein derartiges Komplexitätsniveau erreicht, daß der elegante Einstieg in diese faszinierende Theorieformation sehr schwer fallen muß. Da ich in letzter Zeit des öfteren auf kurze und knappe Charakterisierungen der Systemtheorie angesprochen wurde, schien es mir sinnvoll zu sein, den Text zur sozialwissenschaftlichen Grundlagenkrise in eine Art "Mini-Leitfaden zur modernen (Theorie- )Geschichte der Kommunikation" umzuwandeln. Das heißt: Das Ziel dieses Vademecums ist es, Hintergrundwissen zu einigen älteren und aktuellen Kommunikationskonzeptionen, vor allem dem systemtheoretischen Ansatz von Niklas Luhmann und Peter Fuchs, zu vermitteln. Dabei wurde auf eine schnörkellose und klare Darstellung Wert gelegt, die insbesondere den Zugang zur komplexen Bielefelder Systemtheorie erleichtern soll. Sollten interessierte Laien nun anhand dieses Textes in relativ kurzer Zeit ein ausreichendes Grundverständnis für die Systemtheorie entwickeln können, so hätte diese Arbeit ihren Zweck voll und ganz erfüllt." Zum vollständigen Text…
Wenn Schüchternheit zur psychiatrischen Erkrankung erklärt wird und die pharmazeutische Industrie sogleich mit einem passenden Medikament zur Hand ist, weckt das zwangsläufig Misstrauen - und wahrscheinlich Begeisterung bei manchen Schüchternen. Die Schwierigkeit liegt offensichtlich darin, dass die Definitionsmacht über psychiatrische Klassifikationssysteme wie DMS IV oder ICD-10 bei ausgewiesenen medizinischen Forschern liegt, diese aber in nicht unerheblichem Ausmaß auf der Pay-Roll der pharmazeutischen Unternehmen stehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie das Ärzteblatt gestern berichtete, haben "mehr als die Hälfte der Autoren des DMS-IV in den Jahren vor 1994 Gelder von Herstellern der Medikamente erhalten …, deren Einsatz sich auf die Definition der im Manual genannten psychiatrischen Erkrankungen gründet". Was sich für die einzelnen Autoren dahinter verbirgt, geht aus dieser unsentimentalen Auftstellung genauer hervor. Und wie eine solche Forschungsförderung aus der Perspektive der Industrie, hier dem Pharma-Konzern Lilly ausschaut, lässt sich hier erahnen. Das soll sich nun bei der Zusammenstellung der Autoren für das DMS-V dadurch ändern, dass diese ihre Interessenkonflikte offenlegen müssen und nicht mehr als 10.000 US-Dollar pro Jahr durch Tätigkeiten für die Medikamenten-Hersteller verdienen dürfen. Wir dagegen dürfen gespannt sein, ob eine solche Maßnahme Einfluss auf die zukünftige Konstruktion von Krankheiten nehmen kann. Zum vollständigen Artikel…
Dirk Tänzler ist Kulturwissenschaftler an der Universität Konstanz und Koordinator des Forschungsprogramms "Crime and Culture". In der Zeitschrift "Mittelweg" des Hamburger Institutes für Sozialforschung hat er einen bemerkenswerten Aufsatz über den Zusammenhang von kleiner und großer Korruption geschrieben, der jetzt auch online über den europäischen Zeitschriftenverbund "eurozine" zu lesen ist. Er vergleicht dabei die aktuelle Situation in Rumänien mit der in Deutschland. Für die Verhältnisse in Rumänien konstatiert Tänzler: "Die postsozialistische Transformation ist der reale radikale (soll heißen: alle Voraussetzungen ignorierende) Konstruktivismus. Die Länder des ehemaligen Ostblocks geben seit anderthalb Dezennien eine Spielwiese ab für marktwirtschaftliche Reformexperimente. Die postsozialistische Transformation war der mal mehr, mal weniger radikale Versuch, einen 'ready made'-Kapitalismus zu schaffen, der im Zuge einer 'nachholenden Modernisierung' nicht nur die Fehlentwicklungen des sozialistischen Entwicklungspfades korrigieren, sondern zugleich zur Globalisierung aufschließen sollte. Aus dieser doppelten Perspektive erscheinen Phänomene wie die Korruption zugleich als sozialistisches Erbe und als Nebenwirkungen einer forcierten Anpassung an die neue Weltwirtschaftsordnung." Während in Rumänien die "große" Korruption der Eliten als Grund für die schlechte Lage des Landes beklagt wird, ist auf der alltäglichen Ebene so gut wie jeder Bürger in Korruptionshandeln verstrickt. In Deutschland spielt diese kleine Korruption keine so große Rolle, dafür spielt der Versuch, mithilfe von Korruption postmodernde Steuerungsprobleme in den Griff zu bekommen, in Deutschland eine immer größere Rolle. Das zeigt Tänzler vor allem am Zusammenspiel von öffentlicher Verwaltung, die sich selbst zunehmend als betriebswirtschaftliche Größen definieren, und den Wirtschaftsunternehmen, die von öffentlichen Aufträgen abhängig sind: "Korruption ereignet sich zwar nicht allein, jedoch vornehmlich an der Schnittstelle zwischen Verwaltungen der öffentlichen Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft, und zwar überall dort, wo öffentliche Mittel vergeben werden. Ging, etwa in der Bauwirtschaft, früher der Bestechungsversuch in der Regel von privatwirtschaftlicher Seite aus, so sieht diese sich zunehmend der Erpressung durch Vertreter der öffentlichen Verwaltung ausgesetzt, die mit immer höheren Ansprüchen aufwarten, um mit den sich aus den Firmenvermögen bedienenden Managern auch lebensstilistisch mithalten zu können. Bilden die Unternehmen Kartelle zur Plünderung des Staates, so spinnen die Akteure der öffentlichen Hand von ihnen dominierte Klientelbeziehungen zum Abschöpfen privatwirtschaftlicher Geldquellen, die sich allerdings aus Staatsvermögen, d. h. Steuergeldern, speisen." Sehr lesenswert! Zum vollständigen Text…