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27.04.2011
Leslie S. Greenberg & Rhonda N. Goldman: Die Dynamik von Liebe und Macht. Emotionsfokussierte Paartherapie
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Reinhardt-Verlag, München Basel 2010
456 Seiten, kartoniert
Preis: 39,90 €
ISBN-10: 9783497021123
ISBN-13: 978-3497021123 |
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Reinhardt-Verlag
Georg Singe, Vechta:
Mit der Darstellung der emotionsfokussierten Paartherapie (EFT-P) wollen Leslie Greenberg und Rhonda Goldmann humanistisch erlebnisorientierte und systemisch interaktionistische Ansätze der Psychotherapie zusammenbringen. Die Übersetzung des 2008 in den USA erschienenen Werkes zeigt das wachsende Interesse der Fachöffentlichkeit an dem Konzept von EFT-P, das emotionale Prozesse und Beziehungsprozesse »als zentrale Bestandteile der zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt stattfindenden Entwicklungen und Veränderungen fokussiert. In das Werk fließen die jahrzehntelangen Erfahrungen Greenbergs als Individual- und Paartherapeut und seine Forschungen vor allem an der York University von Toronto ein. Als Schüler von Virginia Satir begann er in den 80er Jahren am MRI in Palo Alto seine emotionsfokussierte Konzeption zu for- mulieren, während Goldman als Schülerin Greenbergs sich ausgehend von konstruktivistischen und systemischen Theorien vor allem auch empirischen Methoden der Wirksamkeit eines emotionsfokussierten paartherapeutischen Modells widmete. Mittlerweile ist die EFT-P ausreichend erforscht, um »als evidenzbasierte Methode zur Behandlung von Eheproblemen gelten zu können« (S. 9). Bereits Ende der 1980er Jahre taucht der Begriff »emotionsfokussierte Therapie« auf. Greenberg stellte auf dem Hintergrund seines integrativen erlebensorientierten Einzeltherapieansatzes unter Einbeziehung nicht zuletzt der neurobiologischen Forschung die Emotionen selbst in den Mittelpunkt des paartherapeutischen Prozesses.
Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile. Zunächst wird im ersten Teil die grundlegende Theorie der EFT-P dargestellt. Im zweiten Teil werden die Arbeitsformen des paartherapeutischen Ansatzes aus emotionsfokussierter Perspektive differenziert erläutert. Der Interventionsrahmen und die -formen, der methodische Aufbau des paartherapeutischen Prozesses, die Reflexion auf die emotionale Verfassung des Therapeuten, die Interaktionen mit und zwischen den Klienten und die therapeutische Aufgabenstellung stehen im Mittelpunkt der Kapitel des zweiten Teils. Im dritten Teil des Buches werden einzelnen Emotionen wie Wut, Trauer, Angst, Scham, Liebe, Zuneigung, Fürsorge, Freude, Glück, Ruhe und Gelassenheit in den Mittelpunkt gerückt. Der paartherapeutische Umgang mit diesen Emotionen wird differenziert dargestellt und an praktischen Beispielen erläutert. Zudem werden die einzelnen Themenstellungen des Umgangs mit spezifischen Emotionen jeweils auf dem Hintergrund der theoretischen Ansätze vertieft.
Das Konzept der EFT-P basiert vor allem auf der Analyse der Bedeutung von Emotionen, die sich im Laufe der Evolutionsgeschichte immer weiter ausdifferenziert haben und in ihrer Komplexität nur auf dem Hintergrund eines dialektisch-konstruktivistischen Verständnisses zwischen Biologie und Kultur zu verstehen sind. Grundlegend sind die Erkenntnis der biologischen Bedeutsamkeit der Emotionen für die Selbstorganisation der Identität, die als »Organisation multipler Prozesse« (S. 52) auf mehreren Ebenen abläuft, auf der höchsten Ebene Sinn konstruiert und dadurch in der Interaktion mit anderen emotionsregulierend wirkt. »Emotionen und ihre Kommunikation bilden das Herzstück einer Ehe und einer Paartherapie« (S. 60).
Die Aufgabe der Affektregulierung in der Paartherapie setzt eine genaue Analyse der Arten verschieden wirkender Emotionen voraus. Die bessere Wahrnehmung der Emotionen, die Regulierung der Emotionen durch eine adäquate Ausdrucks- und Reflexionsfähigkeit sind die Grundbedingungen, um im therapeutischen Prozess auch Transformationsprozesse der Emotionen zu ermöglichen. Dies wird natürlich nur möglich auf dem Hintergrund einer entsprechenden Motivation. Die Motivationen zur Arbeit an der Affektregulation lassen sich als grundlegende Bedürfnisse nach Schutz, Sicherheit, Zuneigung, Liebe und Bindung verstehen. Identitätsentwicklung ist grundlegend vom Bindungsverhalten geprägt und die Prozessorientierung eines affektregulierenden Modells ist für den paartherapeutischen Prozess effektiver als ein strukturelles Modell (S. 114). Die Reflexion auf die Interaktionen in der Paarkommunikation steht somit vor der Aufgabe, die Emotionen in Kopplung mit den Motivationen und Kognitionen »erlebnisorientiert-systemisch« (S. 124) zu integrieren.
Dabei ist es zudem eine Aufgabe, bei den jeweiligen Konzeptualisierungen von Liebe und Bindung die Reflexion der Machtebene unter Einbeziehung der kulturell geprägten Genderfrage nicht außer Acht zu lassen. Macht und Dominanz ist das grundlegende komplexe Beziehungskonzept destruktiver Interaktionszyklen (S.131ff.). Dabei wird Macht im Gegensatz zur Liebe, die eine intrapsychische, emotionale Erfahrung darstellt, nicht als Gefühl, sondern interaktionsorientiert als beziehungsorientiertes Konzept beschrieben.
Diese Grundprinzipien werden im zweiten Kapitel im Hinblick auf den therapeutischen Prozess konkretisiert. In der Beschreibung von neun Behandlungsschritten in einem fünfstufigen Bezugsrahmen wird der Ansatz der EFT-P praktisch greifbar. Nach der Skizzierung der Problembereiche werden zunächst negativ empfundene Interaktionszyklen identifiziert und die dahinter liegenden Emotionen aufgespürt. Auf der Basis der wahrgenommenen Emotionen werden die Probleme neu definiert sowie abgespaltene Emotionen und Bedürfnisse in einer »wechselseitigen Akzeptanz der inneren Erfahrung des Partners« (S. 160) gefördert. So findet eine Restrukturierung der Interaktionen statt, die neue Lösungen ermöglicht, die zum Ende des therapeutischen Prozesses etabliert und konsolidiert werden müssen. Die therapeutische Kunst, destruktive Zyklen in der Kommunikation zu transformieren, ist vor allem eine Aufgabe im Hinblick auf die Interaktionen des Paares. Aber auch die Arbeit mit dem einzelnen Individuum muss parallel im Focus des Therapeuten stehen, um diese neuen Interaktionen zu ermöglichen. So hat der Therapeut auch die Aufgabe, problematische Reaktionspunkte beim Individuum aufgrund seiner Lebensgeschichte zu enthüllen und die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit seiner Gefühle (»felt sence«) zu fokussieren und über die empathische Validierung und Affirmation negativer Gefühle und innerer Verletzungen der Identität des Klienten die Grundlagen für die Arbeit an den Interaktionszyklen des Paares zu schaffen.
Greenberg und Goldmann erarbeiten die einzelnen Fragen sehr systematisch und durch die vielen praktischen Beispiele und Fallberichte werden für den Leser auf einer sehr fundamentalen Ebene die Arbeitsansätze, Ziele und Methoden transparent. Vor allem im dritten Kapitel, auf das inhaltlich im Rahmen dieser Rezension nicht eingegangen werden kann, wird der Ansatz sehr konkret und lebendig. Die einzelnen Kapitel sind auch in sich verständlich, über das Stichwortverzeichnis und eine ausführliche Literaturliste bestehen hinreichende Möglichkeiten, das Buch auch nur unter dem Fokus einzelner Fragestellungen zu lesen und zu nutzen.
Das Lehrbuch ist für alle systemisch orientierten Paartherapeuten, die die Bedeutung der Emotionen als grundlegend prägende Kraft menschlicher Paarbeziehungen neu entdecken wollen, eine hervorragende Möglichkeit, eigene Kompetenzen auf dem Hintergrund des aktuellen internationalen Forschungsstandes auszubauen. Auch als Nachschlagewerk zu einzelnen Themen ist das Buch für die Alltagspraxis systemischer Therapie eine große Bereicherung.
(Mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 1/2011)
Zur website von Leslie Greenberg "Emotion focused Therapy"
Ein Artikel von Greenberg aus Clinical Psychology and Psychotherapy "Emotion-focused Therapy"
Eine Leseprobe aus dem vorgestellten Buch: "Vom Umgang mit Wut in der Paartherapie"
Verlagsinformation:
Soll Paartherapie etwas bewirken, muss es „heiß hergehen“: Denn Emotionen heizen Konflikte an. Im Kampf um Macht in der Partnerschaft brechen sich Bedürfnisse nach sicherer Bindung, eigenständiger Identität und wechselseitiger Attraktivität in Gefühle Bahn. Oft stecken Verluste und Kränkungen aus der Kindheit dahinter. Hier setzt die Emotionsfokussierte Paartherapie an: Sie hilft Paaren, unbefriedigte Bedürfnisse und Verwundbarkeit hinter den heftigen Gefühlen aufzuspüren. Die Partner lernen, ihre Gefühle einzuordnen, zu meistern und für ihre Entwicklung als Paar und als individuelle Persönlichkeiten fruchtbar zu machen.
Inhalt:
Zum vollständigen Inhaltsverzeichnis (PDF)
Über die Autoren:
Prof. Leslie S. Greenberg, PhD, Klinik für Psychotherapeutische Forschung, York Univ., Toronto, Kanada, begründete die Emotionsfokussierte Psychotherapie.
Prof. Rhonda N. Goldman, PhD, Psychotherapeutin an der Argosy Univ. in Schaumburg /Illinois, U.S.A.
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