Start
Bücher
Neuvorstellungen
kurz vorgestellt
Klassiker
Vorabdrucke
Zeitschriften
Familiendynamik
Konfliktdynamik
Journ. of Fam.Ther.
Family Process
Kontext
OSC
perspekt. mediation
Psychoth. im Dialog
Psychother.Soz.Wiss.
rpm
Soziale Systeme
systeme
System Familie
systhema
ZSTB
Links
Beiträge
Feldpost
Salon
Interviews
Nachrufe
Glossen
Luhmann-Special
Kongressgeschichten
"Das erste Mal"
Begegnungen
Blinde Flecke
Mauerfall 1989
Von Klienten lernen
Bibliothek
edition ferkel
Berichte
Nachrichten
Kalender
Newsletter
Konzept
Institute
Info
Autoren
Kontakt
Impressum
Druckversion Druckversion
Copyright © 2013
levold system design
Alle Rechte vorbehalten.
systemagazin logo

Neuvorstellung zur Übersicht
21.09.2006
Andreas Manteufel, Günter Schiepek: Systeme spielen. Selbstorganisation und Kompetenzentwicklung in sozialen Systemen
Manteufel Schiepek Systeme spielen Vandenhoeck & Ruprecht 1998

237 Seiten mit 31 Abb. und 4 Tab., kartoniert

Preis: 28,00 €
ISBN 3-525-45821-5
Vandenhoeck & Ruprecht




Elisabeth Sticker, Köln:


Die Autoren plädieren für die Möglichkeit einer Verbindung von Forschung und Praxis.  Sie wollen in diesem Buch aufzeigen, daß ein solcher Spagat auch und gerade bei einem  so schwierigen Thema wie der Systemtheorie machbar und für beide Seiten nutzbringend  sein kann.
Gedacht ist das Buch für Menschen, die sich beruflich „im Umgang mit komplexen  Systemen bewähren müssen“ (S. 11), also für Therapeuten, Berater, Mitarbeiter eines  multiprofessionellen Teams, Manager, psychosoziale Helfer und für Studenten, die sich  auf solche Berufe vorbereiten. Bezüglich männlicher bzw. weiblicher Sprachformen wird  die „sprachlich konservative Lösung“ (S. 12) gewählt, jedoch betont, daß auch Frauen  gemeint sind (z. B. Begriff „Praktiker“). Ich finde dies von der Lesbarkeit her sehr angenehm.
In dem Buch werden die zehnjährigen Erfahrungen der Autoren mit der Durchführung von Systemspielen zusammengefaßt. Es gliedert sich in insgesamt 7 Kapitel mit  Unterpunkten, die zum Teil sehr anschaulich formuliert sind, z. B. Kapitel 1: „Die unerträgliche Leichtigkeit der Praxis: Psychosoziales Handeln in komplexen Systemen; Unterpunkt: „Man muß die Welt nicht verstehen, man muß sich darin zurechtfinden“ (S. 5).
Im ersten Kapitel werden die „typischen Praxiserfahrungen, aus denen die Relevanz  theoretischer Modelle von ... selbstorganisierenden Systemen deutlich wird“ (S. 9) skizziert.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen zum Verhältnis von  Theorie und Praxis. Aus diesen Ausführungen spricht ein erfrischend kritisches Selbstver- ständnis von Wissenschaft, z. B. „Überläßt man Wissenschaft sich selbst, neigt sie dazu,  so zu tun, als sei sie ein von der Gesellschaft isoliertes System“ (S. 33).
Im dritten Kapitel „Die Theorie der Praxis – die Praxis der Theorie“ geht es um die  theoretischen Grundlagen, insbesondere Selbstorganisation, Synergetik, Chaostheorie.  Die schwierige Thematik wird angemessen differenziert, im wesentlichen verständlich  erklärt, wobei manche Passagen für Nicht-Insider etwas schwer nachvollziehbar sein  dürften (insbesondere S. 39–56). Die Verständlichkeit könnte vielleicht verbessert werden, wenn das Grundmodell der Synergetik (Abb. 7, S. 54) nicht erst am Ende, sondern  bereits zu Beginn des Abschnitts stünde. Zwischendurch werden die Ausführungen durch  Beispiele aus Alltagssituationen veranschaulicht, etwa das Kreisspiel „Stille Post“ als  Beispiel für Autopoiese (S. 38), was wiederum zeigt, daß die Autoren an ihren „Theorie-Praxis-Spagatbemühungen“ erfolgreich festhalten. Abschließend zu diesem Kapitel werden noch einige empirische Ergebnisse zur Gruppenforschung angeführt. Es wird offensichtlich davon ausgegangen, daß die meisten Quellen vertraut sind, was die Leserschaft  auf einen Kreis von Insidern begrenzt. Als Nicht-Insiderin hätte ich mir konkretere Einzelheiten gewünscht, insbesondere zu Langosch (1991), dessen Untersuchung Ausgangspunkt für die dargestellten Studien war. Die gleiche Kritik gilt auch noch für andere Stellen des Buches (z. B. Piribauer 1995, erwähnt auf S. 176; Ulich et al. 1985, Proibst 1987,  beide erwähnt auf S. 194).
Im vierten Kapitel wird die eigene Methode, das Systemspiel, unter häufiger Bezugnahme auf das vorangegangene systemtheoretische Kapitel vorgestellt. Zu Beginn  werden einige klassische Ansätze zum Kinderspiel (z. B. Heckhausen, Flitner, Mogel,  Oerter) in die Begrifflichkeit eines selbstorganisierenden Systems übersetzt, was sehr  plausibel erscheint. Das Szenario des Systemspiels zur psychosozialen Versorgung einer  Heimgruppe Jugendlicher und die Auswertungsmethoden werden sehr konkret und differenziert dargestellt, so daß man eine genaue Vorstellung bekommt.
Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse des Systemspiels dargestellt. Hierzu finden sich zahlreiche aufschlußreiche Abbildungen. Allerdings bleibt die Bedeutung der verschiedenen Schattierungen in Abbildung 25 zu Phasenübergängen (S. 152) unklar. Insgesamt gesehen scheinen die Probleme in der Versorgung bestätigt: Professionelle Helfer  beschäftigten sich stark mit sich selbst (S. 132). Der Streß in der psychosozialen Versorgung erscheint als hausgemacht durch Professionelle, denn diese waren häufig Anlaß für  Streß bei Klienten, während das Umgekehrte nicht galt (S. 139). Selbst in einem geschützten Setting wie dem Systemspiel rieben sich die Helfer gegenseitig auf, was zur  Erklärung von Burnout-Erfahrungen herangezogen wird (S.139). Abschließend wird die  Systemspielmethode im Rahmen von Validitätsüberlegungen „als eine Art sozialpsychologisches Vergrößerungsglas“ (S. 167) bezeichnet, wobei aber auch methodische Probleme, z. B. das der Vermengung der Befindlichkeit als Rolleninhaber und als Teilnehmer  diskutiert werden.
Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, was Systeme aus Systemspielen  lernen können. Es geht um Qualitätssicherung hinsichtlich Versorgungs-, Struktur-, Prozeß- und Ergebnisqualität. Berechtigterweise wird angemerkt, daß diese Aufgabe im medizinischen Bereich über ausführliche, die Mitarbeiter zusätzlich belastende Dokumentationen in Angriff genommen wird: „Annäherung an Qualität über Quantität“ (S. 176). Der  Fragebogen zur Kundenzufriedenheit erscheint stellenweise zu grob (z. B. „Kennen Sie  die Professionellen und die anderen Klienten ... persönlich?“ S. 184) und sprachlich zu  kompliziert: Nicht jeder „normale Mensch“ kann mit Begriffe wie „Reflektieren“, „Dissens“ etwas anfangen (S. 184). Die Checkliste zur Erfassung von Qualitätskriterien (S.  186ff.) repräsentiert wohl ideale Verhältnisse, und könnte Praktiker aufgrund des hohen  Anspruchs eher frustrieren als motivieren, Verbesserungen vorzunehmen. Hier könnte  eine relativierende Abschlußbewertung hilfreich sein.
Im siebten Kapitel wird auf Systemkompetenz abgehoben. Naturgemäß können keine Ratschläge gegeben werden, sondern nur Vorschläge zum eigenen Experimentieren und zur eigenen Kompetenzförderung. Hierzu heißt es im Vorwort auf erfrischende Weise:  „Wenn dies ohne allzu großen Respekt vor der Komplexität sozialer Systeme, jedoch mit  Optimismus und Spaß geschieht, dann hat unser Buch seinen Zweck erfüllt“ (S. 11).  Das Buch umfaßt knapp 240 Seiten, darunter knapp 20 Seiten Anhang (Rollenbeschreibungen des Systemspiels „Psychosoziale Versorgung“ und Kennwerte des Auswertungsprogramms „Matrix“) und gut 10 Seiten Literaturangaben. Es enthält 4 Tabellen und  31 Abbildungen, wobei Abb. 30 und 31 besser zu den Tabellen gerechnet werden sollten.  Es finden sich kaum Druckfehler, eine sorgfältige Arbeit!
Fazit: Die Autoren werden ihrem eigenen Anspruch gerecht, einen Spagat zwischen  Forschung und Praxis zu versuchen. Das Buch kann für Fachleute, die in der psychosozialen Versorgung tätig sind, eine Bereicherung darstellen, insbesondere, wenn sie die Vorschläge zum eigenen Experimentieren aufgreifen und – am besten mit den Teamkollegen – in die Tat umsetzen. Auf diese Weise könnte etwas frischer Wind in das System psychosozialer Versorgung kommen, und den Professionellen gelänge es vielleicht besser, klientenorientiert und kooperativ zu handeln. Dies könnte nicht nur zur Verminderung von  Burnout-Erscheinungen, sondern auch zur Verbesserung der Lebensqualität für die Beschäftigten beitragen. Auch für wissenschaftstheoretisch Interessierte kann das Buch aufgrund der gelungenen Integration von Forschung und Praxis einen Gewinn darstellen.
(Mit freundlicher Erlaubnis aus Kontext 1999)





Verlagsinformationen:

Systeme spielen ist eine semantische Kippfigur: Zum einen illustrieren konkrete Beispiele aus der Praxis, wie komplexe soziale Systeme mit ihren Glasperlenspielen der Kommunikation ihre eigene Struktur und Ordnung hervorbringen. Zum anderen ist ein neues Spiel gemeint: Systemspielen. Aufgrund systemtheoretischer Überlegungen wurde die klassische Planspielmethode variiert – das Systemspiel war geboren. Diese Spielmethode dient Forschung und Praxis; so werden beide Seiten beleuchtet. Die modernen Systemtheorien gelten bei Praktikern gemeinhin als schwer verdauliche akademische Kost aufgrund des häufig hohen Abstraktionsgrads und ihres naturwissenschaftlichen Gehalts. Mit vielen Analogien, Praxisbeispielen und Bildern bereiten die Autoren die grundlegenden systemtheoretischen Konzepte schmackhaft zu. Ausführlich wird die Entwicklung und Durchführung des psychosozialen Spielszenarios vorgestellt; was zwischen »Klienten« und »professionellen Helfern« in einem Systemspiel abläuft, wird anhand der Auswertungsergebnisse erläutert. Viele geraten in der täglichen beruflichen Praxis in den Umgang mit komplexen Systemen. Auch wenn hier keine Verhaltensrezepte gegeben werden können und sollen, so ergeben sich doch Handlungsempfehlungen aus der Theorie dynamischer Systeme. Dabei werden die persönlichen Gestaltungsspielräume in Prozessen sozialer Ordnungsbildung verdeutlicht."



Suche
Heute ist der
Aktuelle Nachrichten
15.06.2014
Die Systemische Gesellschaft sucht zum 1. Januar 2015 neue Geschäftsführung
10.04.2014
W 3 Endowed Professorship for Systemic Family Therapy in Freiburg
08.04.2014
Gesundheitsausgaben 2012 übersteigen 300 Milliarden Euro
28.01.2014
Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt
17.12.2013
Diagnose Alkoholmissbrauch: 2012 wieder mehr Kinder und Jugendliche stationär behandelt

Besuche seit dem 27.1.2005:

Counter