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Respektspersonen? Peter Hartz, die Super-Nanny und Lady Di
Hartwig Hansen, Hamburg:

Neulich saßen wir in kleiner Runde zusammen und es entspann sich folgendes Gespräch.
„Fällt euch eigentlich jemand ein, den ihr als Respektsperson im öffentlichen Leben bezeichnen würdet?“
Mein Kollege sagte nach kurzem Überlegen: „Richard von Weizsäcker.“
Damit waren wir einverstanden.
„Und wer noch?“
„Ich weiß nicht. Für viele wird es vielleicht der Papst sein, für andere immer noch Uschi Glas oder Ulrich Wickert, aber irgendwie wird es schwierig mit den Respektspersonen. Früher war das anders.“
„Nee, nicht früher, heute!“
„Lass doch mal, früher gab es Willy Brandt, Heinrich Böll, Hans-Joachim Kulenkampff oder Mutter Theresa.“
„Erhard Eppler, Pfarrer Albertz, Hildegard Hamm-Brücher, Uwe Seeler. Okay. Und heute? Günter Grass demontiert sich selbst durch seine ‚Vergesslichkeit’, der ungarische Ministerpräsident lässt sich beim Eingeständnis erwischen: ‚Wir haben alle unsere Wähler belogen.’, der israelische Staats-Präsident wird wegen Vergewaltigung angeklagt, was ist los, bitte schön?!“
„Uwe Seeler gibt’s noch ...“
„Geschenkt.“ – Nachdenkliche Pause.
Und dann sagte mein Kollege: „Ich weiß auch nicht, ich respektiere meine Frau, und dann kommt gaaanz lange gar nichts.“
Offenbar waren die letzten Jahrzehnte die Jahre der Desillusionierung, zu viel (aufgedeckte) Korruption, zu viele gebrochene Wahlversprechen, Vertrauensverlust und Resignation in Serie. Da ist der Rückzug ins Private eine verständliche Reaktion.
Schauen wir mal genauer nach:
Peter Hartz, der weiland mit seinen Vorschlägen – vorsichtig ausgedrückt – die Republik veränderte, war in der öffentlichen Wahrnehmung Anfang des Jahrtausend fast so wichtig wie sein Partner, der letzte Bundeskanzler selbst. Wie hieß der noch? Helmut – nee, Gerhard „Sie glauben doch nicht im Ernst, Frau Merkel!“-Schröder.
Dieser Peter, der mit seinem Namen das „Wort des Jahres 2004“ „Hartz IV“ prägte, Synonym für das Ende des Sozialstaats, musste nach peinlichen Ermittlungen zugeben, „Fehler gemacht zu haben“. Konkret habe er – nach Überzeugung des Landgerichts Braunschweigs – dem VW-Konzern als Personal-Chef einen Gesamtschaden von 2,6 Millionen Euro zugefügt. Schlagzeile nach dem Urteil: „Wie abgesprochen: Hartz auf Bewährung frei.“
Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff, der trotz seines Partnerinnenwechsels in seinem Lande (noch) als Respektsperson gelten mag, forderte nach dem Urteil, die Sozialreformen umzubenennen. Hartz dürfe nicht mehr Namensgeber für Bundesgesetze sein.
Aha, umbenennen. Und Akte zu! Wie nennt sich dann aber Josef Ackermann in Zukunft? Der Deutsche-Bank-Chef mit einem Jahresgehalt von 20 Millionen Euro, der sich per „Ablass“ ebenfalls aus dem immerhin wieder aufgenommenen Mannesmann-Prozess freikaufte?
Heute streichen die Manager von Großkonzernen das 240fache eines Durchschnittsverdieners ein. Vor 30 Jahren begnügten sich die Bosse noch mit dem 30fachen. Ich finde, so viel ist die Leistung keines Mensch wert! Sind das Respektspersonen?
Ich glaube, der Gesamt-Schaden von alledem ist weder mit Umbenennungen zu beheben noch in Euro zu beziffern. Dazu müsste es eine Respektwährung geben – und in dieser Währung steigt in unserer Welt die Neuverschuldung in ähnlich schwindelerregende Höhen wie die reale.
Warum muss ich Respekt zeigen, wenn die, die uns regieren und wirtschaftlich „führen“, denen ich vertrauen soll, dieses Vertrauen offenbar mit Füßen treten?
Vorbilder? Ein Begriff aus der Fotoentwicklung?
Gut, da gibt es dann so rührende Szenen, wenn „unser Jürgen Klinsi“ Klinsmann im „Sommermärchen-Film“ von 2006 seinen geschassten Zweittorwart Oliver Kahn den „allergrößten Respekt“ ausspricht.
Aber sonst glauben wir doch kein Wort mehr, wenn Politiker, Kirchenleute oder Wirtschaftsbosse von „Respekt“ sprechen.
Das Gegenteil grassiert: Respektlosigkeit ist zum medialen Gütekriterium geworden, allen voran „Altmeister Dirty Harry“, Harald Schmidt, der jetzt auch in der ARD Scherze auf Kosten der halben Menschheit und sämtlicher „Randgruppen“ macht.
Da wird die Kamera extra draufgehalten, damit das Filmchen in „Upps – die Pannenshow“ ein paar Euro und Lacher einbringt, da boomen die Sendungen mit der versteckten Kamera und „reingelegten Promis“ zur Volksbelustigung, da beleidigt Dieter Bohlen singende „Superstar“-Teenager und die „Super-Nanny“ soll’s dann in „überforderten“ Familien wieder richten. Kamera läuft. Hat ja alles nichts miteinander zu tun ...
In Amerika startete unlängst „BabyFirst TV“. Das 24-stündige werbefreie Programm richtet sich an Kinder im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren und deren Eltern. Die letzten noch nicht berieselten Zielgruppen werden in Geiselhaft genommen. In den Niederlanden gab es nach dem „Big Brother“-Hype immerhin noch ein paar Proteste gegen eine „Dating-Show“ für durch Krankheit oder Unfall entstellte Menschen. Stand zumindest in der Zeitung.
Noch mehr Beispiele? Sie merken, ich muss an mich halten!
Tief durchatmen, und noch mal anders:
Irgendwann und irgendwie hat das aufgehört mit den „Respektspersonen“. Nach meinem Eindruck hielten sich die Medien ehedem noch eher an die gemeinsame Etikette, Politiker und Prominente nicht bloßzustellen. Heute in Zeiten des Auflagen- und Quotenkrieges und der „Jedermann-Paparazzi“ scheint die „Richter-Skala“ des Respekts nach oben offen zu sein – oder sagen wir lieber nach unten.
Da wird die bloße Rückseite der Kanzlerin am Urlaubsstrand zum Tagesthema und der Selbstmord-Fenstersprung eines depressiven Schlagerstars zum Running-Gag in Comedy-Shows.
Die Scham-Grenze muss jetzt irgendwo zwischen dem Merkel-Po und den Lady-Di-Fotos aus dem Pariser Tunnel liegen. Die werden – seit nun fast zehn Jahren und trotz häufig wiederkehrender Gerüchte – (noch) „pietätvoll“ nicht veröffentlicht. Respekt vor einer Ikone oder stimmte der Preis bisher noch nicht?
Über den Preis bei meinem persönlichen „Top-Hit der feigen Respektlosigkeit“ kann man sich allerdings nicht beklagen. Je nachdem, wie elegant oder abrupt man sich von seinem Partner oder seiner Partnerin trennen möchte – unter www.schlussmachen.com findet man preiswerte Entlastungshilfe: Beim Standardpaket für 14,95 € bekommt der oder die Ex einen Anruf mit sachlichen Gründen für das Aus. Im „Lieb-Schluss-Machen-Paket“ für 24,95 € bekommen die Verflossenen zum Trost noch was Süßes (für die Damen) bzw. Bier und Chips (für die Herren) zugeschickt. Und im „Schluss-Mach-Abo“ für 34,95 € dürfen die Kunden bis zu zehnmal den Trennungsservice in Anspruch nehmen. „Dieses Geheule kostet mich einfach zu viel Nerven.“ Im „Gästebuch“ finden sich dazu Links auf harte Pornoseiten.

Fazit: Wem in solchen Zeiten zunehmend etwas fehlt, kann sich jetzt ein bisschen Respekt ersteigern. Ich habe das Wort mal „eingegoogelt“ und rechts neben der Auflistung von 2.600.000 „deutschen Seiten“ folgende Anzeige gefunden: „Alles zum Thema Respekt Grosse Auswahl, kleine Preise! www.ebay.de“
Geht doch! (Oder sollte das nur ein Computerautomatismus gewesen sein?)



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