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18.02.2006
Winfried W. Weber: Innovation durch Injunktion. Warum man Innovationen nicht planen (lassen) kann
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Sordon Verlag Göttingen 2005
gebunden, 256 Seiten
ISBN 3981022807
Preis: 34,80 € / 59,00 SFr. |
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Sordon Verlag Göttingen
Der Autor Winfried W. Weber, Göttingen, hat nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Politikwissenschaften und Erwachsenenbildung in Göttingen, Bremen und Witten/Herdecke an der Privaten Universität Witten/Herdecke als Dr. rer.pol. promoviert. Das vorliegende Buch geht auf ein Forschungsprojekt an der Privaten Universität Witten-Herdecke zurück, welches von 1998 bis 2001 bei Prof. Dr. Dirk Baecker am Rheinhard-Mohn-Stiftungslehrstuhl für Unternehmensführung, Wirtschaftsethik und gesellschaftliche Evolution durchgeführt und 2004 am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Witten-Herdecke, ebenfalls bei Prof. Baecker, zum Abschluss gebracht wurde. Das Forschungsprojekt beinhaltete eine schriftliche Befragung von 2.500 Führungskräften im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz). Darüber hinaus wurden fünfzig face-to-face-Interviews und fünfzig telefonische Interviews durchgeführt. Der theoretische Rahmen wird vor allem durch die Auseinandersetzung mit dem managementphilosophischen Ansatz von Tom Peters abgesteckt, dem der Erfolg in Deutschland bislang eher versagt geblieben ist. Dirk Baecker schreibt in seinem Vorwort, dass "Die zentrale These und eigentliche Leistung der Arbeit in allen drei Teilen (darin) besteht den unwahrscheinlichen Sachverhalt einer Innovation in einem Unternehmen (und in anderen Organisationen) als Ergebnis nicht von rationaler Planung, sondern von eher emotionaler Auseinandersetzung mit der Paradoxie der Injunktion zu beschreiben: Innovationen verdanken sich Aufforderungen. [...] Weber gelingt [...] das Kunststück, eine inzwischen nahezu unübersichtliche Literatur aus der Managementphilosophie und über die Managementphilosophie im Hinblick auf einerseits ihre organisationstheoretischen Motive und andererseits ihre unternehmenspraktischen Dreh- und Angelpunkte nicht nur zu ordnen und zu würdigen, sondern auch außerordentlich lebendig werden zu lassen." Er führt fort: "Im ersten Teil der Arbeit behandelt Weber die Darstellung des Erfolgs der Managementphilosophie und des Beratungsbooms. Das Phänomen Managementphilosophie und Beratung wird zwischen den beiden Polen von Scharlatanerie einerseits und notwendiges Gegenmittel gegen erstarrende Organisationsfor-men und –kulturen andererseits ausgeführt. Der zweite Teil lässt sich auf die schwierige Frage ein, ob Beratung und Managementphilosophie in irgendeinem erkennbaren Verhältnis zu innovativen Absichten der Unternehmen stehen. Immerhin ist die Existenz dieses Zusammenhangs eine der Standardbegründungen von Beratung und Managementphilo-sophie. Die Frage ist schwierig zu stellen und schwierig zu beantworten, weil der Sachverhalt der Innovation weniger eindeutig ist, als es der Wunsch nach innovativen Unternehmen unterstellt. Manage-mentphilosophie ist für Weber ein Verfahren, immer mehr durch immer weniger zu sagen. Management-philosophische Injunktionen können damit wesentlich zur Innovation beitragen. Der dritte Teil schließlich schaut sich den Einzelfall Tom Peters genauer an, wertet dessen Bücher und Seminare aus und entwickelt eine organisationstheoretisch motivierte Interpretation seines Erfolgs (andernorts) und Misserfolg (hierzulande). Im deutschsprachigen Managementmilieu lautet die Leitunterscheidung nicht innovativ/nicht-innovativ, sondern Etablierte/Außenseiter. Und so sehr man eine Zeitlang Außenseiter spielen kann, so sehr kommt es letztlich darauf an, zu den Etablierten zu gehören. Und das sind Leute, denen es nur auf von ihnen geplante Innovationen, aber nicht auf zufällige und überraschende, also bahnbrechende Innovationen ankommen kann. Niemand fängt an, so beschreibt Weber die „Lähmschicht“ des im deutschsprachigen Bereich vorherrschenden Managements (und er nennt eine ganze Reihe von Ausnahmen von dieser Regel). Die Unzufriedenheit, "the feeling of being pissed-off", mit dem man diese Haltung durchbrechen könnte, ist oft genug noch immer nicht gegeben."
Vorwort von Winfried Weber
Warum sollten sich Manager mit Organisationstheorie beschäftigen? Wenn sich Unternehmer mit Theorie beschäftigen, dann tun sie das in der Regel nicht freiwillig. Woher die Zeit nehmen? Wieviel potentielle Gelegenheiten könnten in dieser kostbaren Zeit verpasst werden, wieviel wichtigere Informationen blieben ihnen vorenthalten, wieviel Kontakte würden einschlafen, wieviel Schwung würde man verlieren? Die Managementtätigkeit erschafft keine reflektierenden Planer, Organisatoren, Koordinatoren oder Kontrolleure, wie dies seit hundert Jahren immer wieder behauptet wird. Mit Henry Mintzberg wissen wir, wie Manager arbeiten: sie arbeiten unter Zeitdruck, sind aktionsorientiert und haben eine intuitive Abneigung gegen reflektierende Aktivitäten. Manager benötigen persönliche Kontakte und klammern sich eher an weiche Daten wie Gerüchte, Klatsch und Spekulationen. Trotzdem stehen wir heute mehr denn je als Manager und Berater vor der Aufgabe, unsere mentalen Modelle, unsere inneren Landkarten, unsere klassischen Managementkonzepte, ja die gesamte Sprache, wie wir über Management reden, auf den Prüfstand zu stellen, weil die mittlerweile veralteten Landkarten unser Handeln und unsere Entscheidungen stärker determinieren als uns lieb sein kann. Aber mit Theorie? „Mit diesem Kram beschäftige ich mich nicht“, wäre die naheliegende Antwort des Praktikers. Chester Barnard (1886-1961), zeitlebens Manager und bis zu seiner Pensionierung als Direktor der New Jersey Bell Telephone (später AT&T) tätig, setzte sich nach Feierabend mit praktischer Philosophie und Organisationstheorien auseinander und stellte großformatige Fragen, die über die betriebswirtschaftlichen Ansätze von Frederick Taylor und Henry Fayol hinausgingen: Wie lassen sich Wirtschaftssubjekte in die Organisation integrieren? Wie entscheiden wir, wenn die Unternehmung ein System von Handlungen ist, dessen Bestand zu allen Zeiten unsicher ist? Wie soll der Manager also handeln und wie hat man sich beim täglichen Handeln zu entscheiden? Barnard bewegte sich nach seinen eigenen Worten als Praktiker in „Wolken von Ereignissen“ und als theoriebegeisterter Abstractor in „Wolken von Abstraktionen“. Als ihm einmal der praxisorientierte Harvard-Professor M. Copeland die Weltfremdheit seiner Managementkonzepte vorwarf, rechtfertigte sich Barnard, indem er zwei Redeweisen über Management unterschied: abstrakt-theoretisch und allgemeinverständlich-praktisch. Er selber benötige für sein Handeln beide Stile und könne, was er praktisch mache, nur theoretisch verstehen. Für Barnard hieß Managen, intuitiv zu handeln, ohne sagen zu können, von welchem Wissen es geleitet sei. Organisationstheorie interessierte ihn deshalb, weil sie dieses handlungsleitende Wissen explizieren könne und vielleicht erklären könne, warum Praktiker sich diesem Wissen gar nicht bewußt sein können und häufig anderen Modellen folgten, als sie es zu tun glaubten. Der theoretisch interessierte Praktiker Barnard untersuchte erstmals, wie man ein System, das aus mehreren Akteuren besteht, koordiniert. Seine Gedanken fanden später unter Herbert Simon Eingang in die Organisationstheorie und werden seither weitergeführt. Auch das vorliegende Buch entstand über Jahre durch die tägliche Grenzüberschreitung, ob vom Management-Praktiker oder Berater zum Abstractor, oder umgekehrt, mit dem Ziel sich vom Entweder-Oder der Theorie/Praxis-Unterscheidung zu lösen und an der Grenze zwischen den Systemen immer wieder Neues zu entdecken, ganz im Sinne Barnards, der dafür eintrat, dass diese Systeme dialogisch miteinander kommunizieren sollten. Als Manager fehlt einem die kostbarste Ressource des Gelehrten, die Zeit, um sich komplexen Fragen zu widmen. Nach meinem Verständnis können Gelehrte ebenso viel von Praktikern lernen wie Praktiker von Gelehrten. Die einen verfügen über die Zeit, die anderen über Informationen und unternehmerisches Gespür. Es gibt vielleicht nichts Praktischeres als eine gute Theorie, können wir frei nach Immanuel Kant sagen. Oder, hundert Jahre nach seiner ersten bahnbrechenden Veröffentlichung passt auch Albert Einsteins Aphorismus: Die Theorie entscheidet darüber, was wir beobachten können. Wenn wir Manager uns heute im turbulenten Umfeld komplexen Fragen stellen, werden wir zwangsläufig in den performativen Widerspruch verwickelt, wie man so schön sagt, in dem man auch aus der Distanz des vermeintlich schmucklosen Katheters der Gelehrten das illustre Treiben auf den Management-Wiesen zu reflektieren vermag, oder anders gesagt, sich mit der ungewohnten Blickweise selbst beobachtet. Ich danke besonders Herrn Dirk Baecker für die unzähligen Hinweise und Ermutigungen. Ich danke den Interviewpartnern für die Zeit, die sie sich genommen haben. Ich danke der Privaten Universität Witten-Herdecke für ihr inspirierendes Umfeld und nicht zuletzt ein Dank an Tom Peters.
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort von Dirk Baecker
Vorwort von Winfried Weber
Einführung
Teil I Innovation durch Beratung und Managementphilosophie?Die Ära des Consulting Booms
Kapitel 1 Der Consulting Boom Die US-Managementkrise von 1980 Management im Visier – Managing our way to economic decline Der Bestseller “In Search of Excellence” – der Auslöser eines Booms
Kapitel 2 Formen des Ratgebens Idealtypen der Managementliteratur und Managementberatung Kontinuität herstellende, rationalistische und ambiguitätstolerante Beratung Formen der Managementphilosophie
Kapitel 3 Managementphilosophie als unreife Disziplin Systematisierung der Kritik
Kapitel 4 Tom Peters – Vom Berater zum Managementphilosophen Rankings der „Management-Gurus“ - Glaubwürdigkeit und Resonanz in den USA Erklären, interpretieren und warnen Provokationen Consulting as a Performance Art Die Sprache der Qual Evangelikal? – Mephistophelisch! Emersonian Spirit
Kapitel 5 Postklassische Beratung Adoleszente Managementphilosophie Zusammenfassung Teil I
Teil II Die Innovation der Innovation
Kapitel 6 Entdeckende Innovation Heureka-Innovation Normierende Innovation Mimetische Innovation Innovation durch Prototypen Die Genese der Innovation - Zufälle, Hartnäckigkeiten, Unzufriedenheiten und Verweigerungen
Kapitel 7 Innovation durch Injunktion – konstruktive Innovation Die Unwahrscheinlichkeit der Innovation Performanz statt rationale Planung Managementphilosophie als Modell für Führungskommunikation Complicate yourself! Anschlussfähigkeit von Injunktionen Management und Autopoiesis in Agora und Bouleuterion Netzwerk und Injunktion
Teil III Die Resonanz deutschsprachiger Manager auf die postklassische Managementphilosophie am Beispiel von Tom Peters – eine Befragung und Untersuchung der Managementmilieus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz
Kapitel 8 Kalifornischer Übermut und deutsche Managementmilieus Zusammenfassung der Hauptergebnisse
Kapitel 9 Die Mauer des Schweigens Niemand fängt an
Kapitel 10 Etablierte und Außenseiter Jemand muss anfangen Offensive und gemäßigte Außenseiter Innovationen sehen – Innovationen durchsetzen Scherzverwandtschaft Zirkuläre Fragen
Kapitel 11 Die Sprache der Innovation Now That We Live in A Tom Peters World!
Schluss Die Hoffnung, uns am eigenen Schopfe aus der rationalen Organisation zu ziehen
Literatur- und Personenverzeichnis
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