Monday, April 30. 2007
 Irmhild Saake, Akademische Rätin am Münchener Lehrstuhl für Soziologie (Armin Nassehi), hat sich intensiv mit der Konstruktion des Alters befasst. In einem Vortrag, den sie auf der Tagung der Sektion 'Alter(n) und Gesellschaft' der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Jahre 2001 gehalten hat, geht es ihr um einen "systemtheoretischen Ausweg aus gerontologischen Denkschleifen": "Womit beschäftigen wir uns, wenn wir das Alter erforschen? Mit dem Alter? Mit alten Menschen? Mit alten Körpern? Oder gar nur mit Alternsforschern und ihren Theorien? Seit Hans-Peter Tews’ demographischen Studien sprechen wir statt vom Alter besser von Altersbildern. Und auch Hans Joachim von Kondratowitz weist immer wieder darauf hin, dass wir es mit "kulturellen Repräsentationen" zu tun haben. Ich möchte im folgenden diesen Hinweisen folgen und diesen Ansatz noch ein wenig radikalisieren. Wenn wir von Altersbildern reden, beobachten wir Semantiken, die eine Inklusion von Personen qua Alter nachzeichnen. Und was wir dann sehen können, sind alte Menschen. Genau das will ja die Gerontologie und man sollte meinen, damit wäre der Rahmen einer entsprechenden Erforschung des Alters abgesteckt. Meine These lautet nun aber: Solange die Alternsforschung sich damit zufrieden gibt, nach Alter zu fragen, verfängt sie sich in gerontologischen Denkschleifen, die immer wieder neue Altersbilder produzieren. Was bleibt, ist dann nur noch der Streit über richtige oder falsche Bilder. Statt dessen möchte ich vorschlagen, den Entstehungsweg dieser Altersbilder zurückzuverfolgen und sie auf ihre Plausibilität hin zu untersuchen. Das Alter erscheint dann nicht als Problem, sondern als Lösung eines Problems. Mit der Verwendung der Kategorie Alter entstehen Strukturen, die uns die Kommunikation erleichtern und - so kann man nun auch sehen - die vielleicht auch anders aussehen könnten. Statt über Alter könnte man auch über anderes reden. Die Kategorie Alter wird so ihrer ontologischen Würde entkleidet und wird nun befragbar im Hinblick auf Konstanzen und Varianzen, die sich mit diesem Thema verbinden lassen. Ich möchte Sie zunächst mit ein paar konstruktivistischen Gedanken für diesen Perspektivenwechsel begeistern (1), werde dann auf systemtheoretischer Basis Inklusionen qua Alter untersuchen (2), um dann die Konsequenzen für die Alternsforschung zu beleuchten (3)." Zum vollständigen Text…
Sunday, April 29. 2007
Thomas Wagner befasst sich mit dem systemtheoretisch formulierten Spannungsfeld zwischen Hilfe und Nichthilfe in der Sozialarbeit und warnt davor Hilfe mit sozialer Inklusion und Nichthilfe mit Exklusion gleichzusetzen: "Nicht zuletzt deshalb kann die Differenz von Exklusion und Inklusion (…) auch nicht als eine Differenz von Problem und Lösung missverstanden werden. Soziale Arbeit scheint hier auf die vermeintliche Attraktivität des Begriffes der Exklusion zur Beschreibung sozialer Missstände hereinzufallen und demgegenüber in Inklusion die Lösung dieser zu sehen.9 Doch gerade auch die Formen der Inklusion in soziale Systeme sollte genauer beobachtet und auf keinen Fall … mit Gleichheit verwechselt werden. Letztlich sind es die Funktionssysteme die Ungleichheiten und, abweichend zu Nassehis Haltung, auch Exklusionen hervorbringen. Soziale Arbeit wäre an dieser Stelle gut darum beraten das vermeintliche Ziel ihrer Tätigkeit daraufhin zu beobachten, ob es selbst nicht Teil des eigentlichen Problems ist, gegenüber dem in manchen Fällen sogar vielmehr Exklusion als Lösung erscheint (…). Bei der Beobachtung Sozialer Arbeit muss somit auch immer ihre gesellschaftliche Umwelt mit in den Blick genommen werden. Wenn Soziale Arbeit als eine auf Inklusionsprobleme bezogene Form sozialer Hilfe angesehen werden soll, dann sollte dies auch eine Reflexion der Art und Weise nach sich ziehen in der Individuen durch Gesellschaft Berücksichtigung finden, was letztlich auch einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Strukturen impliziert. Die Beobachtung und Thematisierung kommunikativer Strukturen sollte sich demnach nicht nur auf Personen erstrecken sondern auch auf die dahinter stehenden sozialen Systeme, die diese gemäß ihrer eigenen Systemrationalität konstituieren, gebrauchen und missbrauchen - oder eben auch vergessen." Zum vollständigen Text…
Thursday, April 26. 2007
 Rudolf Stichweh macht sich in einem Aufsatz mit dem Titel "Inklusion und Exklusion in der Weltgesellschaft – Am Beispiel der Schule und des Erziehungssystems" Gedanken über das Verhältnis von Ein- und Auschließung aus sozialen Interaktionssystemen. Er beginnt dabei mit der ereignishaften Inklusion bzw. Exklusion von Schülern im Unterricht und landet schließlich doch bei der globalisierten Weltgesellschaft. Sein abschließendes Resümee dabei: "Es handelt sich bei Inklusion und Exklusion um eine Gegenbegrifflichkeit, in der einer der beiden Begriffe der Unterscheidung die Unterscheidung dominiert und den ihm gegenüberstehenden Begriff einschließt. In diesem Fall ist dies der Begriff der Inklusion, weil auch die noch so zugespitzten Exklusionen zugleich in die Form einer Inklusion gebracht werden müssen. Das ist nicht unbedingt eine optimistische Folgerung, weil, wie sich am Fall des Gefängnisses leicht zeigen lässt, die in die Exklusion eingebauten Institutionen der resozialisierenden Inklusion sich vielfach als problemverschärfend erweisen. Aber es ist eine Folgerung, die in zwei Hinsichten Spezifika der Weltgesellschaft sichtbar macht: Erstens führt sie uns einmal mehr vor Augen, wie sehr die Weltgesellschaft ein System ist, das ohne ein soziales Außen operiert, weil es auch die in ihm vollzogenen Ausschlüsse in neuen Formen wieder in sich inkorporiert. Zweitens weist diese Folgerung auf die Dynamik der Weltgesellschaft der Moderne hin. Die brasilianische Favela, die Luhmanns Überlegungen zu Inklusion und Exklusion inspiriert hatte, ist vermutlich nicht, wie Luhmann dies noch gedacht hatte, ein stabil abgesonderter Exklusionsbereich; sie ist vielmehr mitten in der Gesellschaft und mitten in den Städten (in Rio de Janeiro auf den Hügeln innerhalb der Stadt) ein Zentrum des Hervorbringens immer neuer und vielfach devianter Inklusionen und Vernetzungen. Sie unterläuft die funktionale Differenzierung und setzt sie lokal außer Kraft (wie dies die Kurzschlüsse kriminellen Handelns auch anderswo vielfach tun). Aber sie speist das, was sie erfindet, wieder in die Gesellschaft und in deren globale Funktionssysteme ein." Zum vollständigen Aufsatz…
Monday, April 23. 2007
 Im Heft 1 des Psychotherapie Forum erschien 1999 ein Artikel von Peter Kaimer über "Lösungsfokussierte Therapie", die er von der "Lösungsorientierten Therapie" unterscheidet. Der Text ist auf seiner Website auch online zu lesen. Zum benannten Unterschied schreibt er: "Der Titel “Lösungsfokussierte Therapie” ist erklärungsbedürftig. Im anglo-amerikanischen Raum wird seit einiger Zeit, zumindest wenn man die Diskussionen im Internet beobachtet, zwischen lösungsorientiert und lösungsfokussiert unterschieden. Diese Unterscheidung schlage ich auch hier vor. Der Unterschied zwischen Lösungsorientierter und Lösungsfokussierter Therapie liegt einerseits in der Radikalität bezüglich der aktiven Thematisierung von präsentierten Problemen durch die Therapeut/inn/en. Während Lösungsorientierte Therapie hier eine eher “weiche” Linie verfolgt und durchaus bereit ist, das Problemverständnis zu vertiefen, verzichtet Lösungsfokussierte Therapie darauf weitgehend (wobei es vielleicht korrekter wäre zu sagen, dass sie der Versuchung widersteht...). Andererseits kommt bei lösungsorientierter Therapie aber auch der durch die Therapeutin initiierte Einsatz von therapeutischen Techniken, wie sie traditionell von verschiedensten Schulen beschrieben wurden, zur Anwendung (überzeugend verkörpert durch die Arbeit von Bill O’Hanlon …). Damit entspricht diese Richtung auch eher dem Bild, das man sich von einem expertenorientierten Therapieangebot macht, wo erprobte Techniken als Mittel zur Veränderung des Problemzustandes angeboten werden. Mit dem Begriff Lösungsfokussiert beziehe ich mich speziell auf die Konzeption des Brief Family Therapy Center (BFTC- in Milwaukee, Wisconsin, USA), welche vor allem durch die Arbeiten und weltweiten Workshops von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg (…) verbreitet wurden und die im folgenden ausführlich dargestellt werden soll." Zum vollständigen Text…
Sunday, April 22. 2007
An der Arbeitseinheit für Medien- und Organisationspsychologie der Universität des Saarlandes (Leitung Prof. Dr. phil. Peter Winterhoff-Spurk) ist aus einem Seminar in Organisationspsychologie im Sommersemester 2005 ein umfassender 148 Seiten starker Reader über "Systemische Beratung in Organisationen" entstanden, der als PDF online veröffentlicht worden ist. Er orientiert sich stärker an Geschichte, Philosophie und Methodologie der Systemischen Therapie als beispielsweise an der Organisationstheorie, fasst aber die Grundsätze systemischer Theorie und Praxis gut zusammen, ist gut lesbar und bietet eine schöne Orientierung für alle, die sich mit dem Systemischen Ansatz erstmals auseinandersetzen wollen. Zum vollständigen Text…
Thursday, April 19. 2007
 Hubert Markl, emeritierter Professor für Biologie an der Universität Konstanz und ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Max-Planck-Gesellschaft, hat im neuen Merkur einen bemerkenswerten Aufsatz mit dem Titel "Menschenleben heißt Sterbenlernen" verfasst, der sich mit der Todesverleugnung in unserer Gesellschaft beschäftigt: "Die derzeitige Debatte über unsere demographische Wirklichkeit dringt unaufhaltsam aus Forschungsinstituten und Hörsälen in die Medien und erobert die Köpfe derer, die doch längst zugleich Verursacher und Opfer dieser Entwicklung sind. Viele meinen, sich nur um Altersversorgung, Rentensicherheit und Pflegenotstand ängstigen zu müssen. Andere flüchten vor der Wirklichkeit in Nachwuchssehnsüchte oder Schönrederei des Alterns. Aber wer die Menschheit auf längere Sicht überleben lassen will, kann nicht deren weiteres unbegrenztes Wachstum erträumen; und er weiß auch, daß der demographische Übergang in den bevorstehenden Generationen eine Sterbewelle an Alten zur Folge haben wird, die der – zumeist infektionskrankheitsbedingten – Sterbewelle der Jüngsten in früheren Jahrhunderten nicht nachsteht und dennoch nur scheinbar gleicht. Denn wo diese grausam, aber schnell für die unvermeidliche Populationsbegrenzung durch den frühen Tod von Kindern sorgte, die kaum ins Bewußtsein einer Gemeinschaft getreten waren, bringt es der medizinische Fortschritt im Verein mit humanitärer Gesinnung mit sich, daß das Sterben der vertrauten und mitten im Leben der Gesellschaft stehenden Alten viel grausamer hinausgezögert und bis zur Unerträglichkeit verlängert wird. Verbunden wird dies mit dem Todesbekämpfungswahn eines gewichtigen ökonomischen, aber karitativ einherkommenden Sektors, der sich auch an notwendiger Pflege, Betreuung und Behandlung geschickt zu bereichern weiß, während er dabei immer nur von Gottesfurcht und Menschenliebe redet und manchmal geradezu von erhabener Moral trieft (aber oft auch tatsächlich von ihr überzeugt ist)." Der Beitrag mündet in ein nachdrückliches Plädoyer für die unveräußerbare Verfügung des mündigen Bürgers über sein eigenes Leben und seinen eigenen zukünftigen Tod, gerade auch bestimmt für den Zeitpunkt, in dem er diese Verfügung selbst nicht mehr in eigene Hände nehmen kann: "Es grenzt schon ans Groteske, wenn Grundgesetz und Staat den eigenen Willen von Bürgern in Vermächtnissen und Stiftungswillensbekundungen bis weit über den individuellen Tod hinaus schützten, die Eigenverfügung über Leib und Leben des Einzelnen selbst jedoch für minder beachtlich fänden – eine andere Art, Eigentum über Leben zu beanspruchen, selbst wenn der Einzelne dies als lästiges Verhängnis und Übel empfinden sollte. Wer Selbsttötung aus freier Entscheidung wie eine Geisteskrankheit diffamiert, versucht dem Menschen Würde und Freiheit zu rauben, wenn diese sich gerade im Extremfall bewähren müssen." Zum vollständigen Text…
Wednesday, April 18. 2007
 Der Sammelband über "Schizophrenie und Familie" aus dem Jahre 1960, der Ende der 60er Jahre von Jürgen Habermas und Niklas Luhmann in der deutschen Übersetzung herausgebracht wurde, ist längst ein Klassiker der Familientherapie-Literatur und gehört zum Kern systemischer Geschichte. Eine Anschaffung empfiehlt sich also für alle, die sich für die Ursprünge der gegenwärtigen Entwicklungen im systemischen Feld interessieren. Der Beitrag von Don D. Jackson, Mitbegründer und Spiritus Rector der Palo Alto Gruppe, zur "Kritik der Literatur über die Erblichkeit von Schizophrenie" ist auch online zu lesen. Zum vollständigen Text…
Saturday, April 14. 2007
In der qualitativen Sozialforschung hat sich der Ansatz der "Grounded Theory", der von Anselm Strauss und Barney Glaser repräsentiert wird, weithin Ansehen verschafft. In einer Arbeit für die Open Access-Zeitschrift "Qualitative Sociological Review" 2005 haben Barry Gibson, Jane Gregory und Peter G. Robinson versucht, die Schnittstellen der Grounded Theory mit der Systemtheorie Niklas Luhmanns herauszuarbeiten. In ihrem abstract heißt es: "The aim of this paper is to outline how a theoretical intersection between systems theory and grounded theory could be articulated. The paper proceeds by marking that the important difference between systems theory and grounded theory is primarily reflected in the distinction between a revision of social theory on the one hand and the generation of theory for the social world on the other. It then explores figures of thought in philosophy that relate closely to aspects of Luhmann’s theory of social systems. An effectual intersection, an operational intersection, an intersection based on the concept of primary redundancy and a global/transcendental intersection between systems theory and grounded theory are proposed. The paper then goes on to briefly outline several methodological consequences of the intersection for a grounded systems methodology. It concludes by discussing the sort of knowledge for the social world that is likely to emerge from this mode of observation." Zum vollständigen Artikel…
Thursday, April 12. 2007
Es ist mittlerweile ein Allgemeinplatz geworden, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit in Organisationen aller Art von einer offenen und nicht anklagenden Kommunikation über Fehler und Schwierigkeiten bei der Arbeit profitieren kann. Umgekehrt blockiert das Schweigen über Probleme und Fehler (aus welchen Gründen auch immer) nicht nur die Verbesserung der Zusammenarbeit, sondern ist in bestimmten Feldern ausgesprochen gefährlich, etwa in Krankenhäusern. Bekannt ist, dass bei dem weitaus größten Anteil von Todesfällen Patienten nicht an den Krankheiten sterben, wegen derer sie ins Krankenhaus gekommen sind. In der Zeitschrift "Health Services Research" (8/06) ist ein interessanter Artikel von Kerm Henriksen und Elizabeth Dayton aus Rockville (Maryland) erschienen, der sich mit dem Schweigen in der Organisation und den damit verbundenen Gefährdungen der Patientensicherheit beschäftigt. Blackwell Publishing hat diesen Artikel, der auch über Krankenhaus-Organisationen hinaus von Interesse ist, online freigegeben. In der Zusammenfassung schreiben die Autoren: "Organizational silence refers to a collective-level phenomenon of saying or doing very little in response to significant problems that face an organization. The paper focuses on some of the less obvious factors contributing to organizational silence that can serve as threats to patient safety. Converging areas of research from the cognitive, social, and organizational sciences and the study of sociotechnical systems help to identify some of the underlying factors that serve to shape and sustain organizational silence. These factors have been organized under three levels of analysis: (1) individual factors, including the availability heuristic, self-serving bias, and the status quo trap; (2) social factors, including conformity, diffusion of responsibility, and microclimates of distrust; and (3) organizational factors, including unchallenged beliefs, the good provider fallacy, and neglect of the interdependencies. Finally, a new role for health care leaders and managers is envisioned. It is one that places high value on understanding system complexity and does not take comfort in organizational silence." Zum vollständigen Text…
Wednesday, April 11. 2007
 So lautet der Titel der Dissertation von Brigitte Gemeinhardt, systemische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg–Eppendorf aus dem Jahre 2005. "Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist die nach der Funktionalität des Symptoms der Alkoholabhängigkeit in der Mehrgenerationenperspektive auf verschiedenen Ebenen des familiären Systems. Die Betrachtung der den familiären Strukturen zugrunde liegenden Muster ist dabei ein wesentlicher Schritt zur Beantwortung dieser Fragestellung. Es wurde erwartet, dass die Ergebnisse zur Formulierung einer Theorie bezüglich der Funktionalitäten der Abhängigkeitserkrankung über die Generationen beitragen können. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden die Muster in den Herkunftsfamilien von sechs Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit betrachtet. Die Betroffenen befanden sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung in der stationären Behandlung zum qualifizierten Alkoholentzug. Das Genogramm, ein in Therapie und Diagnostik etabliertes Instrument zur Strukturierung mehrgenerationaler Daten diente als Erhebungsinstrument. Die Ergebnisse zeigen in allen Biografien eine Funktionalität der Alkoholabhängigkeit auf unterschiedlichen Ebenen auf. Diese sind im Gesamtzusammenhang einzigartig, in vielen Facetten jedoch vergleichbar und stellen sich in einer großen Variationsbreite dar. So stellt die Erkenntnis, dass das Symptom der Suchtmittelabhängigkeit im familiär systemischen Kontext sowohl eine individuelle als auch eine familiäre bzw. beziehungsgestaltende Funktion einnehmen kann, ein wichtiges Ergebnis dar. Ein Symptom kann hier auch – im systemischen Sinne - generell von anderen Familienmitgliedern übernommen, quasi „vererbt“ werden. In einer Gesamtbetrachtung lassen die Ergebnisse verschiedene Schlüsse zu, die auf andere Familien von alkoholkranken Patienten übertragbar scheinen." Zum vollständigen Text…
Sunday, April 8. 2007
 Zum 25jährigen Jubiläum des Instituts für Familientherapie Weinheim im Jahre 2000 brachte die Zeitschrift systhema ein bereits 1995 erstmals erschienenes Sonderheft der mit dem Titel "Zugänge zu familiären Wirklichkeiten. Eine Einführung in die Welt der systemischen Familientherapie" heraus, das von den Autoren Arist von Schlippe, Haja Molter und Norbert Böhmer als Beiheft zu ihrem gleichnamigen Einführungsfilm in das Thema gedacht war. Der Film erschien als Produktion der Video-Cooperative Ruhr, das Heft, das auf 48 Seiten einen leicht verständlichen Überblick über die Basics des systemischen Ansatzes gibt, steht als Download kostenlos zur Verfügung, und zwar unter diesem Link…
Thursday, April 5. 2007
 In einem längeren Interview von 1993, das der Publizist Rudolf Maresch (Foto) mit ihm führte, äußert sich Niklas Luhmann über Fragen, die die praktische und politische Relevanz seiner Theorie für die Probleme der Gegenwart betreffen. Auf die abschließende Frage nach der zukünftigen Rolle der Intellektuellen antwortet er: "Meine Polemik richtet sich gegen die Identifikation des Intellektuellen mit Ideen. Er unterliegt dann immer dem Problem, die Fahnen wechseln zu müssen, wenn diese Ideen aus der Mode kommen wie jetzt die 68er. Als Identität haben sie jetzt nur noch den Protest, den sie über mehr als 20 Jahre konserviert haben. Wenn man die logische, mathematische und philosophische Entwicklung auf Paradoxie oder paradoxe Formen der Begründung hin anstelle eines Prinzips oder einer Einheitsbeschreibung akzeptiert, gibt es nur noch kreative und keine logischen Lösungen mehr. Aus Paradoxien kommt man durch richtiges Argumentieren nicht hinaus. Man muß sich demnach fragen: Gibt es eine Konstruktion, die uns momentan erträglicher erscheint? Der Staat etwa ist ein Paradox, insofern jede Kommunikation, die er macht, das Recht, so zu kommunizieren, zerstört. Mit Paul de Man könnte man formulieren: die performative Seite der Textproduktion widerspricht der konstativen. Was wäre dann eine plausible Staatsform, wenn es sowohl der Wohlfahrtsstaat als auch der Verfassungsstaat nicht mehr bringen? Reizvoller und logisch ungesicherter ist es zu sagen, das Problem scheint sich jetzt auf Weltgesellschaft und auf Risiko zu verlagern. Der Staat muß jedoch eine gute Adresse bleiben. Er muß die Betroffenen von der zeitweisen Annahme von Risiko überzeugen, er muß politische Konflikte ethnischer oder religiöser Art zivilisieren und nicht mehr als Wohlfahrtsstaat bloß distributive Funktionen erfüllen. Ein solches Umdenken erfordert Phantasie, Unbefangenheit und Neugier, also gewisse Eigenschaften, die gemeinhin dem Intellektuellen zugeschrieben werden. Das ständige Rückführen auf Paradoxien und Auflösung von Paradoxien wäre folglich eine zukünftige Aufgabe, die den Intellektuellen nicht auf eine fachspezifische oder rein ökonomische und politische Rolle und auch nicht auf Ideen festlegen würde." Zum vollständigen Interview…
Monday, April 2. 2007
 Dirk Baecker ist auf der Suche nach dem "guten Krankenhaus" von morgen, das er in einem "einem ebenso differenzierten wie unübersichtlichen Netzwerk der Krankenbehandlung" platziert sieht. Sein Beitrag, dessen Manuskript auf seiner Website zu lesen ist, erscheint im April 2007 in einem von Irmhild Saake und Werber Vogd herausgegebenen Band "Moderne Mythen der Medizin. Probleme der organisierten Medizin", der im Verlag für Sozialwissenschaften veröffentlicht wird. Das Resümee seines Textes: "Unsere hier vorgestellten Überlegungen zu den Variablen des Körperzustands, der Körperveränderung, der Interaktion, der Organisation und der Gesellschaft haben nicht zuletzt den Zweck, ein genaueres Beobachten der Art und Weise zu ermöglichen, wie auf dem Feld der Suche nach dem guten Krankenhaus die Karten neu gemischt werden. In dieser Hinsicht mag es verblüffen und beruhigen, dass der oft allzu verkürzt unter den Stichworten des benchmarking und der evaluation laufende Prozess einer globalen Ausweitung der Beobachtungshorizonte der Krankenbehandlung im Endeffekt eher auf Formen der Komplexitätsreduktion hinausläuft, die sich lokal durchsetzen lassen, wenn und weil sie sich global bewährt haben. Das benchmarking stellt den immer mitlaufenden Vergleich mit anderen administrativen und medizinischen Lösungen ähnlicher Problemstellungen sicher, wobei bereits in der Arbeit an der Problemstellung ein die Rationalität des Verfahrens sicher stellender Aufwand an Intelligenz stecken kann. Und die Bemühungen um Evaluation stellen sicher, dass einzelne administrative und medizinische Einheiten jene Befähigung zur Selbststeuerung erhalten können, die mit Netzwerkformen der Fremdsteuerung kompatibel sind (…), wobei auch hier gilt, dass die Arbeit an den Kriterien, an denen man sich messen lassen will und muss, bereits jenen Schritt zur Systemrationalität enthält, die es erlaubt, die Selbstkontrolle als ökologische Kontrolle im Netzwerk der unterschiedlichen Umwelten der einzelnen organisatorischen Einheiten zu entfalten. Im vielfach dezentrierten Zentrum des Geschehens steht jedoch nach wie vor das von Talcott Parsons beschriebene Arzt/Patient-Kollektiv (…). Unabhängig davon, wie sich die Netzwerke der Krankenbehandlung entfalten werden, wird es interaktiv, organisational und gesellschaftlich immer darauf ankommen, die Art und Weise zu moderieren, wie sich der Körper des Arztes dem Körper des Patienten nähert, dessen Zustände beschreibt und verändert und sich wieder von ihm löst. Technik und Bürokratie sind die Schnittstellen dieser ebenso körperlichen wie kommunikativen Begegnung, nicht die Bedingung ihrer Unmöglichkeit." Zum vollständigen Text…
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