Die systemischen Organisationsberater Reinhart Nagel, Bernhard Krusche, Thomas Schumacher (osb International) und Torsten Groth vom Management-Zentrum Witten haben sich in einem Aufsatz für die Zeitschrift "Organisationsentwicklung" (2/06) mit "Führungsherausforderungen in unterschiedlichen Organisationsarchitekturen" beschäftigt: "Jede Veränderung des Organisationsdesigns verfolgt das Ziel, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern. Daher wurde in den letzten beiden Jahrzehnten das gezielte Umbauen der Organisationsarchitekturen zu einem zentralen Stellhebel der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Diese zunehmende Bedeutung der Organisationsarchitektur für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens macht es für das Management nötig, sich mit den Herausforderungen der jeweiligen Organisationsarchitektur für die Unternehmensführung auseinanderzusetzen." Dabei stellen die Autoren die Grundzüge des "funktionalen OrganisationsdesignS", der Geschäftsfeldorganisation, der Projektorganisation und der Prozessorganisation dar und zeigen auf, welche spezifischen unterschiedlichen Anforderungen diese Organisationskonzepte an die jeweiligen Führungskräfte stellen. Sie betonen dabei die Notwendigkeit, bei einem Wechsel des Organisationsdesigns auf auf die Mitentwicklung der Führungsstruktur zu achten, was fast immer unterschätzt werde: "Nur wenn beide Dimensionen stimmig zueinander entwickelt werden, ist die erhoffte Leistungssteigerung tatsächlich zu realisieren".
Die Gewerkschaft ver.di hat am 29.11.2006 eine Fachtagung zum Thema "Stand und Perspektiven der psychotherapeutischen Versorgung" durchgeführt, deren Beiträge nun auf 142 Seiten auch nachzulesen sind. Prof. Jürgen Kriz nimmt in seinem Beitrag Stellung "Zur Lage der Psychotherapie in Deutschland" und setzt sich eingehend mit der aktuellen Entscheidung des G-BA bezüglich der Gesprächspsychotherapie auseinander. Prof. Manfred Zielke von der Universität Mannheim betont, dass die symptomatische Belastung von Patienten in stationärer psychotherapeutischer oder psychosomatischer Behandlung stark zugenommen habe. In diesem Zusammenhang habe auch die Häufigkeit des Medikamentenabusus zugenommen. Prof. Harald Rau von den Zieglerschen Anstalten Wilhelmsdorf setzt sich am Beispiel der Behandlung von Depressionen mit Fragen der Effektivität von einseitiger Psychopharmakotherapie, von Kombinationsbehandlungen und von ausschließlicher Psychotherapie auseinander. Prof. Dr. med. Arno Deister, Chefarzt der Klinik in Itzehoe stellt ein Klinikleitungsmodell vor, in dem der dortige leitende Psychologe/Psychotherapeut als Funktionsoberarzt der Führungsebene angehört. Prof. Dr. phil. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, verweist in seinem Beitrag auf die Notwendigkeit der Vermittlung von Organisationswissen über die Strukturen von Krankenhäusern und das spezielle Setting der Behandlung auf einer Station in einem multiprofessionellen Team bereits in der Psychotherapeutenausbildung. Auf der ver.di-website heißt es zusammenfassend: "Insbesondere verdeutlichte die Tagung, dass ein Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung auch unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll ist, Psychotherapie bereits heute einen bedeutenden Beitrag zur Gesundheitsversorgung leistet und unter verbesserten Rahmenbedingungen noch wesentlich mehr für die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung zu leisten in der Lage wäre. Da ein solch sinnvolles und methodisch längst hochqualifiziertes Behandlungsmodell im Vergleich zum traditionellen medizinischen Modell immer noch relativ wenig Wertschätzung erfährt bzw. in der Berufs-, Gesundheits- und Sozialgesetzgebung bis heute mit einer Reihe von diskriminierenden Restriktionen belegt wird, ist aus Sicht der in ver.di organisierten PsychotherapeutInnen auch in dieser Hinsicht eine gesundheitspolitische Reformbewegung überfällig." Zur website, auf der die Dokumentation in zwei Teilen (PDF) heruntergeladen werden kann…
Mark Helle, Professor für klinische Psychologie an der Fachhochschule Magdeburg/Stendal, hat 2006 in einem von J. Hardt im Psychosozial-Verlag herausgegebenen Sammelband mit dem Titel "Gesellschaftliche Verantwortung und Psychotherapie" einen kritischen Aufsatz zur "Leitlinienkultur" in der Psychotherapie verfasst, die sich langsam und allmählich als Behandlungsstandard zu etablieren versucht. Diese Arbeit ist online auf der website der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie zu lesen. Ihr Anliegen ist es: "zum einen, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die drohen, wenn Leitlinien – wie sie gegenwärtig erstellt werden – kritiklos und auf direktem Wege in die Praxis übernommen werden. Zum anderen soll deutlich werden, dass in der derzeitigen Konzeption und Umsetzung von Leitlinien systematisch gegen die wissenschaftlichen Prinzipien verstoßen wird, für deren Hüter sich viele der Autoren von Leitlinien verstehen. Die wissenschaftlich anspruchsvollen und hoch kontrollierten Studien, welche die Basis der Erstellung von Leitlinien bilden, weichen in so vielen Punkten von der psychotherapeutischen Versorgungswirklichkeit ab, dass eine Generalisierung der so gewonnenen Erkenntnisse auf die psychotherapeutische Praxis unzulässig und unwissenschaftlich ist." Zum vollständigen Artikel…
Im Heft 4 der "Familiendynamik" erschien 2004 ein Beitrag der amerikanischen Soziologin Arlie Russell Hochschild, die sich einen Namen durch ihre Untersuchungen zur "Gefühlsarbeit" in Dienstleistungsberufen gemacht hat, die heutzutage eine immer größere Rolle in der Berufswelt spielt. Diese lesenswerte Arbeit ist im englischen Original auf ihrer website bei der Universität Berkeley zu finden unter dem Titel "The Commodity Frontier", unter dem der Text auch erstmals veröffentlicht wurde, nämlich im Band "Self, Social Structure and Beliefs:Essays in Sociology", der von Jeffery Alexander, Gary Marx and Christine Williams ebenfalls in 2004 herausgegeben worden ist. Im deutschen abstract heißt es: "In diesem Aufsatz untersuche ich die Reaktionen von Studierenden auf eine Anzeige, in der im Internet eine Stelle angeboten wurde, bei der eine weibliche Bewerberin viele Aufgaben übernehmen sollte, die normalerweise von einer Ehefrau übernommen werden - sie sollte beispielsweise Rechnungen bezahlen, als Gastgeberin fungieren, Reisebegleiterin spielen, »sinnliche Massagen« geben und vertrauliche Mitteilungen für sich behalten. Ich fragte die Studierenden, inwiefern und warum sie diese Anzeige irritierte. Meines Erachtens liegt die Antwort nicht darin, dass die Kommerzialisierung des Privatlebens ein neues Phänomen wäre, sondern darin, dass wir a) von der Existenz einer kulturellen Sphäre ausgehen, die vom Markt getrennt ist, b) im Hinblick auf die Form und Kontinuität unserer Familie und des Lebens in der Gemeinschaft immer unsicherer sind, c) die Rolle der Ehefrau und Mutter als »unerschütterlicher Fels« des Familienlebens zunehmend fetischisieren und d) es eine neue »Mami-Industrie« gibt, die diese Rolle in Frage stellt." Zum vollständigen Artikel…
Der Philosoph und Germanist Markus Hardtmann hat 2001 im Online-Magazin "paraplui" einen bemerkenswerten Aufsatz über die Paradoxie des Beobachtens in der Systemtheorie verfasst, der so elegant wie vergnüglich und so gründlich wie komplex ist, mithin zur aufmerksamen, womöglich auch mehrmaligen Lektüre empfohlen werden soll. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist folgender: "Niklas Luhmanns Systemtheorie weist sich selbst als ,Supertheorie' aus -- als eine Theorie also, die von allem handelt: von Gott und der Welt. Beobachten besteht für Luhmann in nichts als der steten Verschiebung des blinden Flecks von einem Beobachter zum nächsten. Um dies zu behaupten, braucht es den Allschluss vom Dorn im Auge eines bestimmten Beobachters auf den Pfahl im Auge sämtlicher Beobachter. Wenn aber Luhmann den Fehler des Teufels vermeiden will, sich beim Beobachten des Ganzen selbst zu vergessen, muss er dann nicht -- wie Gott -- neben dem Beobachteten zugleich auch sich selbst beim Beobachten beobachten?" Teufel auch, eine nachdenkenswerte Frage. Zum vollständigen Text…
Der DGB hat in Kooperation mit einem sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut über 6.000 abhängig Beschäftigte nach ihren Arbeitsbedingungen befragt und erstmals einen Index "Gute Arbeit" erstellt, der zukünftig jährlich aktualisiert werden soll. Auf der eingerichteten website besteht die Möglichkeit, den eigenen Index durch Ausfüllen eines Online-Fragebogens festzustellen. Bei der Befragung ergab sich, dass nur 12 % ihre Arbeitsqualität als gut bewerteten, 54 % als Mittelmäßig und 34 % als schlecht. 12% Gute Arbeit: "Unter acht Beschäftigten ist einer, der seine Arbeitssituation positiv bewertet – ein Indexwert von 80 und darüber ist das Ergebnis. Ein hohes Maß an Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten, eine sinnhaltige Arbeit, wenige körperliche und emotionale Belastungen, ein angemessenes Einkommen samt einem hohen Grad beruflicher Zukunftssicherheit, ein unterstützendes, entwicklungs- und lernförderliches Arbeitsorganisations-Umfeld – unter solchen Bedingungen sind in den meisten Fällen Beschäftigte tätig, die Gute Arbeit haben. („In den meisten Fällen“ bedeutet: Hier und da gibt ein Befragter seiner Arbeitssituation in dieser oder jener der erwähnten Dimensionen eine schlechte Note, erreicht aber dennoch einen Gesamt-Indexwert von mindestens 80.) Der Durchschnitt der Teilindizes in den Wertungen dieser Gruppe: Ressourcen 83, Belastungen 92, Einkommen & Sicherheit 85, ergibt einen Gesamtwert von 87 Punkten. 54 Prozent Mittelmäßige Arbeit. Gut die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitet unter Bedingungen, die mit Werten zwischen 50 und 80 zu quantifizieren sind. Mittelmäßige Arbeit weist im Vergleich zu den beiden anderen Qualitätsstufen weniger Einschlägiges auf. Häufig sind den Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten enge Grenzen gezogen, dafür sind sie etlichen belastenden körperlichen und emotionalen Anforderungen ausgesetzt. Die Arbeitsbedingungen bergen wenig Entwicklungs- und Lernförderliches, es fehlt an einem unterstützenden Führungsstil, die Einkommensbedingungen sind unzureichend, auch die Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft belastet die Beschäftigten. Für die Teilindizes lautet das Ergebnis: Ressourcen 70 Punkte, Belastungen 72, Einkommen & Sicherheit 50. Der Durchschnitt beträgt 64 Punkte. 34 Prozent Schlechte Arbeit. Jeder dritte Beschäftigte bewertet seine Arbeitssituation negativ – Indexwert 50 und weniger. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dieser Gruppe angehören, haben in der Regel hohe Belastungen (wie Mangel an Respekt, körperliche Schwerarbeit, einseitige
Belastungen oder emotionale Überforderung) auszuhalten, dabei aber kaum Entwicklungsmöglichkeiten in ihrer Arbeit. Sie erhalten ein Einkommen, das weder ihren Leistungen angemessen ist noch ihren Bedürfnissen gerecht wird, und leben häufig in großer Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft. Nahezu alle Faktoren fehlen, durch die Arbeit zu einer Quelle des Wohlbefindens der Arbeitenden selbst werden kann. Die Wertung nach Teilindizes: Ressourcen
48 Punkte, Belastungen 44, Einkommen & Sicherheit 20. Der Gesamt-Index beträgt 38 Punkte." Zur "Gute-Arbeit"-website…
Im Jahre 1973, als ich mein Studium der Sozialwissenschaften begann (das mit einer Diplomarbeit über Luhmann endete), führte Ulrich Boehm ein Interview mit Luhmann, in dem er ihn nach den Grundzügen der Systemtheorie (vor der "autopoietischen Wende") befragt. Aus diesem Interview ist bei Youtube ein knapp sechsminütiger Ausschnitt zu sehen, eindrucksvoll das 70er-Jahre-Ambiente (immerhin vor 34 Jahren):
Unter diesem Titel ist 2003 in "Report. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung" ein Aufsatz des immer faszinierenden und klugen Siegfried J. Schmidt (Foto: Halem-Verlag) erschienen, der sich mit den schwierigen Lernverhältnissen beschäftigt. Damit sind für ihn schwierige Beobachtungsverhältnisse gemeint, schwierige Orientierungsverhältnisse, schwierige Beeinflussungsverhältnisse, schwierige Wissensverhältnisse und schwierige Entscheidungsverhältnisse. Der Aufsatz beginnt folgendermaßen: "Kultürlich – ich borge diesen Ausdruck von P. Janich – wissen wir, was ,Lernen' ist. Schließlich gehen wir jeden Tag damit um, schreiben es uns und anderen zu oder ab, besuchen besondere Orte des Lernens wie Schulen, Bibliotheken, Universitäten usw. Wir gehen mit diesem Begriff im Alltag ebenso sicher um wie mit anderen wichtigen Begriffen, wie z. B. Gedächtnis und Verstehen, Wissen und Kultur, Kommunikation und Wirklichkeit, und das ohne Explikation und Definition – oder gerade deswegen? Wissenschaftliche Bemühungen um eine zumindest inreichende Definition solcher Begriffe tun sich da viel schwerer. Verschiedene Disziplinen bieten sehr unterschiedliche Definitionen von Lernen an, die sich nicht zu einer kohärenten Gesamtdefinition synthetisieren lassen. Das verwundert den Beobachter solcher Bemühungen auch keineswegs; hat doch jede Disziplin bei der Verwendung dieses Begriffs einen anderen Referenzbereich im Blick, der von physiologischen über psychologische bis hin zu sozialen, kulturellen und ökonomischen Aspekten reicht. Mit anderen Worten, jede Disziplin selektiert mit Hilfe des Begriffs Lernen andere Phänomenbereiche, die dann als ,Lernen' konzipiert werden. Im Unterschied zu solchen einzelwissenschaftlichen Versuchen, inhaltlich bestimmen zu wollen, was Lernen ,ist', soll im Folgenden darüber nachgedacht werden, wie wir über ,Lernen' reden und welche Plausibilität ein solcher Diskurs erreichen kann." Zum vollständigen Aufsatz…