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Rudolf Welter: Lebensentwürfe, Teil 3
Decker

Im Kreise der Verwandten setzt der junge Decker wieder einmal Ideen um, die ihm vom Kopf direkt in die Beine fahren. Diese lassen ihn in die Höhe schnellen oder im Kreise drehen. Die Arme halten Besenstiele, die sich zu einer Bassgeige und einen Bogen hochgespielt haben. Der Mund formt Töne, die die Besenstiele nicht leisten können. Applaus, Applaus, und Decker macht gleich weiter.
Jetzt geht er in den Querflötenunterricht, tritt mit seiner Schwester in Konzerten auf, bringt es zu Auftritten in der großen Kirche zu U. Hört dann irgendwann auf mit dem Interpretieren von Musik, die andere komponiert haben. Oft ärgert sich Decker, dass er nicht zu improvisieren lernte, immer nur nach Noten spielen, war alles, was ihm der Lehrer beibrachte.

So kam es, dass sich Decker ein großes Tonstudio einrichten ließ, voll von Tongeneratoren, die auf sein Geheiß Geräusche erzeugten, von denen er seit Jahren träumte. Und es war ihm so wohl dabei: Nicht mehr ausführen müssen, was sich andere ausgedacht hatten. Decker  wusste genau, was er im Leben nicht hätte werden wollen: Berufsmusiker. Er spürte Mitleid mit ihnen, wenn er daran dachte, dass diese ein Leben lang nur das spielen mussten, was andere komponiert hatten.

Der Boden, auf dem die Leiter stand, war gefroren und glatt. Decker hatte zwei Möglichkeiten: Den Aufstieg zu wagen oder zu verweigern. Unter Männern auf dem Bau war damals Verweigerung undenkbar. So musste Decker aufsteigen. Auf der Höhe, wo er seine Arbeit hätte leisten sollen, verlor die Leiter ihren Halt und damit auch er den seinen. Er hing nicht lange in der Luft, er schwang sich mit einer Eleganz, die er sich nie zugetraut hätte, und keine Zeit für Angst verschwendend auf die Höhe, wo er hätte arbeiten müssen. Dort fand er seinen Halt wieder. Darauf wurden alle Arbeiter vom Meister heruntergeholt, sie wurden "gegroundet", wie es in der Fliegersprache heißt.

Sturm ist die Nacht, und der Decker geht hoch. Auf zur Höhe, wo es lebensgefährlich ist, wenn's stürmt oder schneit. Wer sein Leben auf der Höhe nicht riskiert, riskiert seine Kundschaft zu verlieren. Decker dachte selten an die Kundschaft, die ihn lebensgefährlich herausforderte. Herausgefordert hatte auch die Natur: Bei minus zehn Grad mussten Eis und Schnee von der Höhe heruntergeschafft werden. Oder um die Weihnachtszeit, wenn's stürmte und schneite, musste aufgestiegen werden, um den Menschen ein Wohlgefallen zu bereiten: Trockene Päcklein unter den Bäumen dank abgedichteter Dachhaut über den Köpfen.

Am Abend, juhe, geht's runter von der Leiter, runter von der Höh'. Die Erde ist so weit und flach und sicher, dass Decker nicht recht weiß, wohin er im Überfluss an Sicherheit treten und wohin er sich bewegen soll. Er kann nach Norden, Süden, Osten oder Westen gehen. Er geht dieses Mal nach Süden, wo es ihm langsam warm wird ums Herz. Er denkt jetzt an seine Arbeit im Flachland, am Tisch in der warmen Stube. Hier beginnt eine neue Herausforderung: Sich entscheiden müssen in der Unendlichkeit des freien Handels mit Ideen zum Gestalten. Pinsel, Farbe, Holz oder Metall, Stein, die Flöte, das Klavier oder der Photoapparat? Alles zur Hand, auf den Kopf wartend, der Anweisungen geben soll, was zu tun ist. Daneben läuft auf einer angekratzten Langspielplatte Musik, zu der die Eltern den Kopf schütteln. Ohren zu, Augen zu, Mund auf wegen soviel Unverständlichem, wo er das wohl her hat, fragten sie sich?



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